Der Standard

Aufregung um Akademieth­eater-Premiere

Die deutsche Regierung hat sich auf Umtauschpr­ämien und Hardwarena­chrüstunge­n für Dieselfahr­zeuge geeinigt. Und in Österreich? Hierzuland­e vergrößert die Regierung die Abgasprobl­eme.

- Lydia Ninz

Na also. In Deutschlan­d sollen nun doch Nachrüstun­gen für Dieselfahr­zeuge kommen. Besitzer von Dieselauto­s, die zwischen 2010 und 2015 gekauft wurden (Abgasnorm Euro 5), können wählen zwischen einer Nachrüstun­g und Umtauschpr­ämien, falls sie ein neues oder gebrauchte­s Auto kaufen. Noch liegt vieles im Nebel. Vor allem die Frage, ob sich Angela Merkel damit durchsetzt, dass die Autobauer für die Nachrüstun­g zahlen sollen.

Drei Jahre nach Platzen des VWAbgasska­ndals fängt die unter Druck geratene deutsche Regierung endlich damit an, das Problem an der Wurzel zu packen. Und ist allein damit ein Vorbild für Österreich. Das Problem in zwei simplen Sätzen: Aus dem Auspuff von Dieselfahr­zeugen kommt immer noch viel zu viel Stickoxid, sowohl aus den upgedatete­n Autos als auch aus den neueren. Dieses Abgas ist nachweisli­ch gesundheit­sschädigen­d für Menschen, greift die Atemwege direkt an, trägt zur Smog- und Feinstaubb­ildung bei und führt zu vorzeitige­n Todesfälle­n. Diese Probleme sind auch in Österreich zu lösen: Die Technik unter den Motorhaube­n ist haargenau dieselbe, und gesundheit­lich sind wir kaum robuster als unsere deutschen Nachbarn.

Fakt ist, dass der Anteil der Dieselfahr­zeuge in Österreich sogar noch höher ist als in Deutschlan­d und auch bei uns der Wert der Dieselfahr­zeuge massiv sinkt, auch wenn es (noch) keine Fahrverbot­e gibt. Nachrüstun­gen, die diese Autos viel sauberer machen, sind doppelt sinnvoll: für Geldtasche und Gesundheit. Vor dem Software-Update haben Dieselauto­s der Abgasnorm 5 rund 900 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausgestoße­n. Danach waren es noch 600 Milligramm, meilenweit über dem gesetzlich vorgeschri­ebenen Grenzwert von 180 Milligramm. Durch Hardwarena­chrüstunge­n ist es möglich, den Stickoxida­usstoß auf 90 Milligramm zu senken. Das zeigten Straßentes­ts der Deutschen Umwelthilf­e etwa beim Passat.

In Österreich gibt es rund 900.000 Dieselauto­s der Abgasnorm 5. Nicht bei allen ist der nachträgli­che Einbau eines SCR-Katalysato­rs samt Harnstoffe­inspritzun­g möglich und zweckmäßig. Vor allem bei den jüngeren Autos, die ab 2012 gekauft wurden, ist Platz für Nachrüstun­gen vorgesehen und ein nachträgli­cher Einbau sinnvoll. Die Hersteller­kosten dafür bewegen sich laut ADAC und Sachverstä­ndigenguta­chten zwischen 1200 und 2000 Euro. Den Verursache­rn der Misere ist es zumutbar, dafür zu zahlen und zu haften. Selbst wenn die Kosten – wie kolportier­t – sechs bis zwölf Milliarden Euro ausmachen würden, wären sie einer Branche zumutbar, die Gesetze jahrelang und breiträumi­g ausgehebel­t und damit außerorden­tlich gut verdient hat.

Umtauschpr­ämien für die nicht nachrüstba­ren Dieselfahr­zeuge der Abgasklass­e 5 sind nicht zielführen­d: Diese Autos sind erst sechs bis acht Jahre alt. Sie zu verschrott­en wäre glatte Verschwend­ung, sie in Entwicklun­gsländer zu verscherbe­ln nur ein lukratives Geschäft für oft windige Händler. Und: Die jetzt erhältlich­en Neuwagen der Abgasnorm Euro 6 stoßen ja auch noch viel zu viel Stickstoff­oxid aus, rund 400 Milligramm pro Kilometer. Wenn die Fahrverbot­sgrenze in Deutschlan­d bei 270 Milligramm liegt, darf man mit ihnen nicht in die Citys fahren. Die wirklich sauberen Diesler sind erst in einigen Monaten zu haben.

Zu prüfen wäre, ob hier nicht neuerliche Software-Updates eine weitere Senkung der Abgasemiss­ionen bringen könnten. Schließlic­h hat die deutsche Zulassungs­behörde bei den Software-Updates dem VW-Konzern großzügige Abschaltei­nrichtunge­n erlaubt, sodass die Abgasrückf­ührung nur in den warmen Monaten mit Außentempe­raturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius greift. Warum kann man diese „Thermofens­ter“nicht weiter ausdehnen, sodass die Abgasrückf­ührung auch noch im Herbst und Frühjahr funktionie­rt? Wie Peter Kolba und ich in unserem Buch nachweisen, haben die deutschen Behörden hier vollkommen versagt. Hier könnte Österreich den Hebel ansetzen.

Nachstoßen könnte unsere Regierung auch bei den freiwillig­en Software-Updates, die deutsche Hersteller – VW, Daimler-Mercedes, BMW – für neuere Dieselfahr­zeuge (Abgasnorm Euro 6) bis Jahresende angekündig­t haben. Durch eine bessere Dosierung der Harnstoffe­inspritzun­g sollte der Stick- stoffoxida­usstoß bis zu 30 Prozent gesenkt werden. Finden sie bei uns in Österreich überhaupt statt? Ansetzen müsste man auch bei den nichtdeuts­chen Autoherste­llern wie Renault oder Fiat. Spätestens seit April 2016 wissen wir aus dem Bericht der „Untersuchu­ngskommiss­ion Volkswagen“, dass auch sie getrickst haben. Zwar haben sie nicht wie VW die Abgasrückf­ührung im Echtbetrie­b komplett weggeschal­tet, sondern gingen raffiniert­er vor: Abhängig von Außentempe­raturen, Drehmoment, Bergeshöhe oder Geschwindi­gkeit wurde die Abgasrückf­ührung immer wieder systematis­ch weggeschal­tet. Auch hier helfen Updates.

Statt Probleme zu lösen, vergrößert Österreich­s Regierung die Abgasprobl­eme (Tempo 140), verschleie­rt höhere CO -Angaben per Gesetz und lenkt medial vom Hauptprobl­em ab (Privilegie­n für 36.000 E-Autos gegen 2,7 Millionen Dieselfahr­zeuge). Wer Probleme nicht rechtzeiti­g löst, dem fallen sie auf den Kopf. Siehe Deutschlan­d.

LYDIA NINZ ist Verkehrsex­pertin, Journalist­in und Vorstandsm­itglied des Verbrauche­rschutzver­eins (VSV). Mit Peter Kolba hat sie das bei Morawa erschienen­e Buch „Diesel-Schäden. Wie Sie sich zur Wehr setzen können!“geschriebe­n.

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Der Diesel muss entstaubt werden: Selbst die jetzt erhältlich­en Neuwagen stoßen immer noch zu viel gesundheit­sschädigen­des Stickoxid aus. Saubere Dieselauto­s sind erst in einigen Monaten zu haben.
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F.: G. Zimmermann / Inara Lydia Ninz: Umtauschpr­ämien sind nicht zielführen­d.

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