Minister Kickls Transparenzoffensive
Nach einem Bericht zur BVT-Affäre veröffentlichte das Innenministerium die Korrespondenz mit einem Journalisten – und verstieß damit wohl auch gegen die Datenschutzgrundverordnung.
Der Umgang des Innenministeriums mit den Medien hat die nächste Eskalationsstufe erreicht. Als nicht vertrauenserweckend und weitere Grenzüberschreitung bezeichnen Experten die Veröffentlichung der E-Mail- und SMS-Korrespondenz zwischen FalterChefredakteur Florian Klenk und Mitarbeitern des Innenministeriums (BMI).
Nach einem Falter- Bericht zur BVTAffäre erklärte das BMI, Chefredakteur Florian Klenk habe keine Stellungnahme dazu eingeholt. Klenk bestritt das, woraufhin die Kommunikationsabteilung des Ministeriums kurzerhand die Korrespondenz mit ihm veröffentlichte.
Ausgangspunkt waren Florian Klenks Recherchen über eine Anfrage des Generalsekretärs im Innenministerium, Peter Goldgruber, beim Verfassungsschutz (BVT). Der Generalsekretär wollte laut
Falter vor der aufsehenerregenden Razzia im BVT in Erfahrung bringen, gegen welche Burschenschaften das Bundesamt für Verfassungsschutz ermittelt hat.
Das BMI sprach in einer Reaktion von „Interpretationen“Klenks, die „gehaltlos“seien. Klenk habe „leider“im Zuge seiner Recherchen nicht versucht, Goldgruber zu kontaktieren. Um das zu belegen, veröffentlichte die Pressestelle des Innenministeriums E-Mails und SMS des Falter- Chefredakteurs samt seiner E-Mail-Adresse. Daraus geht hervor, dass Klenk um ein Interview mit dem Innenminister Kickl und um Gesprächstermine mit dem Ministeriumssprecher Christoph Pölzl sowie Kabinettschef Reinhard Teufel angesucht hat. Mit konkreten Rechercheergebnissen hat er sie auf diesem Weg nicht konfrontiert. Die Rechts- anwältin Maria Windhager, die auch den STANDARD berät, sieht „kein journalistisches Fehlverhalten“seitens des
Falter- Chefredakteurs. Allerdings merkte Windhager auch an, dass es in der Regel immer „ratsam“ist, journalistische Anfragen so konkret wie möglich zu formulieren.
Verletzt wurde mit dieser Aussendung aus Sicht von Windhager die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Denn E-Mail-Verkehr an sich stelle nach dieser relativ neuen Rechtslage „personenbezogene Daten“dar: Nicht nur EMail-Adressen, sondern auch der Inhalt und „der Umstand, dass er überhaupt geschrieben hat“, sind demnach schützenswerte Daten, deren Veröffentlichung der Verfasser zustimmen müsste. Nach der DSGVO ist die Verbreitung personenbezogener Daten nur mit Einwilligung der betroffenen Personen erlaubt. Klenk wurde vom BMI nicht gefragt, ob seine E-Mails und SMS veröffentlicht werden dürfen.
Private E-Mail-Adresse veröffentlicht
Ein anderer Rechtfertigungsgrund für die Veröffentlichung sei nicht ersichtlich. Eine Behörde kann sich in Erfüllung öffentlicher Aufgaben nämlich auch nicht auf die Wahrung von „berechtigten Interessen“, wie zum Beispiel die Abwehr von Kritik, berufen, so Windhager.
Der Medienrechtsexperte Michael Pilz sieht ebenfalls die DSGVO verletzt, und zwar insbesondere wegen der Veröffentlichung der E-Mail-Adresse: „Es hätte vollkommen gereicht, die Texte der EMails zu veröffentlichen“, so Pilz. Einen Verstoß gegen das Briefgeheimnis sieht Pilz in diesem Fall nicht. Wie angekündigt, wendete sich die Pressestelle des Innenministeriums an den österreichischen Presserat. Das Selbstkontrollorgan der Presse wird bei der nächsten Sitzung am 24. Oktober prüfen, ob ein Verfahren eingeleitet wird, um zu klären, ob Klenk das Gebot der „Genauigkeit“verletzt hat.
Das Vorgehen im konkreten Fall, sagt Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek, sei „nicht förderlich für das Vertrauen zwischen der Pressestelle des BMI und der Journalisten“. Einen schärferen Ton schlägt Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen, an: „Es handelt sich hier um die gezielte Verhetzung und Verleumdung von Journalisten, um diese unglaubwürdig zu machen. Offenbar versucht der Innenminister, einzelne Journalisten an den Pranger zu stellen.“
Dem Innenministerium sei es nur um eine „Richtigstellung“gegangen, begründet Alexander Marakovits, Leiter der Abteilung Kommunikation im Innenministerium, die Vorgehensweise der Presseabteilung. Klenk habe zwar um ein Interview mit Kickl angefragt, nicht aber konkretisiert, worum es gehe. Ob es jetzt Usus werde, Journalistenanfragen an das Ministerium öffentlich zu machen, verneint Marakovits. Er verweist bei der Veröffentlichung der E-Mails auf das Medienrecht. Juristen des Ministeriums sähen dadurch weder die DSGVO noch das Briefgeheimnis verletzt. Rechtsanwältin Windhager sagt, dass die Pressestelle des Ministeriums „keine journalistische Einrichtung“sei und die Ausnahmen, die für Medien gelten, nicht für sich beanspruchen könne.