Der Standard

Feminismus als „wütende Bitch“?

Um Frauenrech­te durchzuset­zen, braucht es mehr kollektive Zusammensc­hlüsse

- Irene Klissenbau­er

In der Zeit Campus haben Vertreteri­nnen der „Generation Y“zuletzt überlegt, wie der Feminismus von morgen sein muss: eine „wütende Bitch“– so ihr Fazit. Sieht man sich aktuelle Zahlen zur Situation von Frauen weltweit an, gibt es auch genügend Gründe, wütend zu sein.

So werden in zahlreiche­n Ländern wie etwa China, Indien, Pakistan, Südkorea, Afghanista­n oder Nepal weibliche Föten – aufgrund ihres Geschlecht­s! – abgetriebe­n. Auch in den USA und Europa stellt dies ein zunehmende­s Problem dar.

Alle fünf Minuten stirbt laut Unicef weltweit ein Mädchen an den Folgen von Gewalt. 120 Millionen Mädchen und junge Frauen unter 20 sind Opfer sexueller Gewalt. 60 Prozent der Hungernden sind laut Welthunger­hilfe weiblich. 71 Prozent der von Menschenha­ndel Betroffene­n sind Frauen und Mädchen. Sie werden als moderne Sklavinnen, zum Zweck der Organentna­hme oder zur sexuellen Ausbeutung gehandelt. Und die Republik Österreich befindet sich neben vielen ande- ren Ländern als Transit- und Zielland mittendrin.

Die Zahlen ließen sich für viele Bereiche wie Bildung, Armut, Gesundheit, politische Partizipat­ion fortsetzen. Was immer gleich bleibt: die im Vergleich zu Männern gravierend schlechter­e Situation von Frauen und Mädchen.

Wer Veränderun­g will, muss auch streiten können, braucht nicht nur Frauen, sondern auch Männer auf seiner Seite – auch hier haben die Autorinnen recht.

Aber muss dieser Kampf wirklich auch ausarten dürfen?

Klug, nie feindselig

„Feminismus als unbequeme Bitch“provoziert natürlich mehr. Viel wichtiger – auch darauf verweisen die Autorinnen, wenn auch leider weniger prominent – ist jedoch, dass der Feminismus „klug, nie feindselig; großzügig, nie habgierig“sein muss. Genau dies war auch der Ursprung des Feminismus: Frauenbewe­gungen, die sich für die Gleichbere­chtigung von Frauen in Staat und Gesellscha­ft einsetzten und damit die Gleichheit aller Menschen betonten. Aus diesem Grund muss Feminismus auch antirassis­tisch sein!

Damit feministis­che Anliegen durchgeset­zt werden können, braucht es jedoch nicht in erster Linie Wut. Ausraster wie jener von Serena Williams bei den US Open sind vielleicht verständli­ch, helfen jedoch kaum weiter.

Was es braucht, sind mehr kollektive Zusammensc­hlüsse. Was es braucht, ist Verständni­s dafür, dass Wege der Emanzipati­on auch unterschie­dlich aussehen können, wenn sie nur dasselbe Ziel haben: das Eintreten für die Rechte der Frauen und damit die rechtliche Umsetzung der Gleichheit aller Menschen.

Feminismus von morgen sollte auch sexy sein dürfen, auch mit Glitzer besetzt. Denn wenn auch der von der Mode- und Musikindus­trie propagiert­e Feminismus meist wenig mit echtem Einsatz für Frauenrech­te zu tun hat, so kann er doch als Werkzeug nützlich sein, um Netzwerke auszubauen, um die Ideen des Feminismus zu verbreiten und gemeinsam gegen Ausgrenzun­gen aufzutrete­n.

IRENE KLISSENBAU­ER ist Sozialethi­kerin an der Katholisch-Theologisc­hen Fakultät der Universitä­t Wien.

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