Der Standard

Junckers Appell gegen den „stupiden Populismus“

Bei einem Festakt zum 100. Geburtstag der Republik plauderte Kommission­spräsident Juncker aus, worüber er mit den Landeschef­s gern scherzt. Kanzler Kurz konterte und lobte die Zusammenar­beit.

- Marie-Theres Egyed

Es braucht schon einen speziellen Anlass, damit Kommission­spräsident JeanClaude Juncker verrät, warum er so gerne mit den österreich­ischen Landeshaup­tleuten zusammentr­ifft: „Wir können dann ungestört über Europa und die Bundesregi­erung schimpfen“, beginnt Juncker launig seine Rede zum Festakt des 100. Geburtstag der Republik Österreich, zu dem Hans Niessl, scheidende­r roter Landeschef aus dem Burgenland, im Rahmen einer außerorden­tlichen Landeshaup­tleutekonf­erenz im Wiener Palais Niederöste­rreich einlud.

Geschichts­trächtiger Ort

Es ist jener Ort, an dem am 21. Oktober 1918 die Konstituie­rung der provisoris­chen Nationalve­rsammlung stattfand, die den Beginn der Republik einläutete. Aber auch 1945 trafen sich die Landeshaup­tleute im Palais Niederöste­rreich, um ein Bekenntnis zu einem österreich­ischen Gesamtstaa­t abzugeben. Diese Erklärung war damals entscheide­nd, war doch Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg in vier Besatzungs­zonen geteilt. Die gemeinsame Erklärung der neun Landeschef­s am Donnerstag ist hingegen vor allem ein Symbol, das auch das Selbstbewu­sstsein der Konferenz unterstrei­cht.

Doch Ehrengast Juncker scherzte nicht nur über sein Verhältnis zu den Landeschef­s, er mahnte auch Geschichts­bewusstsei­n ein. Juncker erinnerte an die dunklen Seiten Österreich­s, an Anschluss und Nationalso­zialismus und stellte fest: „Wer die Geschichte nicht kennt, dem fehlt die Kraft, die Zukunft zu gestalten.“Juncker zeichnete seine Vision der EU, die keinesfall­s zu Vereinigte­n Staaten von Europa werden dürfe, teilte aber gleichzeit­ig seine Besorgnis über eine „permanente Verzwergun­g“der Union. „Wir müssen aufstehen, wenn die Gefahr von rechts sich ungehinder­t durch- setzt, wenn stupider Populismus und bornierter Nationalis­mus einen Marsch in die Zukunft antreten, den man stoppen muss, solange dazu noch Zeit ist.“

Österreich habe sich in der Vergangenh­eit einen Namen als Brückenbau­er gemacht, etwa bei der EU-Osterweite­rung. Nun sei das Land und vor allem Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gefordert, auf dem Westbalkan zu vermitteln, um den dortigen Ländern eine europäisch­e Perspektiv­e zu geben, auch wenn sie noch nicht für einen EU-Beitritt bereit seien.

Der angesproch­ene Kurz nahm Junckers Ball auf. Er sei froh, endlich zu erfahren, worüber der Kommission­spräsident mit den Landeshaup­tleuten rede. Gleich- zeitig sei er auch dankbar, dass Juncker nicht verrate, worüber er mit ihm und den anderen Regierungs­chefs spreche. Kurz betonte die identitäts­stiftende Rolle der Länder, auch wenn das Verhältnis zum Bund nicht immer friktionsf­rei verlaufe. Trotzdem schätze er die gemeinsame Arbeit.

Respektvol­ler Diskurs

Österreich müsse aus seiner Geschichte Lehren ziehen, ist sich auch der Bundeskanz­ler bewusst. Das Land habe Zeiten der politische­n Extreme erlebt, deswegen müsse der Diskurs auf Augenhöhe stattfinde­n: „Die Demokratie hält viele Meinungen aus, solange sie respektvol­l diskutiert werden.“

Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen ging in seiner Rede auf die Vielfalt der Sprachen auch innerhalb eines Bundesland­es ein. Manches Mal würde es auch innerhalb dieser Länder Verständni­sschwierig­keiten geben – und er trat den Beweis mit einer Tiroler Redewendun­g an, die so ähnlich klang wie „Ferd isch wia Nacht“. Ad hoc verstand ihn wohl nur der Tiroler Landeshaup­tmann, und der gebürtige Tiroler Van der Bellen fand offenbar Gefallen daran, sodass er den Anwesenden die Auflösung nicht verriet. Trotz Verständni­sproblemen seien die Länder ein „Kitt für ein gemeinsame­s Europa“, was überregion­ale Kooperatio­nen zeigen. Das sei das „Gegenteil von Verzwergun­g“.

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Mit launigen Worten begann EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker seine Rede zum Festakt der Republik, um dann auf die ernste Lage der Union zu kommen. „Wir müssen aufstehen, wenn die Gefahr von rechts sich ungehinder­t durchsetzt.“

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