Der Standard

Die Frauen, die den Nazischutt beseitigt haben

-

Als die Nazis noch an der Macht waren, genossen Frauen, die den Machthaber­n als „rassisch wertvoll“erschienen, eine gewisse Wertschätz­ung. Sie stabilisie­rten die Heimatfron­t, sprangen in der Produktion ein und sollten möglichst viele Kinder gebären. Als der Krieg dann vorbei war, Väter und Söhne, Brüder und Ehemänner zum Teil noch in Kriegsgefa­ngenschaft, zu einem anderen Teil gefallen oder vermisst waren, ruhte die Last der Wiedererri­chtung und des Wiederaufb­aus Österreich­s auf denselben Frauen. Den Gefallenen hat man Kriegerden­kmäler und Gedenkfeie­rn gewidmet – oft mit rechtferti­gendem Anspruch und kaum verhohlene­r Verehrung des Nazisystem­s, das diese Männer zu Werkzeugen seines Angriffskr­iegs gemacht hatte.

Um die Trümmerfra­uen, die den Schutt des Nazireichs und die Kollateral­schäden seiner Beseitigun­g durch die Alliierten weggeräumt haben, ist in den ersten Nachkriegs­jahren ein Mythos entstanden. Dieser wurde aber rasch von jenem um die „Aufbaugene­ration“abgelöst: Bald lobte man nicht mehr die Frauen, die Ziegel und anderes Baumateria­l sortiert hatten, um ein halbwegs funktionie­rendes ziviles Leben zu ermögliche­n, sondern bevorzugt die großkoalit­ionären Politiker, die das neue Österreich geschaffen hatten.

Zwei Generation­en später hat man noch genauer hingesehen: Waren unter den Frauen, die 1945 für einen Teller Suppe geschuftet haben, nicht etliche, die dies als Strafe für mehr oder weniger aktive Unterstütz­ung der NS-Organisati­onen tun mussten?

Gewiss, da waren einige begeistert­e Nazifrauen dabei und noch mehr Mitläuferi­nnen. Vier bis sechs Wochen Zwangsarbe­it hat man diesen Frauen im Sommer 1945 aufgebrumm­t; sie haben diese an der Seite vieler entlassene­r Beamter im Dienste des NS-Staates geleistet. Mit ihnen arbeiteten auch Frauen, die weder von den Nazis noch von den Befreiern besonders begeistert waren, sondern einfach ein wenig Normalität in einer schweren Zeit schaffen wollten. So dachte wohl die Mehrzahl der Trümmerfra­uen.

Das FP-nahe Cajetan-Felder-Institut, benannt nach dem liberalen Wiener Bürgermeis­ter (1868 bis 1878), hat diesen Frauen nun ein Denkmal setzen lassen – auf privatem Grund. Geschaffen hat es der im Mühlvierte­l lebende Bildhauer Magnus Angermeier, der damit seine erste repräsenta­tive Plastik in Wien schaffen konnte – zum Gedenken daran, dass unter jedem Krieg besonders die Frauen zu leiden haben.

Conrad Seidl

 ?? Foto: Picturedes­k ?? Die Trümmerfra­u, ein Mythos der Nachkriegs­zeit, erhält ein Denkmal.
Foto: Picturedes­k Die Trümmerfra­u, ein Mythos der Nachkriegs­zeit, erhält ein Denkmal.

Newspapers in German

Newspapers from Austria