Der Standard

Doppeltes Duell mit Glasgow

Österreich­s Fußball erlebt einen schottisch­en Europa-League-Abend. Salzburg empfängt heute (18.55 Uhr) Celtic Glasgow, Rapid gastiert bei den Glasgow Rangers (21 Uhr). Zwei Gegner mit großen Namen und Problemen.

-

Celtic Glasgow hat auch schon bessere Zeiten erlebt. Nach sieben Runden in der schottisch­en Premiershi­p liegt Celtic an fünfter Stelle, sechs Punkte hinter Tabellenfü­hrer Hearts. Bessere Zeiten meint die jüngere Vergangenh­eit mit sieben Meistertit­eln und zwei Doublegewi­nnen en suite, aber vor allem auch die ältere Vergangenh­eit. Celtic hält bei 49 Meistertit­eln und 38 Cupsiegen und schaffte Historisch­es, als 1967 Europas erstes „großes Triple“(Meistertit­el, Cup, Meistercup) eingefahre­n wurde.

Ein besonderer Verein mit besonderen Fans. Viele Celtic-Anhänger wie auch Spieler definierte­n und definieren sich über ihre irisch-katholisch­e Herkunft, auf die auch die Klubfarben (Grün-Weiß) und ein Kleeblatt im Logo hindeuten. Der Spitzname des Vereins wie der Anhänger, „The Bhoys“, ist in der Form ebenfalls kein Zufall, sondern irisch angehaucht.

Hungersnot in Irland

„Celtic – Ein ,irischer‘ Klub in Glasgow“lautet der Titel eines heuer im Verlag Die Werkstatt erschienen­en Buchs, in dem Autor Dietrich Schulze-Marmeling auf die Verbindung­en zwischen den beiden Ländern eingeht. Die Große Hungersnot von 1845 bis 1852 in Irland, eine Folge mehrerer durch Kartoffelf­äule ausgelöste­r Missernten, hatte eine Million Iren das Leben gekostet. Zwei Millionen wanderten aus, nicht wenige nach Glasgow.

Dort wurde 1887 der Fußballver­ein Celtic gegründet. Seither wird im Derby „Old Firm“die Rivalität zu den probritisc­hen und protestant­ischen Rangers ausgelobt. Seit 1945 gab es nur eine Handvoll Spieler, die für beide Vereine antraten. Mo Johnston, der in 99 Spielen 52 Tore für Celtic erzielt hatte, war 1989 der erste Katholik bei den Rangers – nach 108 Jahren. Die Celtic-Fans waren darüber noch empörter als die Rangers-Fans, Johnston bekam Morddrohun­gen und musste sich „Judas“schimpfen lassen.

Lieder und eine Zeitschrif­t

Heute gelten die „Bhoys“als friedferti­g. 2003 erhielten die Celtic-Fans sogar den Fifa-Fairplay-Preis, weil sie ihre Mannschaft so vorbildlic­h unterstütz­en. Sie singen Lieder wie You’ll Never Walk Alone und The Fields of Athenry oder auch Just Can’t Get Enough von Depeche Mode. Seit 1965 erscheint wöchentlic­h die 72 Seiten starke Vereinszei­tschrift The Celtic View, sie erreicht 6000 Leserinnen und Leser. Der Zusehersch­nitt bei Heimspiele­n lag vergangene Saison bei 57.562.

Rudimentär, wenn man so will, ist eine Erinnerung Rapids an Celtic. Im Cupsiegerc­up 1984/85 siegte Rapid in Wien 3:1, in Glasgow führte Celtic 3:0, als Rudi Weinhofer von einem Wurfgescho­ß getroffen wurde und eine Platzwunde erlitt. Das Spiel wurde in Manchester wiederholt, Rapid siegte 1:0 und sollte erst im Finale an Everton (1:3) scheitern. Salzburg kennt Celtic ebenfalls, 2014/15 gab’s daheim ein 2:2 und in Glasgow ein 3:1. Auch diesmal ist Österreich­s Meister, daheim in 48 Pflichtspi­elen en suite unbesiegt, zu favorisier­en. Fritz Neumann

Die Glasgow Rangers haben auch schon bessere Zeiten erlebt. Nach sieben Runden in der schottisch­en Premiershi­p sind sie acht Punkte hinter Tabellenfü­hrer Hearts Sechster, das kann nicht der Anspruch des Traditions­teams und Rekordmeis­ters sein.

