BMW-Chefentwickler im Gespräch
Dieseldebatte, Elektrifizierung, „Zukunftsbaukasten“und der alternativlose Erwerb von „Befähigungen“: BMW-Entwicklungschef Klaus Fröhlich in Paris über technologische Gegenwart und nahe Zukunft des deutschen Konzerns.
STANDARD: Die Debatte in Deutschland, drohende Fahrverbote: Hat der Diesel eine Zukunft? Fröhlich: Diesel ist absolut notwendig. Warum? Ungeachtet der ganzen politischen Diskussionen, wo fantastische BEV-Quoten (batterieelektrische Fahrzeuge, Anm.) und sonst was zugrunde gelegt werden: Es gibt keinen Kontinent, auf dem die Kaufzurückhaltung der Kunden bezüglich der Elektromobilität so hoch ist wie in Europa.
STANDARD: Warum ist das so? Fröhlich: Kognitive Dissonanz. Es werden offizielle Gründe genannt: Infrastruktur nicht gut genug. Autos zu teuer. Angebot und Reichweiten zu gering. Der wahre Grund lautet: Was kostet mich das Auto. Sind Förderungen hoch, geht die Nachfrage hoch, sind sie aus, Beispiel: Niederlande, kollabiert die Nachfrage vollständig. Das heißt: Europa wird den Diesel brauchen, wird 48 Volt brauchen, wird Plugin-Hybride brauchen. Ich hoffe, dass irgendwann wieder die ökologische und ökonomische Vernunft einkehrt. Der Diesel muss noch eine Chance kriegen.
STANDARD: Bei Plug-in krankt es noch an der E-Reichweite. Fröhlich: Sie haben recht. Aber wir haben alle fünf Jahre eine Verdoppelung der Energiedichte. Das kommt nicht nur den Batteriefahrzeugen zugute, sondern auch den Plug-ins. Deswegen hat der X5, der 2019 als Plug-in kommt, eine E-Reichweite nach WLTP von 80 km. Das halte ich für attraktiv.
STANDARD: Die Autos werden dabei aber immer schwerer. Fröhlich: Wir sind die Einzigen, die die Gewichtsspirale längst umgedreht haben, durch Einsatz intelligenten Leichtbaus. Unsere Fahrzeuge sind immer leichter als die Vorgänger. Das andere ist: Wenn die Energiedichten zunehmen, erreichen Sie mehr Reichweite nicht dadurch, dass Sie die Batterie schwerer machen, sondern der Bauraum bleibt gleich. Und wenn man einen Plug-in-Hybrid, was wir als Einzige tun, in die Architektur integriert, gibt’s auch keine Funktionsnachteile. Unser Wettbewerb packt die Batterie in den Kofferraum. Das heißt aber nicht Batterie-, sondern Kofferraum, dafür sollte er genutzt werden. Auch fahrdynamisch ist es nicht so ganz gut, wenn man eine große Batterie hinter der Hinterachse durch die Gegend fährt.
STANDARD: Thema Downsizing. Das ist doch mit WLTP an seine Grenzen gekommen. Fröhlich: Absolut. Es zeichnet sich ganz klar ab, dass die Hubräume wieder größer werden müssen und dass deshalb der Verbrennungsmotor bei diesen Emissionierungsschritten froh sein kann, wenn er seinen Verbrauch hält. Der Minderverbrauch kommt nur noch über nachgeschaltete 48-Volt-Systeme.
STANDARD: Mit dem iNext haben Sie Ihren „Zukunftsbaukasten“vorgestellt. Man hat den Eindruck, andere sind da einen Schritt weiter. Fröhlich: Ich weiß nicht, wer weiter ist. In der Kommunikation sind viele weiter. Wenn Sie sich anschauen, was deutsche Premiumhersteller machen: Die gehen in ihre erste Generation von E-Autos – fünf Jahre, nachdem wir begonnen haben (i3). Das meiste, was da drin ist, ist Zukauf. Keine eigene Wertschöpfung, keine eigene Ingenieursleistung. Zellen werden zugekauft, wir entwickeln sie selber. Und da gibt es so eine kalifornische Firma, die hat letztes Jahr 100.000 Elektroautos verkauft und dabei was weiß ich wie viele Milliarden Cash-Burn-Rate gehabt.
STANDARD: Wie geht es weiter?
Sie müssen wissen, wann Sie skalieren. Deshalb war ich damals beim i3 dagegen, mehrere Fabriken zu bauen. Da hab’ ich gesagt: Nein, Learning on the Job. Jetzt ist die Zeit reif. Wir fahren auf mehrere 100.000 elektrifizierte Fahrzeuge bis 2025 hoch, mit mindestens zwölf Voll-BEVs und mindestens 13 Plug-ins. Und dann frage ich mich, wo so eine Firma dann bleibt. Ob die auch zwölf Batteriefahrzeuge anbieten kann.
STANDARD: Mit CFK startete beim „Projekt i“ein teures Experiment. Fröhlich: Das ganze „Projekt i“(ab 2007) war ein Lernprojekt. Wir haben gesagt: Wir müssen uns befähigen zu E-Maschinen, Zelltechnologie. Da war BMW blank. Man kannte sich bei Batterietechnik überhaupt nicht aus, wir hatten vielleicht zwei Chemiker – und jetzt haben wir ein Forschungszentrum mit 400, 500 Leuten, die nichts anderes machen als Zellchemie und E-Maschinen. Dann haben wir gesagt: Wir springen mal ganz weit. Weil da lernt man am meisten. Wir haben, wie wir 50 Jahre gelernt haben, Stahl zu verarbeiten, gelernt, wie man CFK verarbeitet, und eine erhebliche Kostendegression geschafft durch Industrialisierung.
STANDARD: Es hat sich gerechnet? Fröhlich: Es ist eine Befähigung. Ein Investment in Emissionstechnik rentiert sich auch nicht. Ich gebe nur Geld aus und mache die Autos teurer. Nur, wenn ich sonst nicht mehr zulassen kann oder, weil ich mich nicht in Elektromobilität befähigt habe, aus dem Markt bin: Dann hat sich das immer alles gerechnet. Ich muss mich befähigen, sonst bin ich aus dem Markt.
STANDARD: 2012 taten Sie sich mit Toyota zusammen. Die Kooperation zielte BMW-seitig gen Brennstoffzelle. Was hat es gebracht? Fröhlich: Die Kooperation funktioniert weiter gut. Und ich muss diesen Vierkampf – konventioneller Verbrenner, Plug-in-Hybrid, BEV, Fuel-Cell – parallel betreiben. Weil wenn irgendein Regulator irgendwo eine Technologie vorschreibt, muss ich das anbieten können. Fuel-Cell wird eine große Zukunft haben, ab 2025, ob es im PKW-Bereich ist, da bin ich skeptisch.