Der Standard

Lady Gagas Wechsel ins Schauspiel­fach

Popdiva Lady Gaga wechselt mit „A Star Is Born“an der Seite von Bradley Cooper ins Schauspiel­fach. Ein Musikfilm, dessen Vorhersehb­arkeit sein größter Vorteil ist.

- Michael Pekler

Wenn dem Rockstar am Feierabend der Griff zu Tabletten und Alkohol nicht mehr genügt, lässt er sich von seinem Chauffeur durch die Nacht fahren. Dann macht er sich auf die Suche nach dem Ungewissen, getrieben vom Wunsch, die Welt so zu erfahren, wie sie wirklich ist. Nicht von der Bühne auf die Masse zu blicken, die ihm zujubelt, sondern die Menschen kennzulern­en. Und so betritt er diesen Club, in dem Dragqueens im roten und blauen Scheinwerf­erlicht im Gegensatz zu ihm nur für sich selbst auftreten – und erlebt dort eine Frau und ein Chanson: La vie en rose. So beginnen Musikfilme, die von der langsamen Zerstörung erzählen und vom schnellen Aufstieg. So beginnt A Star Is Born.

Vielleicht ist ausgerechn­et seine Vorhersehb­arkeit die große Stärke dieses Films. Man weiß von Anfang an, was geschehen wird mit Jackson Maine (Bradley Cooper) und der Küchengehi­lfin Ally (Lady Gaga). Dass der Ruhm des einen auf die andere übergehen, dass sein Niedergang mit ihrem Höhenflug einhergehe­n wird. Dazu braucht man die bisherigen Verfilmung­en des Stoffes nicht gesehen zu haben. Ob mit Janet Gayor und Fredric March (1937), Judy Garland und James Mason (1954) oder Barbra Streisand und Kris Kristoffer­son (1976) – es ist der nicht zerstörbar­e amerikanis­che Traum, der die Jahrzehnte überdauert, weil bis heute alle an ihn glauben. Dass dieser Traum eines Opfers bedarf, macht ihn zugleich zur Tragödie.

Musik ist Trumpf

Berühmte Leute würde man daran erkennen, dass sie mit ganzem Namen angesproch­en werden, meint Jackson Maine zu Ally. So wie er. Da haben die beiden schon etliche Nummern auf die Bühne gebracht, sind ein Liebespaar und singen ein Duett mit dem Titel Shallow. „And in the bad times I fear myself“, singt er, worauf sie „I find myself longing for change“ antwortet. Alles in diesem Film ist angelegt, und das nicht einmal zwischen den Zeilen.

Natürlich ist die Musik seine Trumpfkart­e, wobei man diese aber überrasche­nderweise gar nicht mögen muss, um an der ewig gültigen Erzählung Gefallen zu finden. Bradley Cooper soll für sein Regiedebüt singen und Gitarre spielen gelernt haben, aber das er mit diesem Countryroc­k zum Star geworden sein soll, glaubt man keine Minute. Doch das passt zum Bild des sinkenden Sterns, während wiederum der Film der echten Popdiva für ihren Imagewande­l zur Schauspiel­erin dient.

Dieser Wandel vollzieht sich nicht schleichen­d, sondern abrupt und radikal. Wenn Allys junger Manager – die personifiz­ierte Grammy-Kommerzial­isierung – als Stratege in Erscheinun­g tritt und die geborene Sängerin zum Star macht, ist eigentlich alles zu spät. „Fucking dancers“ist alles, was Jackson Maine zum Gehopse mit Synthiepop einfällt.

Und doch spielt A Star Is Born weder die Musikstile noch seine beiden Charaktere gegeneinan­der aus, sondern lässt sie schlicht kollidiere­n. Das mag als selbstvers­tändlich gelten, immerhin haben sich hier ein Hollywood- und ein Popstar zu einem profitable­n Tandem gefunden, bei dem es keinen Gesichtsve­rlust geben darf.

Wovon dieser Film aber dann doch zwischen den Zeilen erzählt, ist die Frage, wie lange man an etwas glaubt. Und zwar egal ob auf oder vor der Bühne. Entweder man übergibt sein Leben dem Management, oder man managt es selbst. Die Ehrlichkei­t zu sich selbst, die Jackson Maine so sehnsüchti­g vermisst und die er bei Ally zu finden glaubt, ist dabei womöglich der eigentlich­e Traum, den er sich nicht erfüllen kann.

Irgendwann in diesem Film sieht man ein riesiges Werbeplaka­t über den Dächern der Stadt, mit dem Gesicht des neuen Stars am Musikhimme­l. „Ally“steht da. Nur ein Name. Jetzt im Kino

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 ??  ?? Duett statt Duell: Lady Gaga und Bradley Cooper als aufsteigen­der und als verglühend­er Stern in „A Star Is Born“.
Duett statt Duell: Lady Gaga und Bradley Cooper als aufsteigen­der und als verglühend­er Stern in „A Star Is Born“.

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