ZITAT DES TAGES
Andreas Treichl will den Vermögensaufbau der Mittelschicht über den Kapitalmarkt stärken. Und er plädiert für eine Erbschaft- und Vermögenssteuer für Reiche. Das würde die Mobilität innerhalb der Gesellschaft und die Chancengleichheit erhöhen.
„Ich stehe für eine Leistungsgesellschaft, aber Erben ist keine Leistung.“
Erste-Chef Andreas Treichl über die faire Einhebung von Steuern
Ein gutes Jahr wird Andreas Treichl die Erste Group noch führen, doch auch nach dem Ende seiner Amtszeit dürfte ihm nicht fad werden. Finanzbildung und die Entwicklung des Kapitalmarktes zählen zu den Themen, denen er sich widmen möchte, wie Treichl beim Humanities Festival verriet. Wobei der Langzeitbanker darin eine gesellschaftspolitische Aufgabe sieht. Über Kapitalmärkte könnte die Mittelschicht besser vorsorgen und Wohlstand aufbauen. Derzeit würde sie wegen der negativen Realzinsen Geld verlieren.
Noch einen Aspekt führte Treichl an: „Ein Kapitalmarkt würde die Möglichkeit schaffen, dass sich Pensionskassen und Fonds stärker am Erfolg der österreichischen Wirtschaft beteiligen können.“Eine wichtige Voraussetzung für einen funktionierenden Kapitalmarkt sei die Finanzbildung, damit die Menschen wissen, was Risiko bedeutet und wie man es streut, erklärte der Banker im Festsaal der Technischen Universität in Wien. „In den Schulen wird aber niemandem beigebracht, was der Unterschied zwischen einer Anleihe und einer Aktie ist“, sagte Treichl, der mit dem Financial Life Park der Erste Group gegengesteuert hat.
Gleichzeitig forderte er Transparenz und mehr Gleichheit, damit nicht nur Wohlbetuchte von den Kapitalmärkten profitieren. So prangerte Treichl die im Rahmen der Panama Papers aufgetauchten Schlupflöcher an, die nahelegten: „Je reicher man ist, desto einfacher ist es, Steuern zu vermeiden.“Dass es selbst in Europa Staaten gebe, die Investitionen mit Steuersparmodellen anzögen, sei „unsinnig“.
Mobilität erhöhen
Für Applaus des Publikums sorgte Treichl mit einer anderen Ansage: Er sei ein Befürworter einer Erbschaftsteuer, ließ der frühere ÖVP-Finanzchef wissen. „Ich glaube, dass eine Erbschaftsteuer die Mobilität erhöht, weil Kinder von sehr reichen Menschen dann auch arbeiten müssen.“Dabei gehe es nicht um Betriebsvermögen oder die Übergabe von Bauernhöfen – hier sprach sich Treichl dezidiert gegen Belastungen aus. Aber eine Erbschaftsteuer auf große Vermögen befürwortet er, weil sie für mehr Chancengleichheit sorge und eine Gesellschaft in Schwung halte. Treichl: „Ich bin ein Vertreter der Leistungsgesellschaft, und erben ist keine Leistung.“
Nicht auf Volksparteilinie ist der Banker auch mit seinem Plädoyer für eine Vermögenssteuer. Die Frage sei allerdings, ab wann sie greifen solle und wofür sie verwendet werde. Klar ist für Treichl hingegen, dass die Steuer progressiv gestaltet werden sollte – die Tarife also mit steigendem Vermögen wachsen. Im Gegenzug kann sich der Banker eine geringere Progression bei der Einkommensteuer vorstellen. Ähnlich wie bei der Erbschaftsteuer tritt Treichl auch bei der Vermögenssteuer dafür ein, dass kein Kapital besteuert wird, das für Investitionen zur Verfügung gestellt wird oder Arbeitsplätze schafft. In Österreich hält er das Thema für nicht durchsetzbar. Treichls Einschätzung: „Keine Chance.“(red) Treichl diskutierte im Rahmen des Vienna Humanities Festival, ein Projekt von IWM, Time to Talk und Wien-Museum, bei dem der STANDARD Medienpartner ist.