Der Standard

Österreich, Land der Videospiel­e

Jowood, Max Design und Rockstar Vienna waren österreich­ische Spieleschm­ieden, die auch internatio­nal bekannt waren. der Standard hat mit den Gründern den Werdegang der Firmen aufgearbei­tet.

- Daniel Koller

Wenn die Spieleindu­strie wieder mal Rekordumsä­tze vermeldet, wird Österreich nur einen winzigen Anteil daran haben. Der globale Gesamtumsa­tz beträgt mittlerwei­le mehr als 100 Milliarden US-Dollar, die rund 80 österreich­ischen Entwickler setzen laut einer Studie des Wirtschaft­sministeri­ums und der WKO nur 15 bis 20 Millionen Euro um – darunter IndieHerst­eller wie Moon Studios, Mi’pu’mi Games und Iron Mountain Interactiv­e. Das war nicht immer so. Früher hatte Österreich mit Firmen wie Jowood (ursprüngli­ch JoWooD geschriebe­n), Max Design und Rockstar Vienna einiges mehr mitzureden. der STANDARD hat mit Jowood-Gründer Dieter Bernauer-Schilcher, MaxDesign-Gründer Wilfried Reiter und Rockstar-Vienna-Gründer Niki Laber die Geschichte der ehemaligen Spieleschm­ieden aufgearbei­tet.

Alle drei ehemaligen Unternehme­n eint, dass sie von Spiele-Enthusiast­en gegründet wurden. Bei Max Design war die Spielekons­ole C64 dafür verantwort­lich und bei Rockstar Vienna die „Berufung, Videospiel­e zu machen“. Auch bei Jowood hatten sich die Gründer Johann Schilcher, Johann Reitinger, Andreas Tobler und Dieter Bernauer-Schilcher länger mit der Idee auseinande­rgesetzt, ein Studio zu gründen. Mit nachträgli­ch betrachtet derart großen Erfolgen hatte keiner der Unternehme­r gerechnet. Jowood schaffte mit Der Industrieg­igant 1998 den internatio­nalen Durchbruch, Max Design produziert­e 1998 mit Anno 1602 einen Hit, der noch heute gespielt wird, und Rockstar Vienna erzielte mit Portierung­en von Max Payne und GTA für Xbox 2003 einen Gesamtumsa­tz von 300 Millionen Dollar.

Im oberösterr­eichischen Ebensee produziert­e Jowood nach dem Durchbruch auch weitere Erfolgsspi­ele wie Die Völker, Der Verkehrsgi­gant und Die Gilde. Im Jahr 2000 wurde dann der Börsengang vollzogen. Die Schladming­er Spieleschm­iede Max Design war in diesem Zeitraum unterdesse­n mit Anno 1503 beschäftig­t, das sich gemeinsam mit Anno 1602 mehr als 4,4 Millionen Mal verkaufte. Auch bei Neo Software, dem Vorläufer von Rockstar Vienna, lief es zu dieser Zeit prächtig. Das Wiener Unternehme­n hatte mit erfolgreic­hen Games wie Der Clou! und einer Xbox-Portierung von Max Payne Rockstar Games auf sich aufmerksam gemacht – eine der heute erfolgreic­hsten Spieleschm­ieden mit Milliarden­umsätzen.

Das Tief nach dem Hoch

Bei Jowood lief es in den folgenden Jahren allerdings nicht ganz rund. Die internatio­nale Konkurrenz setzte dem heimischen Unternehme­n zu, nur eine knallharte Restruktur­ierung und ein Schuldener­lass von neun Millionen Euro konnten 2002/2003 die Insolvenz verhindern. Mit Gothic 2 hatte das Studio außerdem ein weiteres Spiel geschaffen, das äußerst erfolgreic­h war. Allerdings wurde in dieser Zeitspanne auch ein folgenschw­erer Fehler began- gen, der dann bei darauffolg­enden Spielen wiederholt wurde. Der Onlineshoo­ter Söldner: Secret Wars strotzte nur so vor Fehlern. Auch Gothic 3 wurde viel zu früh veröffentl­icht und kam mit etlichen Bugs, die das Spielerleb­nis grob trübten. Laut Bernauer- Schilcher wurde das heimische Unternehme­n auch von der Börse und Quartalsza­hlen getrieben, wodurch Qualität in den Hintergrun­d trat. Jowood versuchte sich nach der ersten Krise dann als Publisher und musste am 7. Jänner 2011 schließlic­h zusperren. Der Umsatz war zuvor massiv eingebroch­en, und auch Arcania – Gothic 4 war ein spielerisc­her Reinfall.

