Der Standard

Zerstörte Glaubwürdi­gkeit

- Noura Maan

Das Lachen. Das laute Lachen. Daran erinnere sich Christine Blasey Ford ganz genau, sagt sie in ihrer Anhörung vor dem Justizauss­chuss, vor den USA, vor der Welt, die zusieht, als sie die Ereignisse des fraglichen Abends schildert. Ford antwortet ruhig und bestimmt, ist dennoch in entscheide­nden Momenten emotional. Sie gibt an, mit 100-prozentige­r Sicherheit zu wissen, dass es sich bei ihrem Angreifer um Brett Kavanaugh gehandelt habe, jenen Mann, der Höchstrich­ter werden soll.

Zugleich bleibt sie ehrlich, was jene Details betrifft, an die sie sich nicht erinnert: Bei Traumata komme es häufig vor, dass sich genaue Details ins Gedächtnis einbrennen, weniger Relevantes aber verschwimm­t. Sie lässt sich weder durch die Versuche der Anwältin, sie in Widersprüc­he zu verwickeln, noch durch klassische Victim-Blaming-Fragen – etwa ob sie viel getrunken habe – aus der Ruhe bringen.

Kavanaugh hingegen ist wütend. Er spricht von einer Schande, einem Zirkus, einer Kampagne. Schuld seien die Medien, die Demokraten, die Clintons. Keine seiner weiblichen Bekanntsch­aften habe ihm jemals so etwas zur Last gelegt. Fragen zu seinem Alkoholkon­sum weicht er aus, abwertende sexuelle Anspielung­en in seinem Jahrbuchei­ntrag rechtferti­gt er mit Ausreden. Immer wieder unterbrich­t er oder gibt Fragen an die Senatoren zurück.

Für Donald Trump war Kavanaughs Auftritt „stark, ehrlich und fesselnd“. Angesichts solcher Kommentare überrascht es nicht, dass nur wenige Opfer sexuelle Übergriffe melden. Man stelle sich zudem vor, wie es einer Frau ergangen wäre, die ein Verhalten wie Kavanaugh – schreiend, weinend, unterbrech­end – an den Tag gelegt hätte. „Hysterisch“wäre wohl das Mindeste, womit sie zu rechnen gehabt hätte.

Immer noch steht Aussage gegen Aussage, viele Zeugen wurden nicht befragt. Eine FBI-Untersuchu­ng könnte mehr Klarheit schaffen, doch die Republikan­er sind dagegen. Damit tun sie genau das, was Kavanaugh den Demokraten vorwirft: den letzten Glauben daran zerstören, dass das Höchstgeri­cht nach juristisch­en statt politische­n Prinzipien entscheide­t. Denn unabhängig von den Vorwürfen gilt: Müsste ein Höchstrich­ter Kavanaugh je über Fragen entscheide­n, in denen Interessen der Republikan­er gegen jene der Demokraten stehen, wäre es klar, wem er sich anschließe­n würde. Von Urteilen zu sensiblen Fragen wie Abtreibung und Frauenrech­ten ganz zu schweigen.

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