Chemienobelpreis
Die US-Biochemiker Frances Arnold und George Smith werden gemeinsam mit dem Briten Gregory Winter für ihre Beiträge zur gezielten Herstellung neuer Enzyme und Proteine ausgezeichnet.
Zwei US-Biochemiker und ein Brite werden für ihre Beiträge zur gezielten Herstellung neuer Enzyme und Proteine geehrt.
Die Begründung des Nobelkomitees in Stockholm mag etwas pathetisch klingen, aber sie bringt es doch auf den Punkt: „Die diesjährigen Chemienobelpreisträger wurden von der Kraft der Evolution inspiriert und verwendeten die gleichen Prinzipien – genetische Veränderung und Selektion –, um Proteine zu entwickeln, die die chemischen Probleme der Menschheit lösen.“
Gemeint sind damit die beiden US-Biochemiker Frances H. Arnold (62) und George P. Smith (77) sowie der Brite Sir Gregory P. Winter. Die drei Wissenschafter werden für ihre Beiträge zur sogenann- ten „gerichteten Evolution“ausgezeichnet. Darunter versteht man die gezielte Optimierung und Veränderung von Proteinen, Enzymen und Nukleinsäuren auf evolutionärem Weg. Entwicklungen auf diesem Gebiet haben die Grundlagenforschung revolutioniert und eine breite Palette von Anwendungen ermöglicht: von Industriechemikalien über Biosprit bis zu Pharmazeutika.
Der Preis geht zur Hälfte an Arnold vom California Institute of Technology in Pasadena und zu je einem Viertel an Smith (University of Missouri, Columbia) und Winter (Laboratory of Molecular Biology in Cambridge, Großbritannien). Dass Arnold den größten Anteil des mit 870.000 Euro dotierten Preises erhält, unterstreicht die herausragende Bedeutung ihrer Arbeit: Sie war es, die 1993 erstmals die gerichtete Evolution an Enzymen durchführte, also an Katalysatoren biochemischer Reaktionen, die im Stoffwechsel von Lebewesen eine zentrale Rolle spielen.
Seither hat Arnold die Methoden verfeinert, mit denen erfolgreich neue Katalysatoren entwickelt werden – auch solche, die in der Natur nicht vorkommen könnten. Inzwischen umfassen die An- wendungen solcher Enzyme die effizientere und umweltfreundlichere Herstellung von Pharmazeutika ebenso wie die Produktion erneuerbarer Brennstoffe. Die Forscherin, die zunächst Luftfahrttechnik und Maschinenbau studiert hatte, ehe sie an der University of California in Berkeley in Chemieingenieurwesen promovierte, ist die fünfte Frau, die einen Chemienobelpreis erhält.
Proteine nach Maß
George P. Smith wird für die Entwicklung einer besonders eleganten Methode ausgezeichnet, die als Phage-Display bekannt ist. Dabei wird ein Bakteriophage – das ist ein Virus, das Bakterien infizieren kann – zur Entwicklung neuer Proteine mit Wunschfunktion verwendet. Für die Herstellung neuer Arzneistoffe und die Suche nach spezifischen Antikörpern war diese 1985 erstmals vorgestellte Technik revolutionär.
Gregory P. Winter wiederum nutzte das Phagen-Display zur gerichteten Evolution von Antikörpern mit dem Ziel, neue Pharmazeutika herzustellen. Das erste auf dieser Methode beruhende Medikament, Adalimumab, wurde 2002 zugelassen und wird bei rheuma- toider Arthritis, Psoriasis und entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt. In den vergangenen Jahren wurden mit Phagen-Display Antikörper produziert, die Gifte neutralisieren, Autoimmunerkrankungen entgegenwirken und in manchen Fällen sogar metastatische Krebserkrankungen bekämpfen können, die lange als unheilbar galten.
Während der Pressekonferenz des Nobelkomitees in Stockholm wurde Arnold aus Dallas telefonisch zugeschaltet. Das Gespräch riss jedoch kurz nach ihrer Bemerkung, sie habe noch keinen Kaffee getrunken, ab. Smith, der später für ein telefonisches Interview erreicht werden konnte, war hingegen längst wach, als er um fünf Uhr morgens von seiner Ehrung erfuhr: „Ältere Leute haben manchmal Schwierigkeiten mit dem Schlafen, wissen Sie“, sagte er. Er habe den Anruf aber zunächst für einen Scherz gehalten.
Mit der Bekanntgabe der Chemielaureaten am Mittwoch stehen alle naturwissenschaftlichen Nobelpreisträger 2018 fest: Vier USAmerikaner werden den Preis am 10. Dezember erhalten sowie ein Brite, eine Kanadierin, ein Franzose und ein Japaner.