Schlechte Zeiten für die Traber in der Krieau
Die goldenen Zeiten des Wiener Trabrennvereins sind vorüber. Kaum jemand, der nicht familiär vorgeprägt wurde, verirrt sich noch in die Krieau. Die wenigen, die dem Sport noch frönen, hängen aber sehr daran.
Nanny McPhee hat einen guten Tag. Flott, aber nicht zu hastig setzt sie ein Bein vor die anderen und umkreist die ovale Bahn. Obwohl der Boden zuvor mit Wasser besprüht wurde, wirbelt sie hie und da Staub hinter sich auf. Zwei Minuten und 42 Sekunden werden Pferd Nanny und Fahrer Christoph Fischer schließlich gebraucht haben, um die vorgegebenen 2100 Meter zurückzulegen. Damit stechen sie die direkte Konkurrenz („Glamour Dancing“) knapp aus und dürfen sich über Platz eins freuen. Alle, die auf die Favoritin wetteten, dürfen sich ihren Gewinn abholen.
Rauchen, trinken, wetten
Auch Ronald Lichtenwallner hat heute schon zweimal den Gang zum Wettschalter absolviert. Für je fünf Euro forderte er sein Glück heraus – und ist insgesamt mit drei Euro Minus ausgestiegen. Seit den Sechzigerjahren, als ihn erstmals ein Kollege zu einem Rennen mitgenommen hat, zieht es den 70-Jährigen an die Trabrennbahn in der Wiener Krieau. Wetten ist dabei nicht seine oberste Priorität. Viel lieber „trinke ich mal ein Achterl und rauche ein Zigaretterl zwischen den Rennen“, sagt der pensionierte Schriftsetzer, der das Geschehen vom Inneren der Tribüne aus beobachtet.
Denn die goldenen Zeiten der Wiener Trabrennbahn in der Krieau sind vorbei. 1874 gründete sich der Wiener Trabrennverein (WTV), der die Bahn, die vier Jahre später eröffnet wurde, bis heute betreibt. Anfang des 20. Jahrhunderts war Österreich-Ungarn in dem Sport international tonangebend, noch bis in die 1960er-Jahre blühte in der Krieau das Geschäft. Mitunter kamen zehntausende Besucher zu einem Rennen.
Heute verirren sich nur noch wenige hierher, nach Angaben des WTV-Präsidenten Peter Truzla sind es durchschnittlich 1000 pro Renntag. Und das klingt eher nach einer optimistischen Schätzung. Dabei sei der Trabrennsport ein Ereignis für jedermann, vor allem für Familien, meint Truzla, und habe nichts mit dem gehobenen Galopprennsport gemein: Der Min- destwetteinsatz liegt bei einem Euro. Der Eintritt bei fünf, Pensionisten zahlen die Hälfte.
Vor allem die Jungen bleiben aus. Die kommen nur noch dann in größeren Scharen in die Krieau, wenn sich Größen wie David Guetta ansagen. Mit Einnahmen durch Großveranstaltungen finanziert sich der Verein gewissermaßen auch die Renntage, die längst nicht mehr viel Geld abwerfen. In Zeiten vor der Dominanz der Wettbüros sah das noch anders aus. Zwei Rennen wurden früher pro Woche ausgetragen. Heuer kommt man auf 26 Renntage im Jahr.
Trotz der turbulenten Jahre steht der Trabrennbahn die größte Veränderung womöglich erst bevor. Für 10,4 Millionen Euro Mindestkaufpreis hat der Immobilienentwickler IC Development GmbH die weltweit zweitälteste, noch in Betrieb befindliche Trabrennbahn erstanden. Sollte das Areal bebaut werden, wird der Preis steigen. Es ist dieselbe Firma, die direkt neben dem Areal das hippe „Viertel Zwei“, bestehend aus Eigentumswohnungen und Bürogebäuden, hochgezogen hat. Der Trabrennverein hat zwar einen unbefristeten Pachtvertrag – aber Truzla bestätigt Gerüchte, dass man nicht Nein sagen werde, wenn sich eine passende, bessere Alternative für einen neuen Standort finden ließe.
„Es wäre schade, wenn die Rennbahn in der Krieau zusperren würde. Immerhin hat sie schon zwei Weltkriege überlebt.“Fritz Matula steht auf der ersten Etage der Tribüne. Er blickt auf die Bahn, die vor der Kulisse der schicken Neubauten des Viertels Zwei besonders antiquiert wirkt. In der rechten Hand hält Matula die Zeitschrift Krieau Aktuell, in der die heutigen Rennen samt Startern aufgelistet sind. „Früher waren hier so viele Leute, da hat man gar keinen Platz gehabt“, sagt Matula. Auf Pferde zu wetten sei die beste Art zu wetten, meint er: „Im Kasino haust mehr Geld raus, und Lotto daratest nie.“Es könne schon vorkommen, dass er pro Tag zweioder dreihundert Euro verliere.
Kritik an teurem Wohnraum
Würde die Krieau aber noch mehr bebaut werden, wäre ihm das jedenfalls „nicht wurscht“. Auch ein anderer Besucher beschwert sich unabhängig der Zukunft des Vereins darüber, dass die Stadt die Fläche verkauft hat: „Wenn es besser für den Verein ist abzusiedeln, soll er das machen. Aber dann sollen bitte leistbare Wohnungen und kein teures Eigentum entstehen.“
„Wir können nicht Zwangserhalter denkmalgeschützter Gebäude sein“, sagt Truzla und meint damit den finanziellen Aufwand, der unter anderem für die Tribüne 1 und den Richterturm zu stemmen sei. Außerdem gebe es bereits jetzt regelmäßig Anrainerbeschwerden – wegen der Lautsprecherdurchsagen. Wiewohl er verstehe, dass mancher Besucher an der Krieau hänge. Die IC Development hält die Augen jedenfalls schon aktiv offen. Das Gefühl der Nostalgie würde im Falle des Falles wohl mitübersiedeln.