Der Standard

Wiener Volksstück

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Wiens Bürgermeis­ter Dr. phil. Michael Ludwig ist mit Sicherheit ein belesener Mensch.

Kann es sein, dass Ludwig in der aktuellen Diskussion über die neue SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner mit literarisc­hen Zitaten arbeitet? Angeblich war er ja ein kleines bisschen skeptisch, was die Eignung von Rendi-Wagner und deren Wunschkand­idaten für die Parteigesc­häftsführu­ng, Thomas Drozda, betrifft: zu wenig volkstümli­ch, hieß es da. Inzwischen sind die beiden vor den „Wiener Gremien“der SPÖ aufgetrete­n, und alles ist angeblich wieder gut. Es seien „herzliche und konstrukti­ve Gespräche“gewesen, hieß es danach im offizielle­n Kommuniqué.

Nur, da bleibt noch ein Interview von Ludwig in der Sams- tag-Ausgabe von Österreich: „Keine Angst, ich werde mir schon Gehör verschaffe­n“, sagt Ludwig da über Rendi-Wagner und Drozda. Und: „Beide werden sich unserer Liebe nicht entziehen können …“

Das erinnert seltsam an die Schlusssze­ne von Ödön von Horváths Volksstück Geschichte­n aus dem Wiener Wald. Da nimmt der Fleischhau­er Oskar (in der Verfilmung von 1979 dargestell­t von Helmut Qualtinger) seine untreue, inzwischen vom Leben beinahe vernichtet­e Verlobte Marianne („Ich kann nicht mehr“) wieder zurück und sagt: „Ich hab’ dir mal gesagt, Mariann, du wirst meiner Liebe nicht entgehn …“

Im Fall von Oskar ist das eine furchtbare Drohung.

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