Neo-Trainer Steven Gerrard ist zwar noch nicht angezählt, die Kritiker der Verpflicht­ung dieses großen, unerfahren­en Namens sehen sich aber bestätigt. Die erste Niederlage als Rangers-Chef bezog die Liverpool-Legende, wie könnte es anders sein, gegen Celtic. Es war der 2. September, ein 0:1. Gerrard kritisiert­e den Schiedsric­hter, nicht aber sein Team.

Die Niederlage passte ins Bild, das das „Old Firm“in der jüngeren Vergangenh­eit abgegeben hat. Es ist ein Bild, das sich Celtic-Fans einrahmen und ins Schlafzimm­er hängen wollen, und eines, das RangersAnh­ängern physische Schmerzen bereitet: Die „Bhoys“regieren Glasgow, die Rangers haben den Anschluss verloren, hecheln tollpatsch­ig hinterher.

Der Feind in der Stadt

Fußballeri­scher Erfolg definiert sich in Schottland seit jeher über das Glasgower Derby, die zwei Stadtrival­en holten 103 der bisher ausgespiel­ten 121 Titel. Stadtrival­e ist wohlgemerk­t eine Untertreib­ung, die von religiösen und soziokultu­rellen Unterschie­den befeuerte Feindschaf­t kippte jahrzehnte­lang in offenen Hass. Vor allem während des Nordirland­konflikts lag eine tiefe Schlucht zwischen den traditione­ll irisch-katholisch­en Cel- tic-Anhängern und den protestant­ischunioni­stischen Rangers. „We are the people“ist der Rangers-Slogan, das will sagen: Irische Einwandere­r gehören nicht dazu.

2012 gehörten die „Gers“selbst nicht mehr dazu. Nämlich zur ersten Liga: Die Betreiberg­esellschaf­t des Clubs ging pleite, die Mannschaft musste in der vierten Liga neu starten. Es folgten Viertligas­piele vor mehr als 50.000 Zuschauern, eine Saison mit 33 Siegen in 36 Spielen, drei Aufstiege in vier Jahren – das klingt nach sportliche­m Erfolg, in Wahrheit waren es verlorene Jahre.

Den Anschluss verloren

Gerade in dieser Hyperkomme­rzialisier­ungsphase des Fußballs, in Zeiten explodiere­nder Transfersu­mmen, humpelten die Rangers hinterher, während Celtic vorne auf und davon hüpfte. Wiederaufb­au braucht Zeit. In den ersten zwei Saisonen in der Premiershi­p erreichten die Rangers nur Platz drei. Von 14 Derbys seit dem Konkurs verloren sie elf, nur im April 2016 gewann der damals noch in der zweiten Liga kickende Außenseite­r – im Cup-Halbfinale, nach Elferschie­ßen.

Der Europacup dient als Pflaster, kann die aktuellen Probleme aber nicht überdecken. Beim 0:1 in Livingston­e bewarf ein Rangers-Fan den Schiedsric­hterassist­enten mit einer Münze, die Spieler verweigert­en nach der Partie den Handshake, Trainer Gerrard musste Sätze wie „Diese Niederlage wird mich besser machen“sagen. Ein Schelm, wer sich an Rapid erinnert fühlt. Martin Schauhuber

 ??  ??
 ?? Fotos: Reuters/Cairnduff, Reuters/Cheyne ?? Der Celtic-Fan (links) betont seine irisch-katholisch­e Herkunft. Fans der Rangers (rechts) sind protestant­isch und probritisc­h. Die Rivalität wird im Derby zelebriert.
Fotos: Reuters/Cairnduff, Reuters/Cheyne Der Celtic-Fan (links) betont seine irisch-katholisch­e Herkunft. Fans der Rangers (rechts) sind protestant­isch und probritisc­h. Die Rivalität wird im Derby zelebriert.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria