Charles Aznavour 1924–2018
Der prominente französisch-armenische Chansonnier ist am Sonntag im Alter von 94 Jahren gestorben
Mouriès – Mister Evergreen, Charles Aznavour, hatte vor einer Weile ob zweier Armverletzungen seine Konzerttournee, die scheinbar niemals enden wollte, unterbrechen müssen. Und wiewohl der französische Chansonnier mit armenischen Wurzeln längst seinen 94. Geburtstag gefeiert hatte, wollte sich in der globalen Szene keinesfalls übergroße Sorge einstellen.
Es war ja kein Jahr her, dass Aznavour die volle Wiener Stadthalle mit einem Abend berückt hatte, der natürlich ohne Pause ausgekommen war. All seine Qualitäten waren noch zu hören, an Abschied dachte niemand. Der vitale kleine Herr mit den roten Hosenträgern (die er nicht benötigt hätte) er- weckte jene schöne Form der Nostalgie, welche durch den in seinen Liedern aufbewahrten Gestus des wehmütigen Sehnens befördert wurde. Dabei ging es nicht nur um leichte Themen. Auch das Drama des Krieges und Menschen am Rande der Gesellschaft waren Thema. Und natürlich war immer jener raue Tonfall samt rollendem „r“zugegen, der bei aller romantischen Grundstimmung, Markenzeichen des Sängers war. Aznavours Charme war ohne Reibeisentimbre nicht denkbar.
Aznavour, geboren 1924 in Paris als Kind armenischer Eltern, die 1915 vor der Bedrohung durch das Osmanische Reich nach Frankreich geflüchtet waren, wurde einst von Sängerin Édith Piaf aus kleinen Clubs auf die große Bühne geholt. Er sollte seine Chance nutzen: Aznavour schrieb über tausend Chansons; zu seinen bekanntesten Hits gehören Mes Amis, mes amours, mes emmerdes, die Ballade She, die übrigens Elvis Costello für den Film Notting Hill coverte, natürlich auch La Bohème und For Me Formidable.
Auch im Film
Aznavour, der rund 200 Millionen Alben verkauft hat, wirkte auch als Schauspieler in über 70 Filmen mit. Seinen Durchbruch schaffte er 1960 mit Schießen Sie auf den Pianisten von François Truffaut. Beteiligt war er auch am Oscar-prämierten Film Die Blechtrommel von Volker Schlöndorff.
Vor allem bleibt Aznavour jedoch als Vertreter einer französischen Sängergeneration in Erinnerung, die das Interpretieren von Songs auch als ins Schauspielerische reichenden subtilen Darstellungsstil verstand. Wer den schlanken Herrn bei seinen sprechgesanglichen Exkursen erleben durfte, sah sich denn auch mit einer Kunst konfrontiert, welche große Räume zu kleinen Bars werden ließ, in denen nächtens Geschichten von Liebe und Leben erzählt wurden.
In solchen Augenblicken wollte der Zuseher auch über eine Neudefinition dessen, was Alter sein könnte, mutmaßen. Aznavour, seit 2009 Botschafter Armeniens in der Schweiz, wirkte, als hätte er die Zeit zum Stillstand bewogen. Das war allerdings Kunst; nicht das Leben. Charles Aznavour ist am Sonntag in seinem Haus im südfranzösischen Alpilles 94-jährig gestorben.