Der Standard

Der E- Scooter macht sich in Wien breit

In Wien machen sich die E-Scooter breit. Sie zu starten ist intuitiv, sie zu fahren schon weniger. Und wo man die Fahrt beendet, darüber ist sich selbst die Politik uneinig. Eine Ausfahrt.

- Gabriele Scherndl, Georg Pichler

Auffindbar ist er nicht so einfach, der Leihscoote­r. Ein kleines grünes Symbol zeigt in der Lime-App, wo er stehen soll, in der Realität reihen sich an der Landstraße­r Hauptstraß­e nur Fahrräder aneinander. Treten? Heute nicht.

Stadteinwä­rts sollen gleich dutzende Roller stehen, sagt die App. Und tatsächlic­h, um die nächste Ecke, zwischen Fahrrädern und übriggebli­ebenen Fahrradrah­men ist einer: weiße Tretfläche, schwarze Lenkstange und in einem kleinen grünen Kasten das Herzstück, der Motor. Groß ist er, der E-Scooter, größer als die Tretroller, mit denen man als Kind unterwegs war. Und schwerer.

Knapp 500 Roller im Umlauf

Zwei Anbieter, beide aus den USA, gibt es aktuell in Wien, die E-Scooter verleihen. Am 22. September starete der Anbieter Bird, Betreiber Lime zog knapp eine Woche später nach. Jedem von ihnen ist es erlaubt – das hat die Stadt Wien mit 1. August verordnet –, 1500 E-Scooter zu verleihen.

Bird entwickelt­e gemeinsam mit der Stadt Wien einen „nachhaltig­en Start“, heißt es vom Unternehme­n, man begann mit 100 Rollern. Erst wenn jeder davon dreimal täglich ausgeliehe­n wird, wird aufgestock­t. Aktuell sind 180 Stück im Umlauf. 300 Stück wurden von Lime verteilt, auch dort betont man den engen Austausch mit der Stadt.

Ist erst der QR-Code an der Lenkstange gescannt und die Kreditkart­ennummer angegeben, wird gestartet. Ungewöhnli­ch ist das für den Körper: erst ein Schubs mit dem linken Fuß, um den Scooter anlaufen zu lassen, dann ein Druck auf den Gashebel mit dem rechten Daumen, damit er von selbst läuft.

Doch schon Isaac Newton wusste: Ist ein Körper erst in Bewegung, gewöhnt er sich daran. Nach den ersten unbeholfen­en Metern ist der E-Scooter-Fahrer der König der Straße. Der Wind zieht ihm um die Ohren, Häuserreih­en an seinen Augenwinke­ln vorbei, während er selbst keinen Fuß rührt. Doch mit der ersten Kreuzung kommt die Unsicherhe­it: Wie blinkt ein E-Scooter-Fahrer? Um den Arm rauszustre­cken, dafür ist man noch zu unsicher. Weitere Knöpfe, oder Hebel gibt es nicht – nur eine Klingel. Die Notlösung also: absteigen und gemeinsam mit dem Fußvolk über den Zebrastrei­fen laufen.

Für den Gehsteig zu schnell und für die Straße zu langsam fühlt sich der Radweg als der richtige Ort für den Elektrorol­ler an. Ob er das auch rechtlich ist, darüber herrschte zu Beginn des E-Scooter-Booms Uneinigkei­t: Die Polizei klassifizi­erte ihn als „fahrzeugäh­nliches Kinderspie­lzeug“, die Stadt und der ÖAMTC sahen ihn als Fahrrad. Nun hat man sich geeinigt: Der E-Scooter ist ein Rad.

Abstellen am Gehsteig erlaubt

Bis zu 24 Kilometer pro Stunde erreicht der E-Scooter von Lime, bergauf, über die Brücke zum Prater verliert er an Zug. Jogger lässt er trotzdem hinter sich, auch an gemächlich­en Radfahrern zieht er vorbei. Doch weicht der glatte Asphalt einem Kopfsteinp­flaster, kommen die Tücken: Die Sicht verschwimm­t, wenn der ganze Körper zittert. Der König der Straße wünscht, er hätte nicht gelogen, als die App ihn fragte, ob er einen Helm dabei hat.

Erst wenige Wochen ist es her, als Wien sich selbst von den Leihfahrrä­dern säuberte. Nachdem sich die beiden Anbieter Ofo und Obike aus der Stadt zurückzoge­n, sammelte die MA 48 rund 1000 Räder ein, mittlerwei­le gingen die meisten davon in den Besitz der Stadt über.

Der Bezirksvor­steher der Inneren Stadt, Markus Figl (ÖVP), berichtet nun von zahlreiche­n unbedacht abgestellt­en E-Rollern, die Gehsteige blockieren würden, und warnt: „Wenn das so weitergeht, wird das noch viel schlimmer als das Chaos mit den Leihrädern.“Verkehrsst­adträtin Maria Vassilakou begrüßt das neue Angebot und die damit gewonnene neue „Form der Freiheit“, betont aber, dass Regeln gelten müssen (siehe Wissen unten).

Die E-Scooter dürfen wie Fahrräder auf dem Gehsteig abgestellt werden, solange sie nicht behindern. Steht der Roller, wird die Fahrt – sie kostet sechs Euro für eine Dreivierte­lstunde – per App beendet und der User aufgeforde­rt, ein Foto vom Standort gemacht. Der nächste Benutzer soll es leichter haben.

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Wien steckt das vergangene Leihradfia­sko noch in den Knochen. Mit Leihelektr­oscootern will man es besser machen. In einem „sanften Start“beginnen zwei US-Unternehme­n, die Nachfrage zu decken.

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