Cybergrüße aus Moskau
Massive westliche Vorwürfe gegen Russland
Brüssel – Westliche Staaten und Politiker haben am Donnerstag Russland für eine Reihe von Cyberangriffen heftig kritisiert. Die Niederlande wiesen nach einer Hackerattacke auf die Anti-ChemiewaffenAgentur (OPCW) in Den Haag vier verdächtige Russen aus. Auch die britische Regierung und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warfen der russischen Regierung „rücksichtsloses Verhalten“vor und forderten sie auf, die Attacken einzustellen. Auch Österreich verurteilte den Angriff auf die OPCW.
EU-Ratspräsident Donald Tusk will das Thema Cybersicherheit beim kommenden EU-Gipfel behandeln. Russland reagierte spöttisch auf die Vorwürfe. (red)
London/Brüssel – Die USA, Großbritannien und die Niederlande setzten Russland am Donnerstag einen Schuss vor den Bug. Die Staaten werfen Moskau vor, mit Cyberangriffen westlichen Demokratien schaden zu wollen. Der Westen schlägt in der Auseinandersetzung nun Töne an, die an die Zeiten des Kalten Kriegs erinnern. US-Verteidigungsminister Jim Mattis sagte in Brüssel, die Russen seien erwischt worden und müssten zur Rechenschaft gezogen werden.
Erwischt wurden Agenten des Militärgeheimdienstes GRU, als sie sich Zugriff auf Netzwerke der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) in Den Haag verschaffen wollten, erklärte das niederländische Verteidigungsministerium am Donnerstag. Der Geheimdienst konnte dies allerdings vereiteln. Die OPCW hatte sowohl Chemiewaffenangriffe in Syrien als auch die Vergiftung des ehemaligen russischen Agenten Sergei Skripal untersucht. Der GRU soll heuer auch schon digitale Angriffe auf eine Chemiewaffenforschungsanstalt in Großbritannien und auf das britische Außenministerium gestartet haben.
Vier Agenten gefasst
Der Ablauf des Angriffs auf die OPCW wird von den Offiziellen wie folgt beschrieben: Am 10. April seien vier GRU-Mitglieder mit Diplomatenpass in die Niederlande eingereist. Drei Tage später hätten sie mit Spezialausrüstung zum Knacken drahtloser Verbindungen vor dem Hauptquartier der Organisation geparkt. Das Antiterrorbüro des niederländischen Geheimdienstes griff an dieser Stelle ein und stellte das Quartett mitsamt seines Equipments. Die mutmaßlichen GRU-Agenten wurden des Landes verwiesen.
Die Auswertung einer ihrer Laptops habe zudem belastendes Material im Bezug auf andere Cyberattacken zutage gefördert. So dürften die Agenten auch an einem Angriff auf die Antidopingagentur (Wada) in Lausanne beteiligt gewesen sein. In diesem Zusammenhang haben die US-Behörden nun auch Anklage gegen sieben mutmaßliche russische Spione erhoben.
Ebenfalls am Donnerstag äußerte Großbritannien Vorwürfe gegenüber Russland. Für London stehe „so gut wie sicher“fest, dass hinter großangelegten Cyberattacken in aller Welt der GRU stecke, erklärte der britische Außenminister Jeremy Hunt. Der Geheimdienst sei nachweislisch verantwortlich für Hackerangriffe auf politische Institutionen, Unternehmen und Sportinstitutionen weltweit, so Hunt. Die Aktivitäten der GRU seien „leichtsinnig und wahllos“, monierte er. Dabei werde ohne Rücksicht auf das Völkerrecht oder etablierte Normen operiert, „und das mit einem Gefühl der Straflosigkeit und ohne Konsequenzen“.
Viele Angriffe waren bereits mit Russland in Verbindung gebracht worden – etwa die Erpressersoftware „BadRabbit“, die 2017 unter anderem den Flughafen von Odessa in der Ukraine sowie russische Medien zum Ziel hatte, oder Cyberangriffe auf die Demokratische Partei in den USA vor und während der Präsidentschaftswahl 2016.
„Wie ein Pariastaat“
Der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson kritisierte, Russland verhalte sich wie ein „Pariastaat“, und kündigte bei einem Treffen der Nato-Verteidi- gungsminister in Brüssel ein gemeinsames Vorgehen an. Zusammen mit seinen Verbündeten sei es das Ziel Großbritanniens, Russland zu „isolieren“und seine „rücksichtslose“Vorgehensweise offenzulegen.
Heftige Kritik Richtung Moskau gab es auch vonseiten der EU-Spitze. Der „aggressive Akt“zeige die Missachtung des Zwecks der OPCW. „Wir bedauern solche Aktionen, die das Völkerrecht und die internationalen Institutionen untergraben“, so die Außenbeauftragte Federica Mogherini. Ratspräsident Donald Tusk legte nach: „Der sowjetische Geist ist immer noch am Leben.“Das Thema Cybersicherheit wurde auf die Agenda des nächsten EU-Gipfels gehoben, der am 17. Oktober beginnt.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte am Mittwoch angekündigt, die Nato wolle bei Cyber- angriffen fortan auch in der Lage sein, zurückzuschlagen. Großbritannien, Dänemark und die Vereinigten Staaten haben demnach bereits zugesagt, dem Bündnis ihre offensiven Cyberfähigkeiten für Gegenschläge zur Verfügung zu stellen. Eigene Fähigkeiten für Attacken entwickelt die Nato vorerst nicht. Sie werden freiwillig von Mitgliedstaaten bereitgestellt.
Russland dementiert
Das russische Außenministerium reagierte auf die Vorwürfe mit dem Hinweis, dass London keine echten Beweise für die Anschuldigungen präsentiert habe. Man attestierte dem Westen eine „Spionage-Manie“, die sich immer weiter ausbreite. Die Fantasie der britischen Behörden kenne keine Grenzen mehr, sagte eine Sprecherin in Moskau.