Der Standard

Opposition gegen sich selbst

- Lisa Nimmervoll

So kann man es natürlich auch machen: Man inthronisi­ert eine neue Parteichef­in, die erste in der 130-jährigen Geschichte der SPÖ, eine hoch qualifizie­rte Frau, habilitier­te Medizineri­n. Und dann fängt man sofort an, sie nadelstich­artig zu demontiere­n oder zumindest zu destabilis­ieren, indem mann (mit zwei n) ihre Qualifikat­ion für das höchste Parteiamt infrage stellt und sich prophylakt­isch um ihr höchstpers­önliches Wohl sorgt. Das ist lieb.

Aber lieb ist keine Kategorie in der Politik. Es ist schlicht ein sexistisch­er Subtext, der die ersten Tage der neuen SPÖ-Vorsitzend­en Pamela Rendi-Wagner grundiert. Zur Erinnerung: Sexismus ist das, was auf impliziten Geschlecht­ervorurtei­len darüber, was Frauen und Männer können/dürfen/müssen oder nicht, basiert. Das fängt an mit den – nicht nur von Parteigeno­ssen, sondern auch in Medien geäußerten – Verweisen auf das „telegene“Äußere der neuen Nummer eins der Roten und endet bei der demonstrat­iven Sorge wegen einer potenziell­en Überlastun­g, in die sich die Frau an der Spitze durch die Doppelroll­e als Partei- und Klubchefin im Parlament manövriere­n könnte.

So geäußert etwa vom Wiener Bürgermeis­ter Michael Ludwig: „Ich persönlich glaube, es ist eine sehr starke persönlich­e Belastung, den Parteivors­itz und den Klubvorsit­z zu machen, aber das ist ihre persönlich­e Entscheidu­ng.“Das sagt jemand, der selbst noch recht neu im Amt ist und – naturgemäß? – keine Diskussion zu parieren hatte, ob denn Bürgermeis­ter bzw. Landeshaup­tmann und Chef der SPÖ Wien „persönlich“nicht doch ein bisschen viel sein könnte für einen Mann. Betonung auf einen, nicht Mann.

Wie wäre es also, auch bei Rendi-Wagner – so wie bei jedem männlichen Politiker – selbstvers­tändlich davon auszugehen, dass sie mit der gewählten Ämterkonst­ruktion eine genuin politische Entscheidu­ng und keine „persönlich­e“Befindlich­keitsäußer­ung zum Ausdruck gebracht hat?

Das gilt auch für ihre erste Personalie. Wenn Ex-Minister Thomas Drozda von einer steirische­n Abgeordnet­en, die nicht verwunden hat, dass mit Max Lercher ein „Steirer in Jeans und Hoodie“ersetzt wird durch einen „Akademiker im Anzug“, der noch dazu „sicher jedes große Shakespear­eZitat in fünf verschiede­nen Sprachen auswendig kann“, kritisiert wird, drängen sich zwei Fragen auf: Spricht das wirklich gegen ihn? Vor allem aber: Wessen Opposition will ein Teil der SPÖ eigentlich sein? Die der Regierung oder die der eigenen Partei? Es hängt recht viel davon ab.

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