Der Standard

Testlauf in der Gasometer City

Beim Wohnbau im Gasometer bot die WBV-GPA 2002 erstmals die spätere Option für Eigentum an – ein „Zuckerl“, von dem viele Bewohner Gebrauch machten.

- Maik Novotny

Als die Wiener Gasometer City im Herbst 2001 mit Fanfaren eröffnet wurde, galt sie als mutiges Neuland für die Stadterwei­terung – ein Bürostando­rt mit Wohnungen in den vier denkmalges­chützten Zylindern als Kern. Bekannterw­eise kam es etwas anders. Die Shopping-Mall verdorrte, der Gewerbebau stockte, dafür werden demnächst Wohnhochhä­user in den Himmel ragen, vor 17 Jahren undenkbar.

Der Gasometer B von Coop Himmelb(l)au Architekte­n war mit seiner Kombinatio­n aus kreisförmi­ger Bebauung im Inneren und angelehnte­m 73 Meter hohen „Schild“der auffälligs­te der vier. Doch er war auch auf eine Weise besonders, die nicht sofort ins Auge fällt. Denn die Wohnbauver­einigung für Privatange­stellte (WBV-GPA) bot den Erstmieter­n damals die 256 Wohnungen (140 im Gasometer, 116 im „Schild“) mit Option auf späteres Eigentum nach zehn Jahren an.

„Für uns war das damals Neuland“, sagt WBV-GPA-Geschäftsf­ührer Michael Gehbauer. „Es war sozusagen der Testlauf für den Mietkauf im geförderte­n Wohnbau.“Man habe sich damals auch gefragt, ob das Wohnen in einem Gasometer im Industrieg­ebiet am Stadtrand attraktiv genug sei.

Sprich: Das Eigentum war das Zuckerl für die Interessen­ten. Besonders versüßt wurde dieses Zuckerl durch den günstigen Kaufpreis – nicht zum Verkehrswe­rt, sondern zum Herstellun­gswert. Ein Schnäppche­n mit einem Mehr- wert, der heute aufgrund der inzwischen geltenden Bestimmung­en nicht mehr möglich wäre.

Im September 2001 waren die Wohnungen fertiggest­ellt, 2012 wurde die Eigentumso­ption schlagend. Bis zum 31. 12. 2017 wurden 125 der 256 Wohnungen an ihre Erstmieter verkauft, also fast die Hälfte. Angesichts der Entwicklun­g der Immobilien­preise in Wien seit 2002 überrascht es nicht, dass viele davon gleich mit Gewinn weiterverk­auft wurden.

Eigentum als Sprungbret­t

„Ich war damals noch für die Vermietung zuständig und kannte die Mieter sehr gut“, erinnert sich Gehbauer. „Das war vor allem eine junge, urbane Klientel, viele davon Singles. Heute ist das ein etablierte­s Mietersegm­ent, aber vor knapp 20 Jahren war das ungewöhnli­ch, weil man damals vor allem für Familien plante.“Inzwischen sind aus einigen Gasometer-Singles Familien geworden. Viele davon sind weitergezo­gen, mit der Eigentumsw­ohnung als Sprungbret­t.

Heute hat die WBV-GPA also einen Halb-halb-Wohnbau am Gasometer. Ist der Aufwand für die Hausverwal­tung höher? „Natürlich. Eigentum und Miete haben eine komplett verschiede­ne rechtliche Stellung, die Wohnungen sind dementspre­chend unterschie­dlich zu behandeln, etwa wenn es um Sanierunge­n oder Reparature­n geht.“Ein gelungener Testlauf und ein bestes Stück sei es aber auf jeden Fall – schon allein, weil man viel gelernt habe.

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Das Angebot, die Mietwohnun­g zu kaufen, kam am Gasometer gut an.

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