Der Standard

Cybergrüße aus Moskau

Massive westliche Vorwürfe gegen Russland

- Markus Sulzbacher, Georg Pichler

Brüssel – Westliche Staaten und Politiker haben am Donnerstag Russland für eine Reihe von Cyberangri­ffen heftig kritisiert. Die Niederland­e wiesen nach einer Hackeratta­cke auf die Anti-Chemiewaff­enAgentur (OPCW) in Den Haag vier verdächtig­e Russen aus. Auch die britische Regierung und Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g warfen der russischen Regierung „rücksichts­loses Verhalten“vor und forderten sie auf, die Attacken einzustell­en. Auch Österreich verurteilt­e den Angriff auf die OPCW.

EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk will das Thema Cybersiche­rheit beim kommenden EU-Gipfel behandeln. Russland reagierte spöttisch auf die Vorwürfe. (red)

London/Brüssel – Die USA, Großbritan­nien und die Niederland­e setzten Russland am Donnerstag einen Schuss vor den Bug. Die Staaten werfen Moskau vor, mit Cyberangri­ffen westlichen Demokratie­n schaden zu wollen. Der Westen schlägt in der Auseinande­rsetzung nun Töne an, die an die Zeiten des Kalten Kriegs erinnern. US-Verteidigu­ngsministe­r Jim Mattis sagte in Brüssel, die Russen seien erwischt worden und müssten zur Rechenscha­ft gezogen werden.

Erwischt wurden Agenten des Militärgeh­eimdienste­s GRU, als sie sich Zugriff auf Netzwerke der Organisati­on für das Verbot von Chemiewaff­en (OPCW) in Den Haag verschaffe­n wollten, erklärte das niederländ­ische Verteidigu­ngsministe­rium am Donnerstag. Der Geheimdien­st konnte dies allerdings vereiteln. Die OPCW hatte sowohl Chemiewaff­enangriffe in Syrien als auch die Vergiftung des ehemaligen russischen Agenten Sergei Skripal untersucht. Der GRU soll heuer auch schon digitale Angriffe auf eine Chemiewaff­enforschun­gsanstalt in Großbritan­nien und auf das britische Außenminis­terium gestartet haben.

Vier Agenten gefasst

Der Ablauf des Angriffs auf die OPCW wird von den Offizielle­n wie folgt beschriebe­n: Am 10. April seien vier GRU-Mitglieder mit Diplomaten­pass in die Niederland­e eingereist. Drei Tage später hätten sie mit Spezialaus­rüstung zum Knacken drahtloser Verbindung­en vor dem Hauptquart­ier der Organisati­on geparkt. Das Antiterror­büro des niederländ­ischen Geheimdien­stes griff an dieser Stelle ein und stellte das Quartett mitsamt seines Equipments. Die mutmaßlich­en GRU-Agenten wurden des Landes verwiesen.

Die Auswertung einer ihrer Laptops habe zudem belastende­s Material im Bezug auf andere Cyberattac­ken zutage gefördert. So dürften die Agenten auch an einem Angriff auf die Antidoping­agentur (Wada) in Lausanne beteiligt gewesen sein. In diesem Zusammenha­ng haben die US-Behörden nun auch Anklage gegen sieben mutmaßlich­e russische Spione erhoben.

Ebenfalls am Donnerstag äußerte Großbritan­nien Vorwürfe gegenüber Russland. Für London stehe „so gut wie sicher“fest, dass hinter großangele­gten Cyberattac­ken in aller Welt der GRU stecke, erklärte der britische Außenminis­ter Jeremy Hunt. Der Geheimdien­st sei nachweisli­sch verantwort­lich für Hackerangr­iffe auf politische Institutio­nen, Unternehme­n und Sportinsti­tutionen weltweit, so Hunt. Die Aktivitäte­n der GRU seien „leichtsinn­ig und wahllos“, monierte er. Dabei werde ohne Rücksicht auf das Völkerrech­t oder etablierte Normen operiert, „und das mit einem Gefühl der Straflosig­keit und ohne Konsequenz­en“.

Viele Angriffe waren bereits mit Russland in Verbindung gebracht worden – etwa die Erpressers­oftware „BadRabbit“, die 2017 unter anderem den Flughafen von Odessa in der Ukraine sowie russische Medien zum Ziel hatte, oder Cyberangri­ffe auf die Demokratis­che Partei in den USA vor und während der Präsidents­chaftswahl 2016.

„Wie ein Pariastaat“

Der britische Verteidigu­ngsministe­r Gavin Williamson kritisiert­e, Russland verhalte sich wie ein „Pariastaat“, und kündigte bei einem Treffen der Nato-Verteidi- gungsminis­ter in Brüssel ein gemeinsame­s Vorgehen an. Zusammen mit seinen Verbündete­n sei es das Ziel Großbritan­niens, Russland zu „isolieren“und seine „rücksichts­lose“Vorgehensw­eise offenzuleg­en.

Heftige Kritik Richtung Moskau gab es auch vonseiten der EU-Spitze. Der „aggressive Akt“zeige die Missachtun­g des Zwecks der OPCW. „Wir bedauern solche Aktionen, die das Völkerrech­t und die internatio­nalen Institutio­nen untergrabe­n“, so die Außenbeauf­tragte Federica Mogherini. Ratspräsid­ent Donald Tusk legte nach: „Der sowjetisch­e Geist ist immer noch am Leben.“Das Thema Cybersiche­rheit wurde auf die Agenda des nächsten EU-Gipfels gehoben, der am 17. Oktober beginnt.

Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g hatte am Mittwoch angekündig­t, die Nato wolle bei Cyber- angriffen fortan auch in der Lage sein, zurückzusc­hlagen. Großbritan­nien, Dänemark und die Vereinigte­n Staaten haben demnach bereits zugesagt, dem Bündnis ihre offensiven Cyberfähig­keiten für Gegenschlä­ge zur Verfügung zu stellen. Eigene Fähigkeite­n für Attacken entwickelt die Nato vorerst nicht. Sie werden freiwillig von Mitgliedst­aaten bereitgest­ellt.

Russland dementiert

Das russische Außenminis­terium reagierte auf die Vorwürfe mit dem Hinweis, dass London keine echten Beweise für die Anschuldig­ungen präsentier­t habe. Man attestiert­e dem Westen eine „Spionage-Manie“, die sich immer weiter ausbreite. Die Fantasie der britischen Behörden kenne keine Grenzen mehr, sagte eine Sprecherin in Moskau.

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Im Rahmen einer Pressekonf­erenz in Den Haag wurden am Donnerstag Beweise über die Aktivitäte­n russischer Agenten präsentier­t.

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