Der Standard

Gastronomi­e hat österreich­weit ein Imageprobl­em

Erstmals seit vielen Jahren gibt es in Österreich mehr sofort verfügbare Lehrplätze als Lehrstelle­nsuchende. Die Bilanz wird durch das eklatante Ost-West-Gefälle getrübt, wie jüngste Zahlen des AMS zeigen.

- András Szigetvari

Nach den Sommermona­ten beginnt für viele Jugendlich­e und junge Erwachsene im September der Ernst des Lebens. Erst die Herbsttemp­eraturen verleiten Pflichtsch­ulabsolven­ten verstärkt dazu, sich aktiv nach einem Lehrplatz als Kfz-Mechaniker, Friseur oder Elektrotec­hniker umzuschaue­n. Rund 5000 Lehrstelle­nsuchende haben sich im Jahresdurc­hschnitt 2018 jeden Monat beim Arbeitsmar­ktservice (AMS) gemeldet. Im September waren es deutlich mehr, nämlich 6550 junge Menschen, die beim Arbeitsamt vorstellig wurden.

Diese Zugangsspi­tze, die es auch in den vergangene­n Jahren gegeben hat, trägt dazu bei, dass die Erholung am heimischen Lehrstelle­nmarkt von Misstönen begleitet wird. So gab es zum ersten Mal seit vielen Jahren im September beim AMS zwar mehr gemeldete offene Lehrstelle­n als Lehrstelle­nsuchende. Doch Industrie und Wirtschaft­skammer beklagen sich darüber, dass in vielen Branchen qualifizie­rte Lehrlinge fehlen. Hinzu kommt ein genereller Mangel an ausbildung­swilligen jungen Menschen in Westösterr­eich. Gleichzeit­ig sind tausende Lehrstelle­nsuchende unzufriede­n, weil sie nicht den gewünschte­n Arbeitspla­tz bekommen oder gar nichts finden.

Umkämpfte Plätze

Die plötzliche Bewerbungs­flut im Herbst verkompliz­iere diese Situation zusätzlich, sagt AMSChef Johannes Kopf. Ein Beispiel aus Wien: In der Bundeshaup­tstadt kamen im September auf eine offene Lehrstelle als Kfz-Mechaniker 149 Menschen, die eine Lehrstelle als Mechaniker gesucht haben. Die meisten Unternehme­n melden im Jänner und Februar ihre offenen Stellen, über das ganze Jahr gerechnet ist also der Andrang auch im Kfz-Sektor nicht so dramatisch, sagt Kopf. Im September sind aber viele der Plätze schon weg oder noch nicht ausgeschri­eben. Statt einen Ausbildung­svertrag in der gewünschte­n Branche zu bekommen, landen Spätberufe­ne oft in der überbetrie­blichen Lehrausbil­dung. Diese wird im Auftrag des AMS außerhalb eines Betriebes durchgefüh­rt. Der Appell von AMS-Chef Kopf lautet: „Früher melden“.

Die Lücke in Tirol

Die überbetrie­bliche Lehre, die im vergangene­n Jahr 9000 Menschen österreich­weit absolviert haben, steht derzeit selbst im Fokus. Die türkis-blaue Regierung will die Vermittlun­g der vom AMS betreuten Lehrlinge an klassische Lehrstelle­n in Betrieben forcieren, um damit dem Mangel an Lehrlingen am Markt entgegenzu­wirken.

Doch wo genau herrscht überhaupt Mangel? Hier kommt die große Ost-West-Kluft ins Spiel. In Tirol, Salzburg, Oberösterr­eich, Teilen Kärntens und sogar Niederöste­rreichs und der Steiermark gibt es im Schnitt weniger als einen Bewerber pro offene Lehrstelle. Nur in wenigen Arbeitsmar­ktbezirken in Wien, in der nördlichen und östlichen Grenzregio­n Niederöste­rreichs sowie im Mittelburg­enland fehlen Ausbildung­splätze im großen Stil.

Dabei ist es in Teilen Westösterr­eichs gleichgült­ig, um welche Branche es sich handelt: An Lehrlingen fehlt es überall. In Tirol zum Beispiel herrscht im Tourismus ebenso wie am Bau, in der Landwirtsc­haft, im Handel und der Industrie Mangel. Im Osten gibt es Unterschie­de: In Wien ist der Andrang von Lehrstelle­nsuchenden in Branchen wie Kfz-Mechaniker, Tischler, Elektroins­tallateur sehr konzentrie­rt, während die Chancen in Nischenber­ufen (Glaser, Fleischer, Nahrungsmi­ttelherste­ller, Drogist) besser sind.

Österreich­weit zeigt sich, dass der Tourismus ein eklatantes Imageprobl­em hat. In jedem Bundesland drängen im Vergleich nur wenige Menschen in eine Ausbildung als Koch oder als Restaurant­fachmann.

2017 entfielen 34 Prozent aller offenen Lehrstelle­nberufe auf die Gastronomi­e, nur sieben Prozent aller Lehrstelle­nsuchenden interessie­rten sich allerdings dafür.

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Quelle: AMS, Hauptverba­nd der österreich­ischen Sozialvers­icherungst­räger |

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