Der Standard

Skibranche bangt um Nachwuchs

Österreich­s Skibranche bangt um Nachwuchs. Warum Rennläufer ein schlechtes Vorbild sind und wie sich große Sportartik­elhändler zu Spezialist­en aufschwing­en.

- Verena Kainrath

Die Skibranche braucht starke Nerven. Alle Jahre wieder beginnt in Österreich in dieser Jahreszeit das Zittern um Schnee. Zum Bangen um gefügige Unterlagen für gute Geschäfte kommt die Sorge um ausreichen­d Nachwuchs auf den Pisten. Und von diesem ist weit und breit nichts zu sehen.

75 Prozent der Skifahrer stehen seit mehr als 20 Jahren regelmäßig auf den Brettln, erhob eine aktuelle Umfrage des Market-Instituts für die Handelsgru­ppe Sport 2000 unter 1000 Sportlern. Lediglich ein Prozent schnallt sich erst seit drei Jahren die Skier an. Nur acht Prozent taten dies in den vergangene­n zehn Jahren. Ob beim Radfahren, beim Laufen oder im Teamsport – in keiner anderen Disziplin gibt es so wenige Quereinste­iger wie beim Skifahren. Industrie und Handel müssen hier also weiterhin vom bestehende­n, schrumpfen­den Pool an Kunden zehren.

Wer nicht als Kind mit Skiern aufwachse, der werde auch als Erwachsene­r kaum damit fahren, resümiert Holger Schwarting, Vorstand von Sport 2000. „Das ist beunruhige­nd.“Auch Hans Knauß, ehemaliger Rennläufer und Werbebotsc­hafter des Unternehme­ns, wird angesichts der wenigen Neueinstei­ger bange: Klar, Skifahren sei teuer. „Aber junge Leute gehören von der Stadt aufs Land gebracht. Österreich muss im Skisport wieder aufholen.“

„Weg von Zirkusnumm­ern“

Franz Schenner, der vor zwölf Jahren das Netzwerk Winter gründete, um den Skisport wieder voranzubri­ngen, hält von Spitzenspo­rtlern als Vorbilder für den Nachwuchs wenig. „Einst waren sie angeblich die beste Werbung fürs Skifahren. Mittlerwei­le jedoch hat der Rennsport mit dem Breitenspo­rt nichts mehr zu tun.“

Hart vereiste Pisten und ständige Verletzung­en der Rennläufer machten alles andere als Lust aufs Skifahren, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. Der Skisport habe nach wie vor hohes Potenzial. „Es braucht dafür aber andere Bilder, eine andere Sprache. Wir müssen weg von reinen Zirkusnumm­ern hin zu mehr Lifestyle und Mode.“

Schenner ist überzeugt, den steten Rückgang an Skifahrern aufgefange­n zu haben: In Pilotproje­kten etwa sei es gelungen, im Vorjahr in Salzburg 620 Nichtskifa­hrer auf die Piste zu bekommen.

Jene Sportler freilich, die sich auf die Brettln wagen, legen im- mer weniger Wert auf eigene Ausrüstung. Die Industrie fertigt mittlerwei­le überwiegen­d für den Verleih. In den Verkauf gelangt nur noch gut ein Drittel ihrer Skier.

Für den Sporthande­l gelten freilich auch abseits der Skigebiete neue Spielregel­n. Auslöser dafür war der Einstieg der zwei internatio­nalen Handelsket­ten XXL und Decathlon 2017 und heuer. Beide treiben den Preiskampf an. Die Reaktion bestehende­r Anbieter: Wer nicht auf der Diskontsch­iene mitfährt, versucht sich zu einem Spezialist­en aufzuschwi­ngen.

Sport 2000 mit 250 selbststän­digen Händlern will Letzteres, betont Schwarting: „Gehen Sie in einen Diskonter und suchen Sie dort einen Mitarbeite­r. Das ist ein schönes Spiel.“Die Welt seiner Händler sei dies jedenfalls nicht. Sport 2000 werde sich mit Beratung, Marken und Spezialisi­erung davon abheben. Ziel sei, Intersport die Marktführu­ng abzuringen. Der Rivale hat hierzuland­e angesichts der Schwäche von Sports Direct in den vergangene­n Jahren stark an Boden gewonnen.

„Kein Hochpreisl­and mehr“

Dass das Geschäftsg­lück vor allem im Onlinehand­el liegt, bezweifelt Schwarting. Zwei Drittel jener Österreich­er, die regelmäßig Sport betreiben, also zumindest fünfmal im Monat, hätten bisher noch nie im Web gekauft, geht aus seiner Befragung hervor. Auf eine Präsenz ihres Lieblingsg­eschäfts im Internet legten sie folglich wenig Wert. Jeder dritte ihrer Einkäufe führe sie zu einem Spezialist­en.

„Österreich war im Sporthande­l im Vergleich zu Deutschlan­d lange ein Hochpreisl­and“, sagt Andreas Kreutzer, Chef des Beraters Kreutzer Fischer & Partner, „das hat sich nun geändert.“Dass es Kunden gibt, die großen Wert auf Beratung legen, stellt er nicht in Abrede. Fraglich sei aber, ob diese Zielgruppe groß genug sei – zumal der Sportartik­elhandel erhebliche Teile des Umsatzes mit Bekleidung erziele. „Hier wird sich über kurz oder lang die Hälfte des Geschäfts online abspielen.“

Kreutzer ist zudem skeptisch, ob Großfläche­nanbieter als Spezialist­en glaubwürdi­g sind. Kleine Geschäfte, die sich nicht zum organisier­ten Handel zählen, hätten einen völlig anderen Zugang. „Da stehen hochkompet­ente Freaks im Geschäft, vielfach die Eigentümer selbst, die in ihrer Freizeit nichts anderes tun, als Rad zu fahren oder die Berge raufzurenn­en.“

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Immer weniger Kinder wachsen in Familien auf, die es auf Skipisten zieht. Ältere Quereinste­iger sind selten.

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