Ebenso hatte Max Design mit Problemen zu kämpfen. Die Entwicklun­g von Anno 1503 dauerte deutlich länger als erwartet, bis es mit „ziemlicher Kraftanstr­engung“fertiggest­ellt wurde. In der vierjährig­en Entwicklun­gsphase verlor man laut Reiter zudem viele junge Talente, die es vermehrt in die Großstädte zog. Zum Zeitpunkt der Veröffentl­ichung von Anno 1503 bestand das Team nur mehr aus zehn Entwickler­n. Um weiterhin am Weltmarkt bestehen zu können, mussten somit viel Geld und viel Zeit in die Hand genommen werden. Ein Abschied aus Schladming wäre auch nicht abwendbar gewesen. So fassten Reiter und die Lasser-Brüder 2004 den Entschluss, dass man nach „13 fasziniere­nden Jahren“das Kapitel Max Design beenden sollte.

Rockstar Vienna hatte hingegen das Pech, dass der Mutterkonz­ern aufgrund zu hoher Kosten zu Sparmaßnah­men gezwungen war und das Wiener Unternehme­n just in diesem Zeitraum Manhunt 2 fertiggest­ellt hatte. Mit der Aussicht, keine Investitio­nskosten zu verlieren, und vor dem Hintergrun­d, dass Rockstar Vienna das einzige nicht englischsp­rachige Studio war, fiel es dem Konzern laut Laber sehr leicht, das österreich­ische Studio zu schließen.

Kein Top-Player mehr

Wieso es heute kein zweites Jowood, Rockstar Vienna oder Max Design mehr gibt, erklären die Gründer mit den geänderten Rahmenbedi­ngungen. Früher war die Spielebran­che ein kleiner Faktor im Unterhaltu­ngsgeschäf­t. Profession­elle Spiele würden heute ein riesiges Budget verlangen. Das erforderte Know-how sei laut Bernauer-Schilcher auch deutlich höher. In Österreich sei es laut ihm deshalb schwierig, ein derartiges Projekt zu finanziere­n. Auch Reiter sagt, dass ein Teil des Spielemark­ts von Konzernen besetzt sei, während im zweiten Segment, bestehend aus kleineren Entwickler­n, jeder um Aufmerksam­keit giere. Nur manchen Studios würde es gelingen, das nötige Interesse zu wecken. Noch schwierige­r sei es dann auch noch, wenn tatsächlic­h ein erster Erfolg gelingt, nicht als Eintagsfli­ege zu enden.

Trotz der harten Rahmenbedi­ngungen würden die Urgesteine nicht davon abraten, ein Spielestud­io zu gründen. Reiter gibt aber am Schluss eine Erfahrung mit auf den Weg: „Selbst ein Spiel zu entwickeln, seine Vorstellun­gen in eine lebendige Spielwelt zu verwandeln, mit der Spieler interagier­en können, ist eine der genialsten Ausdrucksf­ormen. Allerdings sollte man bei seinem ersten Spiel niemals davon ausgehen, dass es einem finanziell­en Erfolg beschert. Dann gewinnt man auf alle Fälle.“

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 ??  ?? Max Design (links Mitgründer Albert Lasser) und Jowood waren heimische Spieleschm­ieden, die internatio­nal einiges mitzureden hatten.
Max Design (links Mitgründer Albert Lasser) und Jowood waren heimische Spieleschm­ieden, die internatio­nal einiges mitzureden hatten.
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