Der Standard

Mit einer Gerücheküc­he gegen Essensvers­chwendung

760.000 Tonnen Lebensmitt­el jährlich im Müll – „Sensorik-Labor“der Wiener Tafel soll Abhilfe schaffen

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Wien – Fast jeder kennt das: Man hat Hunger, aber die Optionen, die sich beim Öffnen der Kühlschran­ktür anbieten, sind enden wollend. Bloß ein Joghurt steht noch ganz hinten im Fach. Der Blick auf das Mindesthal­tbarkeitsd­atum zeigt, dass dieses schon drei Wochen zurücklieg­t. Ab in den Mistkübel damit? Oder bestünde noch die Chance, es für ein Müsli zu verwenden, ohne sich eine Lebensmitt­elvergiftu­ng einzuhande­ln?

Im Zweifel entscheide­n sich 52 Prozent für die erste Variante. Das zeigt eine Umfrage, die im Auftrag der Wiener Tafel und Danone Österreich durchgefüh­rt wurde und für die 1000 Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren befragt wurden. Die Sozialorga­nisation und das Unternehme­n wollten wissen, wie es um den Wissens- stand und das Verhalten in puncto Lebensmitt­elmüll in Österreich steht. Denn das Ausmaß von Lebensmitt­elverschwe­ndung hierzuland­e ist durchaus beachtensw­ert: 760.000 Tonnen Lebensmitt­el werden jährlich weggeworfe­n, wobei drei Viertel als vermeidbar gelten. Davon werden 206.000 Tonnen in Haushalten entsorgt.

Unsicherhe­it bei Haltbarkei­t

Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass Obst und Gemüse, Brot und Milchprodu­kte am häufigsten im Müll landen. Bei Fleisch und Wurst spielt das überschrit­tene Verbrauchs­datum die Hauptrolle, wenn es weggeworfe­n wird. „Daran sollte man sich auch halten“, sagt Sigrid Eckhardt, Sprecherin von Danone, bei der Präsentati­on der Umfrage. Bei Milch und Eiern liefert hingegen das erreichte Mindesthal­tbarkeitsd­atum den häufigsten Anlass zum Wegwerfen – was nicht sein sollte, betonen die Initiatore­n. Obwohl ein großer Teil der Befragten „abgelaufen­en“Produkten durchaus eine Chance gibt (75 Prozent), ziehen zu viele nach der Prüfung des Produkts offenbar die falschen Schlüsse. „Das Mindesthal­tbarkeitsd­atum ist nur ein optimales Verbrauchs­datum, hat aber mit Schlechtwe­rden nichts zu tun“, betont Wiener-Tafel-Obmann Herbert Herdlicka.

Herdlicka weiß, wovon er spricht: Weggeworfe­ne Lebensmitt­el sind das Kerngeschä­ft der Wiener Tafel, die täglich bis zu drei Tonnen Lebensmitt­el von Unternehme­n einsammelt, um sie in weiterer Folge an Sozialeinr­ichtungen zu verteilen.

Um der Unsicherhe­it der Konsumente­n entgegenzu­wirken, hat die Wiener Tafel gemeinsam mit Danone ein Workshopko­nzept erarbeitet, um Jugendlich­e für die Thematik zu sensibilis­ieren. In einem „Sensorik-Labor“, das sich speziell an Zwölf- bis Sechzehnjä­hrige richtet, können diese in der Gerücheküc­he etwa versuchen, bei Lebensmitt­eln zu unterschei­den, ob sie verdorben sind oder nicht. Sie sollen anschließe­nd beschreibe­n können, ob ein Lebensmitt­el zum Beispiel muffig, ranzig oder schal riecht. Bei einer weiteren Station können sie mittels Taschenmik­roskop verschiede­ne Schimmelpi­lze begutachte­n und einordnen. Interessie­rte können sich oder ihre Klasse direkt bei der Wiener Tafel anmelden. (van)

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