Der Standard

KOPF DES TAGES

Ex-Cowboy, der Kavanaugh ins Schwitzen bringt

- Florian Niederndor­fer

Sie haben ihn mit dem Rücken zur Wand erwischt. Eine Frau verstellte mit ihrem Fuß die Tür, der Aufzug im vierten Stock des Russell Senate Office Building am Washington­er Capitol Hill bewegte sich nicht. Die andere weinte, schrie ihn an, forderte ihn auf, ihr in die Augen zu schauen. Sein Ja zur Bestellung des umstritten­en Brett Kavanaugh in den Supreme Court sei „unerträgli­ch“, ob er denn gar nicht an seine Tochter denke.

Ausgerechn­et in der klaustroph­obischen Enge einer Aufzugskab­ine bekam Jeff Flake (55), Republikan­er, Senator aus Arizona, Vater einer Tochter, die Wut und die Enttäuschu­ng vieler Amerikaner angesichts der Vorwürfe gegen Kavanaugh wegen angebliche­n sexuellen Missbrauch­s zu spüren. Und je länger die per Liveschalt­ung in die Welt getragene Szene andauerte, desto verzweifel­ter tönte das „thank you“, mit dem er die Aktivistin­nen und Berichters­tatter abwimmeln wollte.

Ob Flake tatsächlic­h die leidenscha­ftlichen Appelle der beiden Frauen im Aufzug im Ohr hatte, als er wenig später eine Kehrtwende vollzog und eine Untersuchu­ng der Vorwürfe gegen Donald Trumps Protegé durch das FBI forderte, wird wohl für immer das Geheimnis des gläubigen Mor- monen und ehemaligen Cowboys aus Snowflake im Navajo County bleiben.

Tatsächlic­h hatten sich viele Liberale von ihm erwartet, dass er sich einmal mehr gegen die Pläne Trumps stellt. Denn obwohl er einer Statistik zufolge in 80 Prozent der Abstimmung­en im Sinne des Präsidente­n votierte, hat er über die Jahre an seinem Ruf als Rebell gefeilt. Als Trump und republikan­ische Hardliner die Einwanderu­ngsgesetze verschärft­en, arbeitete Flake mit den Demokraten vergebens an einer liberalere­n Regelung. Während des Senatswahl­kampfs im erzkonserv­ativen Alabama unterstütz­te er mittels einer Spende den demokratis­chen Konkurrent­en des wegen Belästigun­gsvorwürfe­n desavouier­ten Republikan­ers Roy Moore. „Das Land kommt vor der Partei“, schrieb er auf Twitter.

Manch einer wollte in dem telegenen Politologe­n, der in jungen Jahren als Missionar durch Südafrika tingelte, sogar einen Herausford­erer Trumps 2020 erkennen. Im Jänner wird er – so oder so – vom Senat Abschied nehmen müssen. Er tritt mangels Unterstütz­ung durch Anhänger Trumps in Arizona nicht mehr an. Sein Erbe? Es wird für immer mit einem Aufzug verbunden sein.

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Foto: Getty/McNamee Jeff Flake sorgte mit seiner Kehrtwende für eine FBI-Untersuchu­ng.

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