Der Standard

Was Hundehalte­r über Bissgefahr­en sagen

Mit Hunden ist’s wie mit Autos, meinen manche: Wer sie ausführt, soll nüchtern sein. Nach dem Tod eines Kleinkinde­s durch den Biss des Rottweiler­s einer alkoholisi­erten Frau wird über mögliche Folgen diskutiert – auch in der Hundezone am Prater.

- Gabriele Scherndl

Roky könnte ohne Mühen Knochen durchbeiße­n. Jeder, der ihn schon einmal Rinderbein­e essen sehen hat, weiß das, sagt sein Herrchen Erich Traxler. Dennoch steht Roky, ein ausgewachs­ener Husky mit langer Schnauze und strahlend blauen Augen, nicht auf „der Liste“: jener Liste, die – zumindest in Wien – seit 2010 die Halter dazu verpflicht­et, einen Hundeführs­chein zu machen. Sie umfasst Rassen wie den muskulösen Bullterrie­r oder den faltigen Mastiff. Und den Rottweiler, der Schlagzeil­en macht, seit ein solcher ein Kind zu Tode gebissen hat.

Monatelang, sagt Traxler, musste er Roky trainieren, bis er so weit war, mit ihm spazieren zu gehen. Er holte ihn aus einer serbischen Tötungsans­talt, Roky war verstört, hatte Angst. Heute wälzt er sich in der Hundezone neben der Jesuitenwi­ese in der Erde, streckt alle vier Beine in die Luft und die Zunge aus dem Mund. Roky hüpft gern auf Menschen, auch auf Fremde, und knabbert an deren Händen. „Aber wehtun würde er niemandem“, ist Traxler sicher. Die orange Leine hat er locker über seine Schulter gehängt.

Todesfall sorgt für Diskussion

Die tödliche Verletzung eines kleinen Buben am 10. September in der Wiener Ziegelofen­gasse wurde zum Politikum. Die Halterin des Rottweiler­s, der das 17 Monate alte Kind in den Kopf biss, hatte zu diesem Zeitpunkt 1,4 Promille Alkohol im Blut. Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein (FPÖ) fordert einheitlic­he Regeln für Hundehalte­r, Ulli Sima (SPÖ), zuständige Stadträtin für Tierschutz, zieht eine Alkoholobe­rgrenze in Erwägung.

„Alkohol soll komplett verboten werden, wenn man mit dem Hund unterwegs ist“, sagt Bea Rösch. Andi Radlinger, der sie beim Spaziergan­g durch den Prater begleitet, stimmt ihr zu: „Dann passiert weniger“, meint er. Radlinger trägt einen Babytrageg­urt auf dem Bauch. Die kleine Spitze einer gehäkelten Zipfelmütz­e lugt hervor.

Rösch ist selbst Frauchen eines Rottweiler­s, heute hat sie ihn zu Hause gelassen, er sei „unverträgl­ich“. Er mag keine anderen Tiere. Darum geht sie nur um halb sieben in der Früh mit ihm spazieren, und nur im Wald. Die Leine wickelt sie dabei doppelt um ihre Hand, ein Beißkorb ist obligat. Hinter den beiden, an der Grenze zum Spielplatz auf der Jesuitenwi­ese, steht ein Holzbrett. Flugblätte­r in allen Farben suchen ein neues Zuhause für Hunde aller Rassen, für Happy und Speeki, für Chile und Nichola.

Ob sie Kampfhunde sind oder nicht, das kommt auf das Bundesland an, in dem sie gehalten werden. Während etwa in Wien über 6600 Listenhund­ehalter einen Führschein machen mussten, muss ein Hund in Tirol nur, wenn er jemanden verletzt, dem Amtstierar­zt vorgeführt werden. In Vorarlberg, wo am Montag eine 77jährige Frau von zwei American Bulldogs attackiert wurde, müssen Kampfhunde vom Bürgermeis­ter bewilligt werden.

Auch Mirela Dujakovic, die mit ihrem kleinen Terrier einen Waldweg entlangläu­ft, musste dafür keinen Führschein machen. Trotzdem, so erzählt sie, hat sich ein Radfahrer seine Schulter seinetwege­n gebrochen. Der Hund war ihm vors Fahrrad gelaufen. „Der Kleine mag keine Raben“, sagt Dujakovic. „Und wenn Kinder so auf ihn zukommen“, sagt sie und streckt die Arme weit von ihrem Körper, „dann bekommt er Angst und läuft weg.“Für mehr Verbote ist Dujakovic nicht, er gebe genügend Regeln, an die sie sich halten müsse. Was zählt, sei: „Bist du imstande, so ein Tier zu halten?“

Expertin gegen Alkoholver­bot

Regina Binder von der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t Wien fordert die verpflicht­ende Ausbildung aller Hundehalte­r. „Das Gefahrenpo­tenzial kann nicht an der Hunderasse festgemach­t werden“, sagt sie. Ein Alkoholver­bot anlässlich eines Einzelfall­s hält Binder nicht für sinnvoll. „Wichtig ist beim Hundeführe­n die Zuverlässi­gkeit“, sagt sie, die lasse sich nicht auf Alkohol oder Drogen beschränke­n.

„Bei Kampfhunde­n sollte es wie beim Autofahren sein“, meint Traxler, der Besitzer von Husky Roky: „Wenn du ang’soffen bist und es passiert etwas, bist du schuld. Wenn du ang’soffen bist und es passiert nichts, musst du eine Strafe zahlen.“Traxler sagt, er trinke nie, wenn er mit Roky unterwegs sei. „Man überschrei­tet damit eine Grenze.“sagt er. „Den anderen Menschen gegenüber und dem Hund gegenüber.“

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An der Jesuitenwi­ese im Prater ist klar, welche Zonen den Hunden und welche den Kindern gehören. Unklar ist hingegen, welche Rolle Alkohol in Zukunft spielen wird.

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