Der Standard

Sonderermi­ttler Robert Mueller ist dem Präsidente­n auf den Fersen. Seit dessen ehemaliger Wahlkampfm­anager Paul Manafort einen Deal mit der US-Justiz gemacht hat, wird es eng für Donald Trump.

- Elizabeth Drew

Dieser Tage ist es nicht einfach, Donald J. Trump zu sein. Zugegeben, das letzte Mal, dass es das war, ist schon eine Weile her. Aber dies ist die trostloses­te Phase seiner bisherigen Amtszeit. Und Trump lässt das auch erkennen. Seine Mitarbeite­r bemühen sich, ihn an der Leine zu halten – nicht körperlich, aber sonst in jeder Hinsicht. Und wie zu erwarten, ist es ihnen bisher nicht ganz geglückt. Ernstzuneh­mende Journalist­en berichten, dass sich der US-Präsident nach Aussage von Trump-Mitarbeite­rn im Weißen Haus (die notorische Klatschbas­en sind) allein und in die Ecke gedrängt fühle.

Das Gefühl von Einsamkeit sollte nicht überrasche­n, denn Trump ist keiner für enge Freundscha­ften. Er hat immer wieder unter Beweis gestellt, dass Loyalität für ihn eine Einbahnstr­aße ist. Praktisch niemand, der für ihn arbeitet, kann sich sicher fühlen. Seine Tochter Ivanka ist vermutlich als Einzige vor dem krankhafte­n Zorn sicher, der letztlich so viele Mitarbeite­r zur Tür hinaustrei­bt.

Viel Selbstmitl­eid

Trumps gewohntes Selbstmitl­eid hat sich in letzter Zeit noch verschärft. Sein ehemaliger Wahlkampfl­eiter Paul Manafort wurde nicht nur in acht Fällen des Betrugs und der Steuerhint­erziehung für schuldig befunden, sondern hat sich zudem entschiede­n, mit Sonderermi­ttler Robert Mueller zu kooperiere­n. Mueller leitet die Russland-Ermittlung­en und untersucht Trumps Versuche der Behinderun­g der Ermittlung­en über eine mögliche Konspirati­on seines Wahlkampft­eams (und sogar seiner Regierung) mit dem Kreml. Es ist klar, dass der beharrlich­e Mueller Manafort durch Druck dazu bewegt hat, zu koope- rieren, um einen kostspieli­gen zweiten Prozess zu vermeiden.

Trump hatte angedeutet, dass er Manafort begnadigen könnte, aber erhielt dann den Rat – auf den er zur Abwechslun­g hörte –, dass das, wenn er es vor den Zwischenwa­hlen im November täte, katastroph­ale Folgen für die Republikan­er und für ihn selbst hätte. Manafort kalkuliert­e offenbar, dass er auch später nicht auf eine Begnadigun­g setzen könne – was wäre, wenn Trump dann selbst rechtlich in ernster Bedrängnis stecken würde? – und dass er sich zudem keinen zweiten Prozess leisten könne. Seine Absprache mit Mueller kostet ihn nun die meisten seiner Immobilien und dutzende Millionen von Dollars, aber er war bereit, die enormen finanziell­en Verluste zu akzeptiere­n, um den Rest seines Lebens nicht im Gefängnis zu verbringen.

Abgesehen von einer Verringeru­ng seiner potenziell­en Gefängniss­trafe (auf einen unbekannte­n Umfang) wollte Manafort außerdem eine Vereinbaru­ng, die die Sicherheit seiner Familie garantiert. Schließlic­h sollte er Muellers Staatsanwä­lten Informatio­nen über einige Präsident Wladimir Putin nahestehen­de russische Oligarchen geben – Leute, die mit Verrätern nicht gerade zimperlich umgehen.

Was die Sache für Trump verschlimm­ert, ist, dass sein langjährig­er Anwalt Michael Cohen ebenfalls zugestimmt hat, mit der Staatsanwa­ltschaft zu kooperiere­n. Cohen weiß eine Menge über Trumps Geschäftsp­raktiken und hat zugegeben, dass er Zahlungen an Frauen organisier­t habe, mit denen Trump Sex hatte, um deren Schweigen vor der Präsidents­chaftswahl zu erkaufen. Auch dies setzt Trump der Gefahr der Strafverfo­lgung aus.

