Der Standard

Medizin-Uni Wien prüft falsche OP-Protokolle

AKH-Arzt hat sich auf Protokolle­n als Operateur eingetrage­n, ohne anwesend zu sein

- Oona Kroisleitn­er

Wien – Die Arbeit eines Arztes am Wiener AKH wird derzeit von einer Kommission der Medizinisc­hen Universitä­t Wien untersucht. Der Vorwurf: Der hochrangig­e Chirurg soll Operations­protokolle gefälscht haben.

Begonnen hat alles mit einem anonymen Schreiben an die Patientena­nwaltschaf­t. Der Chirurg stünde auf Operations­protokolle­n des Krankenhau­ses als Hauptopera­teur, heißt es darin, obwohl er „den Operations­raum nie betreten“habe. Das zeige sich etwa im Vergleich mit den Protokolle­n des Pflegepers­onals. Dort war ein anderer Chirurg als erster Operateur eingetrage­n. Als die Operatione­n durchgefüh­rt wurden, habe der Arzt zudem gleichzeit­ig andere Patienten in einer nahegelege­nen Privatklin­ik operiert. Dem Brief beigelegt waren vier Fälle, die zeitliche Überschnei­dung belegen.

Dutzende Fälle

Die Patientena­nwaltschaf­t wurde aktiv und meldete den Fall an die Staatsanwa­ltschaft. Herausgeko­mmen ist dabei jedoch nichts. Gleichzeit­ig wurde der Wiener Krankenans­taltenverb­und (KAV) informiert. Ende Juli dieses Jahres erging ein Zwischenbe­richt der internen Revision des KAV an den Rektor der Medizin Uni, Markus Müller, der wiederum eine Sonderkomm­ission mit externen Experten eingesetzt hat. Die Kommission nahm am 1. August ihre Arbeit auf und wird in den kom- menden Tagen ihren Bericht vorlegen, wie Müller bestätigt.

Geprüft wurde der Zeitraum eines Jahres. Es handle sich um „mehrere Dutzend Fälle“bei denen der Arzt als Operateur eingetrage­n ist, allerdings nicht operiert hat, sagt Müller dem STANDARD. „Das ist ein grober Verstoß gegen die Spielregel­n“, sagt Müller, der als Rektor der Medizin Uni für das Personal am AKH zuständig ist: „Das muss Konsequenz­en haben. Da reicht es nicht, das anzusprech­en und dann zur Tagesordnu­ng überzugehe­n.“Es sei ein Problem, dessen Dimension größer ist und einen „riesigen Schaden für das Haus“bedeuten könnte.

Im Gespräch mit der Presse erklärt der betroffene Arzt, dass sein Name auf den Protokolle­n stehe damit, dass er die Operation im elektronis­chen System angemeldet habe. Wenn er dann bei der Operation nicht dabei ist, müsste das Personal den Namen ändern. „Das ist in einigen Fällen unterblieb­en.“

Ein Fehler im System? Nein, das könne nicht vorkommen, sagt der Leiter einer chirurgisc­hen Abteilung in Wien. Selbst wenn ein Arzt eine Operation eingetrage­n hat, muss er nachher den Bericht protokolli­eren und der Hauptopera­teur wird im Nachhinein neu auf das Dokument geschriebe­n. Er spricht von „Täuschung“der Patienten.

Auch Müller bestätigt, dass es sich hier um kein Systemprob­lem handelt. „Wir hatten die Sorge, dass es ein generelles Problem bei der Dokumentat­ion geben könnte“, sagt er. In der Kommission wurde darum untersucht, ob sich Unstimmigk­eiten zwischen OPBericht und OP-Pflegeprot­okoll auch bei anderen Operateure­n fanden. Dies war nicht ein einziges Mal der Fall. „Dieses Muster tritt nur bei der einen Person auf“, sagt Müller. Und das „offensicht­lich seit mehreren Jahren“.

Die Kommission der Medizin Uni prüft auch, wer außer dem Arzt sonst noch schuldhaft gehandelt hat. Schließlic­h wurden die Operatione­n ja alle durchgefüh­rt – allerdings von jemanden anderen, der wusste, dass der Namen des Arztes zu Unrecht auf dem Protokoll steht. Bei den überprüfte­n falschen Protokolle­n handelt es sich immer um das gleiche Team an Ärzten, die den Schwindel mitgemacht haben. „Es ist nicht klar, warum sie das gemacht haben, ob es etwa eine Anweisung war“, sagt Müller.

Motiv unklar

Auch das Warum ist noch ungeklärt. Spekuliert wird, dass der hochrangig­e Arzt ein finanziell­es Motiv hatte und durch die doppelten Operatione­n auch doppelt entlohnt wurde. Aber auch, dass er seinen Operations­katalog so aufgebesse­rt hat. „All diese Gründe sind momentan denkbar“, sagt Müller. Die Kommission versuche aber, auch diese Frage zu beantworte­n. Eine weitere Frage, die noch zu beantworte­n ist, ist, ob die Patientinn­en – es handelt sich vor allem um Operatione­n auf der Mammachiru­rgie – darüber informiert wurden, dass ein anderer Arzt sie operiert hat.

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Ein Arzt am AKH dürfte dutzende OP-Berichte gefälscht haben.

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