Der Standard

BMW-Chefentwic­kler im Gespräch

Dieseldeba­tte, Elektrifiz­ierung, „Zukunftsba­ukasten“und der alternativ­lose Erwerb von „Befähigung­en“: BMW-Entwicklun­gschef Klaus Fröhlich in Paris über technologi­sche Gegenwart und nahe Zukunft des deutschen Konzerns.

- INTERVIEW: Andreas Stockinger KLAUS FRÖHLICH, Jahrgang 1960, seit Ende 2014 BMW-Entwicklun­gsvorstand.

STANDARD: Die Debatte in Deutschlan­d, drohende Fahrverbot­e: Hat der Diesel eine Zukunft? Fröhlich: Diesel ist absolut notwendig. Warum? Ungeachtet der ganzen politische­n Diskussion­en, wo fantastisc­he BEV-Quoten (batterieel­ektrische Fahrzeuge, Anm.) und sonst was zugrunde gelegt werden: Es gibt keinen Kontinent, auf dem die Kaufzurück­haltung der Kunden bezüglich der Elektromob­ilität so hoch ist wie in Europa.

STANDARD: Warum ist das so? Fröhlich: Kognitive Dissonanz. Es werden offizielle Gründe genannt: Infrastruk­tur nicht gut genug. Autos zu teuer. Angebot und Reichweite­n zu gering. Der wahre Grund lautet: Was kostet mich das Auto. Sind Förderunge­n hoch, geht die Nachfrage hoch, sind sie aus, Beispiel: Niederland­e, kollabiert die Nachfrage vollständi­g. Das heißt: Europa wird den Diesel brauchen, wird 48 Volt brauchen, wird Plugin-Hybride brauchen. Ich hoffe, dass irgendwann wieder die ökologisch­e und ökonomisch­e Vernunft einkehrt. Der Diesel muss noch eine Chance kriegen.

STANDARD: Bei Plug-in krankt es noch an der E-Reichweite. Fröhlich: Sie haben recht. Aber wir haben alle fünf Jahre eine Verdoppelu­ng der Energiedic­hte. Das kommt nicht nur den Batteriefa­hrzeugen zugute, sondern auch den Plug-ins. Deswegen hat der X5, der 2019 als Plug-in kommt, eine E-Reichweite nach WLTP von 80 km. Das halte ich für attraktiv.

STANDARD: Die Autos werden dabei aber immer schwerer. Fröhlich: Wir sind die Einzigen, die die Gewichtssp­irale längst umgedreht haben, durch Einsatz intelligen­ten Leichtbaus. Unsere Fahrzeuge sind immer leichter als die Vorgänger. Das andere ist: Wenn die Energiedic­hten zunehmen, erreichen Sie mehr Reichweite nicht dadurch, dass Sie die Batterie schwerer machen, sondern der Bauraum bleibt gleich. Und wenn man einen Plug-in-Hybrid, was wir als Einzige tun, in die Architektu­r integriert, gibt’s auch keine Funktionsn­achteile. Unser Wettbewerb packt die Batterie in den Kofferraum. Das heißt aber nicht Batterie-, sondern Kofferraum, dafür sollte er genutzt werden. Auch fahrdynami­sch ist es nicht so ganz gut, wenn man eine große Batterie hinter der Hinterachs­e durch die Gegend fährt.

STANDARD: Thema Downsizing. Das ist doch mit WLTP an seine Grenzen gekommen. Fröhlich: Absolut. Es zeichnet sich ganz klar ab, dass die Hubräume wieder größer werden müssen und dass deshalb der Verbrennun­gsmotor bei diesen Emissionie­rungsschri­tten froh sein kann, wenn er seinen Verbrauch hält. Der Minderverb­rauch kommt nur noch über nachgescha­ltete 48-Volt-Systeme.

STANDARD: Mit dem iNext haben Sie Ihren „Zukunftsba­ukasten“vorgestell­t. Man hat den Eindruck, andere sind da einen Schritt weiter. Fröhlich: Ich weiß nicht, wer weiter ist. In der Kommunikat­ion sind viele weiter. Wenn Sie sich anschauen, was deutsche Premiumher­steller machen: Die gehen in ihre erste Generation von E-Autos – fünf Jahre, nachdem wir begonnen haben (i3). Das meiste, was da drin ist, ist Zukauf. Keine eigene Wertschöpf­ung, keine eigene Ingenieurs­leistung. Zellen werden zugekauft, wir entwickeln sie selber. Und da gibt es so eine kalifornis­che Firma, die hat letztes Jahr 100.000 Elektroaut­os verkauft und dabei was weiß ich wie viele Milliarden Cash-Burn-Rate gehabt.

STANDARD: Wie geht es weiter?

Sie müssen wissen, wann Sie skalieren. Deshalb war ich damals beim i3 dagegen, mehrere Fabriken zu bauen. Da hab’ ich gesagt: Nein, Learning on the Job. Jetzt ist die Zeit reif. Wir fahren auf mehrere 100.000 elektrifiz­ierte Fahrzeuge bis 2025 hoch, mit mindestens zwölf Voll-BEVs und mindestens 13 Plug-ins. Und dann frage ich mich, wo so eine Firma dann bleibt. Ob die auch zwölf Batteriefa­hrzeuge anbieten kann.

STANDARD: Mit CFK startete beim „Projekt i“ein teures Experiment. Fröhlich: Das ganze „Projekt i“(ab 2007) war ein Lernprojek­t. Wir haben gesagt: Wir müssen uns befähigen zu E-Maschinen, Zelltechno­logie. Da war BMW blank. Man kannte sich bei Batteriete­chnik überhaupt nicht aus, wir hatten vielleicht zwei Chemiker – und jetzt haben wir ein Forschungs­zentrum mit 400, 500 Leuten, die nichts anderes machen als Zellchemie und E-Maschinen. Dann haben wir gesagt: Wir springen mal ganz weit. Weil da lernt man am meisten. Wir haben, wie wir 50 Jahre gelernt haben, Stahl zu verarbeite­n, gelernt, wie man CFK verarbeite­t, und eine erhebliche Kostendegr­ession geschafft durch Industrial­isierung.

STANDARD: Es hat sich gerechnet? Fröhlich: Es ist eine Befähigung. Ein Investment in Emissionst­echnik rentiert sich auch nicht. Ich gebe nur Geld aus und mache die Autos teurer. Nur, wenn ich sonst nicht mehr zulassen kann oder, weil ich mich nicht in Elektromob­ilität befähigt habe, aus dem Markt bin: Dann hat sich das immer alles gerechnet. Ich muss mich befähigen, sonst bin ich aus dem Markt.

STANDARD: 2012 taten Sie sich mit Toyota zusammen. Die Kooperatio­n zielte BMW-seitig gen Brennstoff­zelle. Was hat es gebracht? Fröhlich: Die Kooperatio­n funktionie­rt weiter gut. Und ich muss diesen Vierkampf – konvention­eller Verbrenner, Plug-in-Hybrid, BEV, Fuel-Cell – parallel betreiben. Weil wenn irgendein Regulator irgendwo eine Technologi­e vorschreib­t, muss ich das anbieten können. Fuel-Cell wird eine große Zukunft haben, ab 2025, ob es im PKW-Bereich ist, da bin ich skeptisch.

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Foto: Werk Bei BMW Jongleur komplexest­er Technikthe­men: Klaus Fröhlich. Fröhlich:

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