Österreich, Land der Videospiele
Jowood, Max Design und Rockstar Vienna waren österreichische Spieleschmieden, die auch international bekannt waren. der Standard hat mit den Gründern den Werdegang der Firmen aufgearbeitet.
Wenn die Spieleindustrie wieder mal Rekordumsätze vermeldet, wird Österreich nur einen winzigen Anteil daran haben. Der globale Gesamtumsatz beträgt mittlerweile mehr als 100 Milliarden US-Dollar, die rund 80 österreichischen Entwickler setzen laut einer Studie des Wirtschaftsministeriums und der WKO nur 15 bis 20 Millionen Euro um – darunter IndieHersteller wie Moon Studios, Mi’pu’mi Games und Iron Mountain Interactive. Das war nicht immer so. Früher hatte Österreich mit Firmen wie Jowood (ursprünglich JoWooD geschrieben), Max Design und Rockstar Vienna einiges mehr mitzureden. der STANDARD hat mit Jowood-Gründer Dieter Bernauer-Schilcher, MaxDesign-Gründer Wilfried Reiter und Rockstar-Vienna-Gründer Niki Laber die Geschichte der ehemaligen Spieleschmieden aufgearbeitet.
Alle drei ehemaligen Unternehmen eint, dass sie von Spiele-Enthusiasten gegründet wurden. Bei Max Design war die Spielekonsole C64 dafür verantwortlich und bei Rockstar Vienna die „Berufung, Videospiele zu machen“. Auch bei Jowood hatten sich die Gründer Johann Schilcher, Johann Reitinger, Andreas Tobler und Dieter Bernauer-Schilcher länger mit der Idee auseinandergesetzt, ein Studio zu gründen. Mit nachträglich betrachtet derart großen Erfolgen hatte keiner der Unternehmer gerechnet. Jowood schaffte mit Der Industriegigant 1998 den internationalen Durchbruch, Max Design produzierte 1998 mit Anno 1602 einen Hit, der noch heute gespielt wird, und Rockstar Vienna erzielte mit Portierungen von Max Payne und GTA für Xbox 2003 einen Gesamtumsatz von 300 Millionen Dollar.
Im oberösterreichischen Ebensee produzierte Jowood nach dem Durchbruch auch weitere Erfolgsspiele wie Die Völker, Der Verkehrsgigant und Die Gilde. Im Jahr 2000 wurde dann der Börsengang vollzogen. Die Schladminger Spieleschmiede Max Design war in diesem Zeitraum unterdessen mit Anno 1503 beschäftigt, das sich gemeinsam mit Anno 1602 mehr als 4,4 Millionen Mal verkaufte. Auch bei Neo Software, dem Vorläufer von Rockstar Vienna, lief es zu dieser Zeit prächtig. Das Wiener Unternehmen hatte mit erfolgreichen Games wie Der Clou! und einer Xbox-Portierung von Max Payne Rockstar Games auf sich aufmerksam gemacht – eine der heute erfolgreichsten Spieleschmieden mit Milliardenumsätzen.
Das Tief nach dem Hoch
Bei Jowood lief es in den folgenden Jahren allerdings nicht ganz rund. Die internationale Konkurrenz setzte dem heimischen Unternehmen zu, nur eine knallharte Restrukturierung und ein Schuldenerlass von neun Millionen Euro konnten 2002/2003 die Insolvenz verhindern. Mit Gothic 2 hatte das Studio außerdem ein weiteres Spiel geschaffen, das äußerst erfolgreich war. Allerdings wurde in dieser Zeitspanne auch ein folgenschwerer Fehler began- gen, der dann bei darauffolgenden Spielen wiederholt wurde. Der Onlineshooter Söldner: Secret Wars strotzte nur so vor Fehlern. Auch Gothic 3 wurde viel zu früh veröffentlicht und kam mit etlichen Bugs, die das Spielerlebnis grob trübten. Laut Bernauer- Schilcher wurde das heimische Unternehmen auch von der Börse und Quartalszahlen getrieben, wodurch Qualität in den Hintergrund trat. Jowood versuchte sich nach der ersten Krise dann als Publisher und musste am 7. Jänner 2011 schließlich zusperren. Der Umsatz war zuvor massiv eingebrochen, und auch Arcania – Gothic 4 war ein spielerischer Reinfall.
Ebenso hatte Max Design mit Problemen zu kämpfen. Die Entwicklung von Anno 1503 dauerte deutlich länger als erwartet, bis es mit „ziemlicher Kraftanstrengung“fertiggestellt wurde. In der vierjährigen Entwicklungsphase verlor man laut Reiter zudem viele junge Talente, die es vermehrt in die Großstädte zog. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Anno 1503 bestand das Team nur mehr aus zehn Entwicklern. Um weiterhin am Weltmarkt bestehen zu können, mussten somit viel Geld und viel Zeit in die Hand genommen werden. Ein Abschied aus Schladming wäre auch nicht abwendbar gewesen. So fassten Reiter und die Lasser-Brüder 2004 den Entschluss, dass man nach „13 faszinierenden Jahren“das Kapitel Max Design beenden sollte.
Rockstar Vienna hatte hingegen das Pech, dass der Mutterkonzern aufgrund zu hoher Kosten zu Sparmaßnahmen gezwungen war und das Wiener Unternehmen just in diesem Zeitraum Manhunt 2 fertiggestellt hatte. Mit der Aussicht, keine Investitionskosten zu verlieren, und vor dem Hintergrund, dass Rockstar Vienna das einzige nicht englischsprachige Studio war, fiel es dem Konzern laut Laber sehr leicht, das österreichische Studio zu schließen.
Kein Top-Player mehr
Wieso es heute kein zweites Jowood, Rockstar Vienna oder Max Design mehr gibt, erklären die Gründer mit den geänderten Rahmenbedingungen. Früher war die Spielebranche ein kleiner Faktor im Unterhaltungsgeschäft. Professionelle Spiele würden heute ein riesiges Budget verlangen. Das erforderte Know-how sei laut Bernauer-Schilcher auch deutlich höher. In Österreich sei es laut ihm deshalb schwierig, ein derartiges Projekt zu finanzieren. Auch Reiter sagt, dass ein Teil des Spielemarkts von Konzernen besetzt sei, während im zweiten Segment, bestehend aus kleineren Entwicklern, jeder um Aufmerksamkeit giere. Nur manchen Studios würde es gelingen, das nötige Interesse zu wecken. Noch schwieriger sei es dann auch noch, wenn tatsächlich ein erster Erfolg gelingt, nicht als Eintagsfliege zu enden.
Trotz der harten Rahmenbedingungen würden die Urgesteine nicht davon abraten, ein Spielestudio zu gründen. Reiter gibt aber am Schluss eine Erfahrung mit auf den Weg: „Selbst ein Spiel zu entwickeln, seine Vorstellungen in eine lebendige Spielwelt zu verwandeln, mit der Spieler interagieren können, ist eine der genialsten Ausdrucksformen. Allerdings sollte man bei seinem ersten Spiel niemals davon ausgehen, dass es einem finanziellen Erfolg beschert. Dann gewinnt man auf alle Fälle.“