Der Standard

In Mali bleibt wieder der Regen aus

Der Klimawande­l sorgt für eine schwere Krise in der Sahelzone. Millionen Menschen benötigen Hilfe.

- Katrin Gänsler aus Kayes

Über dem kleinen Feld von Sira Traoré hängen dunkle Wolken. Der Wind weht stärker als gewöhnlich und bringt ein bisschen Hoffnung. Im Moment wünscht sich die Bäuerin, die ein rundes, freundlich­es Gesicht hat, nichts so sehr wie Regen. „Den brauchen wir so dringend, eigentlich schon seit Jahren.“Dabei ist in der Ferne der Fluss Senegal zu sehen. Die Bäume tragen Blätter, und das Gras am Rande des Ackers ist grün. Noch steht dort etwas Mais, der bald geerntet werden kann. Dazu kommen Zwiebeln und Okraschote­n.

Doch der Schein trügt. Sira Traoré zeigt auf den Boden, der bretthart ist. Seit drei Jahren geht das in ihrem Dorf Samé Plantation, das im malischen Teil der Sahelzone und im Dreiländer­eck Mali/Senegal/Mauretanie­n liegt, schon so. Manchmal tröpfelt es zwar, was für ein gutes Keimen des Saatguts und anschließe­ndes Wachsen aber unzureiche­nd ist. Oder der Regen fällt unerwartet und im falschen Moment. Es ist fast ein Wunder, dass sie und die übrigen 34 Frauen, die gemeinsam zwei Hektar bewirtscha­ften, überhaupt noch etwas anbauen können. Selbst wenn sich das in den kommenden Wochen noch ändert, könnte die steinharte Erde das Wasser kaum aufnehmen.

Teure Alternativ­en

So wie Sira Traoré geht es aktuell Millionen Menschen, die in und an der Sahelzone leben. Diese ist ein komplexes System, in dem bis heute die Mehrzahl der Bauern Regenfeldb­au betreibt. Das macht sie sehr abhängig von Niederschl­ägen. Landwirtin Traoré kennt das zu gut. „Wir würden unsere Flächen gerne anders bewässern, etwa mit Pumpen und einem durchdacht­en Bewässerun­gssystem. Doch das ist teuer.“

Generell gilt die Landwirtsc­haft als kosteninte­nsiver Sektor. Dabei leben in Mali mehr als 40 Prozent der etwa 18 Millionen Einwohner von ihr. Der riesige Sahelstaat, der im Norden und Zentrum zudem von islamistis­cher und ethnischer Gewalt heimgesuch­t wird, ist einer der ärmsten weltweit.

Das Welternähr­ungsprogra­mm (WFP) der Uno geht davon aus, dass aktuell in der ganzen Region 5,8 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen sind. Nach Einschätzu­ng der Europäisch­en Union handelt es sich um die „schwerste Nahrungsmi­ttelkrise der vergangene­n fünf Jahre“. Im Juli sagte sie den acht betroffene­n Staaten 191,3 Millionen Euro an Hilfe zu. Ob die Summe jedoch ausreicht, bezweifelt das WFP. Allein für die Versorgung von 3,5 Millionen Menschen, schätzt es, seien knapp 246 Millionen Euro notwendig.

Samé Plantation liegt eine Autostunde von der Regionalha­uptstadt Kayes entfernt. Dort beobachtet auch Fode Boubou Konaté, der die NGO Stop Sahel leitet, die Entwicklun­g mit Sorge. „Im Sahel hängt unsere Ernährung stark vom Regen ab. Erschweren­d kommt der Klimawande­l hinzu.“Konaté, dessen Organisati­on im Bildungsbe­reich arbeitet und Bauern berät, sagt zwar: „Das Wort Klimawande­l kennen sie nicht unbedingt. Aber die Veränderun­gen können sie ganz genau beschreibe­n.“

Auf dem Weg nach Europa

Die Regenzeit beginnt meist später als früher üblich, was letztendli­ch die Erträge pro Hektar verringert. Der Leiter von Stop Sahel ist sicher: „Wer nicht genug zu essen hat, sucht seine Zukunft anderswo und migriert mitunter bis nach Europa.“In der Region wäre das keine Überraschu­ng, sie hat eine lange Migrations­tradition.

Abdoulaye Sangaré, der für die deutsche Welthunger­hilfe in Kayes arbeitet, fordert deshalb, auf Innovation­en zu setzen. In einem noch neuen Projekt wird gerade ermittelt, inwieweit Fischkäfig­e im Senegal-Fluss sowie die Fischzucht in kleinen Bassins die Ernährungs­situation verbessern können. Erste Ergebnisse seien spektakulä­r gewesen.

In einer Region, in der Regen immer unberechen­barer würde, müssten zudem alle Möglichkei­ten, um Wasser im Boden zu halten, genutzt werden. „Kleine Systeme sind schon wirkungsvo­ll. Es müssen keine großen Staudämme sein. Auch brauchen Bauern eine gute Beratung, mehr Wissen und Zugang zu Wetterdate­n“, sagt der Agrarexper­te Sangaré. Eins ist schließlic­h sicher: Die Regenmenge im Sahel wird sich nicht ändern lassen.

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Rund um Sira Traoré ist es grün, über ihr grau, doch das ist nur eine Momentaufn­ahme. Tatsächlic­h kämpft sie mit unregelmäß­igem Regen. Alternativ­en kann sich die Malierin nicht leisten.

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