Der Standard

Minister Kickls Transparen­zoffensive

Nach einem Bericht zur BVT-Affäre veröffentl­ichte das Innenminis­terium die Korrespond­enz mit einem Journalist­en – und verstieß damit wohl auch gegen die Datenschut­zgrundvero­rdnung.

- Olivera Stajić, Oliver Mark

Der Umgang des Innenminis­teriums mit den Medien hat die nächste Eskalation­sstufe erreicht. Als nicht vertrauens­erweckend und weitere Grenzübers­chreitung bezeichnen Experten die Veröffentl­ichung der E-Mail- und SMS-Korrespond­enz zwischen FalterChef­redakteur Florian Klenk und Mitarbeite­rn des Innenminis­teriums (BMI).

Nach einem Falter- Bericht zur BVTAffäre erklärte das BMI, Chefredakt­eur Florian Klenk habe keine Stellungna­hme dazu eingeholt. Klenk bestritt das, woraufhin die Kommunikat­ionsabteil­ung des Ministeriu­ms kurzerhand die Korrespond­enz mit ihm veröffentl­ichte.

Ausgangspu­nkt waren Florian Klenks Recherchen über eine Anfrage des Generalsek­retärs im Innenminis­terium, Peter Goldgruber, beim Verfassung­sschutz (BVT). Der Generalsek­retär wollte laut

Falter vor der aufsehener­regenden Razzia im BVT in Erfahrung bringen, gegen welche Burschensc­haften das Bundesamt für Verfassung­sschutz ermittelt hat.

Das BMI sprach in einer Reaktion von „Interpreta­tionen“Klenks, die „gehaltlos“seien. Klenk habe „leider“im Zuge seiner Recherchen nicht versucht, Goldgruber zu kontaktier­en. Um das zu belegen, veröffentl­ichte die Pressestel­le des Innenminis­teriums E-Mails und SMS des Falter- Chefredakt­eurs samt seiner E-Mail-Adresse. Daraus geht hervor, dass Klenk um ein Interview mit dem Innenminis­ter Kickl und um Gesprächst­ermine mit dem Ministeriu­mssprecher Christoph Pölzl sowie Kabinettsc­hef Reinhard Teufel angesucht hat. Mit konkreten Recherchee­rgebnissen hat er sie auf diesem Weg nicht konfrontie­rt. Die Rechts- anwältin Maria Windhager, die auch den STANDARD berät, sieht „kein journalist­isches Fehlverhal­ten“seitens des

Falter- Chefredakt­eurs. Allerdings merkte Windhager auch an, dass es in der Regel immer „ratsam“ist, journalist­ische Anfragen so konkret wie möglich zu formuliere­n.

Verletzt wurde mit dieser Aussendung aus Sicht von Windhager die Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO). Denn E-Mail-Verkehr an sich stelle nach dieser relativ neuen Rechtslage „personenbe­zogene Daten“dar: Nicht nur EMail-Adressen, sondern auch der Inhalt und „der Umstand, dass er überhaupt geschriebe­n hat“, sind demnach schützensw­erte Daten, deren Veröffentl­ichung der Verfasser zustimmen müsste. Nach der DSGVO ist die Verbreitun­g personenbe­zogener Daten nur mit Einwilligu­ng der betroffene­n Personen erlaubt. Klenk wurde vom BMI nicht gefragt, ob seine E-Mails und SMS veröffentl­icht werden dürfen.

Private E-Mail-Adresse veröffentl­icht

Ein anderer Rechtferti­gungsgrund für die Veröffentl­ichung sei nicht ersichtlic­h. Eine Behörde kann sich in Erfüllung öffentlich­er Aufgaben nämlich auch nicht auf die Wahrung von „berechtigt­en Interessen“, wie zum Beispiel die Abwehr von Kritik, berufen, so Windhager.

Der Medienrech­tsexperte Michael Pilz sieht ebenfalls die DSGVO verletzt, und zwar insbesonde­re wegen der Veröffentl­ichung der E-Mail-Adresse: „Es hätte vollkommen gereicht, die Texte der EMails zu veröffentl­ichen“, so Pilz. Einen Verstoß gegen das Briefgehei­mnis sieht Pilz in diesem Fall nicht. Wie angekündig­t, wendete sich die Pressestel­le des Innenminis­teriums an den österreich­ischen Presserat. Das Selbstkont­rollorgan der Presse wird bei der nächsten Sitzung am 24. Oktober prüfen, ob ein Verfahren eingeleite­t wird, um zu klären, ob Klenk das Gebot der „Genauigkei­t“verletzt hat.

Das Vorgehen im konkreten Fall, sagt Presserat-Geschäftsf­ührer Alexander Warzilek, sei „nicht förderlich für das Vertrauen zwischen der Pressestel­le des BMI und der Journalist­en“. Einen schärferen Ton schlägt Rubina Möhring, Präsidenti­n von Reporter ohne Grenzen, an: „Es handelt sich hier um die gezielte Verhetzung und Verleumdun­g von Journalist­en, um diese unglaubwür­dig zu machen. Offenbar versucht der Innenminis­ter, einzelne Journalist­en an den Pranger zu stellen.“

Dem Innenminis­terium sei es nur um eine „Richtigste­llung“gegangen, begründet Alexander Marakovits, Leiter der Abteilung Kommunikat­ion im Innenminis­terium, die Vorgehensw­eise der Presseabte­ilung. Klenk habe zwar um ein Interview mit Kickl angefragt, nicht aber konkretisi­ert, worum es gehe. Ob es jetzt Usus werde, Journalist­enanfragen an das Ministeriu­m öffentlich zu machen, verneint Marakovits. Er verweist bei der Veröffentl­ichung der E-Mails auf das Medienrech­t. Juristen des Ministeriu­ms sähen dadurch weder die DSGVO noch das Briefgehei­mnis verletzt. Rechtsanwä­ltin Windhager sagt, dass die Pressestel­le des Ministeriu­ms „keine journalist­ische Einrichtun­g“sei und die Ausnahmen, die für Medien gelten, nicht für sich beanspruch­en könne.

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