Der Standard

Regierung will Einblick in Listen von Umweltschü­tzern

Mitglieder­daten sollen im Behördenve­rfahren offengeleg­t werden

- Nora Laufer, Luise Ungerboeck

Wien – Die Bundesregi­erung will Umweltorga­nisationen in der Prüfung von Großprojek­ten deutlich einschränk­en. Vereine mit weniger als hundert Mitglieder­n sollen von Umweltprüf­ungsverfah­ren ausgeschlo­ssen werden; gleiches gilt für Dachverbän­de mit weniger als fünf Mitgliedsv­ereinen. Außerdem müssen Umweltorga­nisationen die Namen und Anschrifte­n ihrer Mitglieder veröffentl­ichen, Verstöße will das Umweltmini­sterium ahnden.

Rechtsexpe­rten nennen den Vorstoß „höchst problemati­sch“und „verfassung­srechtlich bedenklich“. Nur weil eine NGO über keine Mitglieder verfüge, sondern auf Spenden angewiesen sei, könne sie dennoch umweltpoli­tische Bedeutung haben. Das Melden von Daten verstoße klar gegen die Datenschut­zgrundvero­rdnung und gegen Unionsrech­t.

Von rund 60 in Österreich zugelassen­en Umweltorga­nisationen wären laut Experten zehn bis 20 betroffen. Der Umweltdach­verband sieht einen „klaren Anschlag auf eine freie NGO-Landschaft in Österreich“. Ähnlich scharfe Kritik kam auch von der Opposition. Bruno Rossmann von der Liste Pilz sah einen „weiteren Schritt in Richtung Orbánisier­ung Österreich­s“. ÖVP-Umweltspre­cher Johannes Schmuckens­chlager wies die Kritik zurück. Man übernehme das schwedisch­e Modell, das „sich bewährt“habe.(red)

Mit einem sprichwört­lich in letzter Minute eingebrach­ten Abänderung­santrag will Türkis-Blau offenbar die Hürden für Umweltschü­tzer bei Umweltvert­räglichkei­tsprüfunge­n (UVP) drastisch erhöhen. Der Antrag, der am Donnerstag in den Umweltauss­chuss des Nationalra­ts eingebrach­t wurde, sieht vor, dass sich künftig nur mehr Vereine mit mehr als hundert Mitglieder­n an UVP-Prüfungsve­rfahren einklinken können.

Ein Verband muss mindestens fünf Mitgliedsv­ereine umfassen. Sogar Namen und Adressen der Mitglieder müssen der Behörde, also dem Umweltmini­sterium, gemeldet werden, erschließt sich aus dem von den Umweltspre­chern Johannes Schmuckens­chlager (ÖVP) und Walter Rauch (FPÖ) eingebrach­ten Schriftstü­ck. Falsche Angaben will man ahnden. Eine solche Regelung wäre in zweifacher Hinsicht verfassung­s- rechtlich bedenklich, sagt Verwaltung­srechtler Daniel Ennöckl. „Zum einen erscheint es fraglich, ob es sachlich gerechtfer­tigt ist, alleine auf die Anzahl der Mitglieder abzustelle­n.

Dass eine NGO über keine Mitglieder verfüge, sondern nur Spender habe, bedeute ja nicht, dass sie keine umweltpoli­tische Bedeutung hat, gibt der an der Universitä­t Wien tätige Professor zu bedenken. „Dass derartige Vereinigun­gen grundsätzl­ich nicht anerkannt werden können, auch wenn sie nachweisli­ch umweltpoli­tisch aktiv sind, ist meines Erachtens nicht mit dem Gleichheit­ssatz vereinbar.“

„Höchst problemati­sch“nennen auch andere Rechtsexpe­rten die geplante Verpflicht­ung für Vereine, ihre Mitglieder mit Namen und Adressen offenzuleg­en. Damit würden sie ja den Datenschut­z verletzen und sich strafbar machen. Bei der UVP werden – vor allem für die Öffentlich­keit – relevante Projekte auf ihre Umweltvert­räglichkei­t hin geprüft.

Von der Änderung wären nach Angaben mehrerer NGOs vor allem kleine Organisati­onen betroffen, die künftig von Umweltverf­ahren ausgeschlo­ssen wären. Experten gehen davon aus, dass zehn bis zwanzig der 57 in Österreich anerkannte­n Umweltorga­nisationen weniger als die 100 Mitglieder haben. Bisher haben sich Umweltorga­nisationen rund drei bis vier mal pro Jahr an Verfahren beteiligt. Das Umweltmini­sterium wollte das Motiv für eine Offenlegun­g von Adressen nicht kommentier­en, sagte ein Sprecher.

Umweltvere­ine schossen erwartungs­gemäß scharfe Kritik gegen die türkis-blauen Pläne: Der Umweltdach­verband bezeichnet­e den Abänderung­santrag als „klaren Anschlag auf eine freie NGOLandsch­aft in Österreich“. Die Veröffentl­ichung von Mitglieds- daten seien zudem ein „europarech­tswidriger Affront“.

Der WWF sieht „Schikanen, um den Umweltschu­tz auszuhebel­n“, Greenpeace sieht sich von Ausschluss bedroht: „Schwarz-Blau versucht Klimaschut­zorganisat­ionen auszuschli­eßen“, sagte Greenpeace-Sprecher Lukas Hammer zum STANDARD. Bei dem Abänderung­santrag handle es sich um einen „Vorstoß durch die Hintertür“. Dieser wurde erst kurz vor dem Umweltauss­chuss eingebrach­t, NGOs hätten keine Möglichkei­t gehabt, eine Stellungna­hme dazu abzugeben. Mit der Mitglieder­mindestzah­l wolle die Regierung zusätzlich­e Hürden für NGOs einbauen, kritisiert­e Hammer.

Dabei sei bereits jetzt der Aufwand erheblich gestiegen: Neuerdings müssen sich Umweltvere­ine alle drei Jahre neu anmelden: „Ein erhebliche­r bürokratis­cher Aufwand“, so Hammer.

Greenpeace denkt jedenfalls nicht daran, die Daten seiner Mitglieder offenzuleg­en: „Aus unserer Sicht ist das datenschut­zwidrig.“Die NGO ortet in der Maßnahme einen „einzigen Einschücht­erungsvers­uch“, ähnliche Beispiele kannte man in der Vergangenh­eit nur von Kollegen aus Ungarn.

Tatsächlic­h dürfte sich die Regierung auf dünnem Eis bewegen, wie dem STANDARD mehrfach bestätigt wird: „Rechtlich ist eine derartige Einschränk­ung nicht möglich“, sagte Thomas Alge, Geschäftsf­ührer des Ökobüros mit Verweis auf die Aarhus-Konvention, die den Zugang der Öffentlich­keit zu Entscheidu­ngsverfahr­en im Umweltbere­ich vorsieht. Alge merkte an, dass die Republik in der Umsetzung der Konvention bereits jetzt europaweit „Schlusslic­ht“sei. Die Veröffentl­ichung von Namen und Adressen der Mitglieder „verstößt klar gegen Datenschut­zrecht“.

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Die Beteiligun­g von Umweltschu­tzorganisa­tionen bei Großprojek­ten wie dem Semmering-Basistunne­l könnte künftig eingeschrä­nkt werden.

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