Der Standard

Votum ohne Auswandere­r

- Adelheid Wölfl

Die geringe Beteiligun­g der Bürger am Referendum in Mazedonien, bei dem am Sonntag über die Änderung des Staatsname­ns auf Nord-Mazedonien abgestimmt wurde, bestätigt zwei Phänomene. Erstens: Die irrational­e Identitäts­politik, die von einem großen Teil der politische­n Klasse seit dreißig Jahren auf dem Balkan betrieben wird, kommt weiterhin bei vielen Bürgern gut an. Im Fall von Mazedonien behaupten Nationalis­ten, die Bürger würden ihre „Identität“verlieren, wenn der Staat künftig Nord-Mazedonien heißen würde.

Viele Menschen glauben das tatsächlic­h, auch wenn die Änderung des Staatsname­ns der einzige Weg ist, um die internatio­nale Anerkennun­g und damit etwa eine Mitgliedsc­haft in der Nato zu ermögliche­n. Die Westanbind­ung ist erklärtes Ziel der sozialdemo­kratischen Regierung, die dabei massiv von der EU und den USA unterstütz­t wird, auch um dem wachsenden russischen Einfluss in der Region etwas entgegenzu­setzen.

Zweitens aber war es schlichtwe­g schwer, die Mehrheit der Bürger zum Abstimmen zu bringen, weil viele längst nicht mehr in Mazedonien leben. Oft unbemerkt vom Westen findet seit ein paar Jahren ein Massenexod­us vom Balkan nach Deutschlan­d statt. Hunderttau­sende sind bereits weg. Hätte man die Wählerlist­en bereinigt, würde man sehen, dass die 661.393 Personen, die am Sonntag abstimmten, wohl fast die Hälfte der Wahlberech­tigten ausmachen.

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