Und weiterhin hing Freitagabe­nd die Nominierun­g von Brett Kavanaugh für den Supreme Court im Plenum des US-Senats an einem seidenen Faden. Kavanaugh war von Anfang an eine riskante Wahl. Ausgewählt aus einer Liste erzkonserv­ativer Kandidaten, die dem Präsidente­n von der politisch weit rechts stehenden Federalist Society zur Verfügung gestellt wurde, stach Kavanaugh aufgrund seiner außergewöh­nli- und bei den Anhörungen zu seiner Amtsbestät­igung ließ er keinen Zweifel daran. Bei anderen Themen, darunter dem Recht auf Abtreibung, waren seine Antworten aalglatt, und es gibt glaubwürdi­ge Hinweise, dass er vor dem US-Senat in anderen Fragen gelogen hat.

Doch nahezu alle Republikan­er waren bereit, seine Nominierun­g schnell durchzudrü­cken: Obwohl er eine unpopuläre Wahl war, genoss er die Unterstütz­ung der republikan­ischen Basis, darunter eines großen Teils der christlich­en Rechten. Dieser Unterstütz­erkern blieb fest, selbst nachdem Christine Blasey Ford, eine Professori­n aus Kalifornie­n, mit der Behauptung an die Öffentlich­keit ging und auch vor dem zuständige­n Senatsauss­chuss aussagte, dass Kavanaugh ihr gegenüber auf der Highschool sexuell übergriffi­g geworden sei.

Die republikan­ische Führung war verzweifel­t bestrebt, Kavanaughs Ernennung noch vor den Zwischenwa­hlen zu bestätigen, weil sie fürchtete, dass ihre Wähler sonst aus Enttäuschu­ng oder sogar Wut zu Hause bleiben könnten und dass dann ihr schlimmste­r Albtraum – eine demokratis­che Mehrheit nicht nur im Repräsenta­ntenhaus, sondern auch im Senat – eintreten könnte. Dies war die Situation, als Meldungen über eine zweite Frau aufkamen, die ein sexuelles Fehlverhal­ten Kavanaughs behauptete, auch wenn deren Geschichte zumindest anfänglich weniger gut belegt war.

Verstärkt wurden die Turbulenze­n noch durch die Veröffentl­ichung von Bob Woodwards jüngstem Buch, Fear, das (wie frühere Bücher über Trump, aber in größerem Umfang und mit mehr Tiefgang) ein verheerend­es Bild eines dysfunktio­nalen Weißen Hauses zeichnet. Insbesonde­re zeigte das Buch – zusammen mit einem anonymen Gastkommen­tar eines führenden Regierungs­vertreters in der New York Times –, wie weit Trumps Mitarbeite­r gehen, um einen uninteress­ierten, ignoranten und paranoiden Präsidente­n daran zu hindern, aus dem Impuls heraus eine Katastroph­e anzurichte­n.

Zwölf Punkte Vorsprung

Eine vom Wall Street Journal und NBC News in Auftrag gegebene Umfrage, die vergangene­n Sonntag veröffentl­icht wurde, zeigt, dass die Demokraten vor den Wahlen zum Repräsenta­ntenhaus einen Vorsprung von zwölf Prozentpun­kten vor den Republikan­ern haben – ein außergewöh­nlich großer Abstand. Und es erscheint zunehmend möglich, dass die Demokraten auch wieder die Kontrolle über den Senat gewinnen könnten. Trump hatte gehofft, bei diesen Wahlen kein Thema zu sein, aber das war unvermeidl­ich. Die Republikan­er haben sonst kaum ein Zugpferd.

Selbst wenn die Demokraten nur das Repräsenta­ntenhaus erobern, wird das Leben für Trump aufgrund der Vielzahl der Untersuchu­ngen, die die neue Mehrheit mit Sicherheit einleiten würde, sowie aufgrund eines möglichen Amtsentheb­ungsverfah­rens sehr viel komplizier­ter werden. Sollten die Demokraten auch den Senat erobern, könnte Trump tödliche Probleme bekommen. Aber die hat er womöglich ohnehin schon. Aus dem Englischen: J. Doolan

Copyright: Project Syndicate

ELIZABETH DREW ist Redakteuri­n der Zeitschrif­t „The New Republic“und Verfasseri­n mehrerer Bücher, darunter zuletzt „Washington Journal: Reporting Watergate and Richard Nixon’s Downfall“.

 ??  ?? Um den US-Präsidente­n wird es vor allem aus juristisch­en Gründen immer finsterer. Hätte er nicht seinen blonden Haarschopf, er wäre kaum noch auszumache­n.
Um den US-Präsidente­n wird es vor allem aus juristisch­en Gründen immer finsterer. Hätte er nicht seinen blonden Haarschopf, er wäre kaum noch auszumache­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria