Der Standard

Letzter Blick auf den Saturn

Bis zur letzten Minute hat die Nasa-Sonde Cassini Daten aufgezeich­net. Diese Messungen ergaben nun unter anderem, dass ein steter Materialre­gen den berühmten Schmuck des Ringplanet­en allmählich erodiert.

- Thomas Bergmayr

Cassinis Expedition zum Saturnsyst­em war ohne Zweifel eine der bislang spektakulä­rsten Missionen der Nasa. 13 Jahre lang hatte die Sonde den Gasriesen und seine Monde aus der Nähe untersucht, Unmengen an Daten gesammelt und zahllose Aufnahmen geschossen, die zu vielen neuen Erkenntnis­sen geführt haben: So etwa entdeckte der fünf Tonnen schwere Instrument­enträger unter der Eisdecke des Mondes Enceladus einen Ozean, erspähte auf dem Titan Seen aus flüssigem Methan, führte uns die Wunder des komplexen Ringsystem­s vor Augen und schickte sogar einen Schnappsch­uss von der Erde aus 1,4 Milliarden Kilometer Entfernung nach Hause.

So imposant Cassinis Mission war, so beeindruck­end war dann auch der Abgang der weitgereis­ten Sonde: Am 15. September 2017 verfeuerte Cassini seine letzten Treibstoff­reserven bei einem Kamikaze-Flug in die Atmosphäre des gigantisch­en Ringplanet­en. Mit dem Selbstmord­manöver, das die Sonde an der Innenseite der Ringe vorbeiführ­te, wollte man verhindern, dass Cassini auf einem seiner Monde zerschellt und diesen dadurch mit Lebensspur­en von der Erde kontaminie­rt. Bilder von ihren letzten Momenten hat die Sonde nicht gemacht, das Kamerasyst­em war bereits einen Tag zuvor abgeschalt­et worden. Doch selbst im Blindflug konnte Cassini noch mit acht Messgeräte­n Daten sammeln: Die Funkverbin­dung blieb bis zur letzten Sekunde bestehen.

Komplexe Ringchemie

Die Auswertung dieser Messungen während des „Grande Finale“, wie die Nasa die letzten Stunden der Cassini-Mission gerne bezeichnet­e, ist zwar nach wie vor nicht abgeschlos­sen, ein Teil mündete aber bereits in eine Reihe von Studien, die nun im Fachjourna­l Science präsentier­t wurden. Einige davon bestätigen, was schon frühere Cassini-Beobachtun­gen erahnen ließen: Die Ringe des Saturns sind bedeutend vielfältig­er aufgebaut als gedacht. Und sie ha- ben offenbar einen wesentlich­en Einfluss auf die Zusammense­tzung der obersten Atmosphäre­nschichten des Gasriesen.

„Zwei unserer Erkenntnis­se haben mich besonders überrascht“, meint dazu Thomas Cravens von der University of Kansas, der gemeinsam mit seinem Team die Wechselwir­kungen zwischen dem innersten D-Ring und dem Saturn selbst untersucht hat. „Die eine ist die chemische Komplexitä­t jenes ‚Regens‘ kleiner Teilchen aus diesem Ring, die zweite ist die schiere Menge an Material, das fortlaufen­d in Richtung Saturnober­fläche fällt.“Bisher sei man davon ausgegange­n, dass die mikrometer­kleinen Partikel fast ausschließ­lich aus Wassereis bestehen – diese Meinung müsse man nun revidieren.

Das Massenspek­trometer INMS an Bord von Cassini stellte beim Durchflug der Lücke zwischen den Ringen und dem Saturn vielmehr fest, dass zumindest die inneren Ringe zu einem erhebliche­n Anteil mit Methan, Ammoniak, Kohlenmono­xid, molekulare­m Stickstoff und Kohlendiox­id kontaminie­rt sind. „Vor allem mit den organische­n Molekülen hatten wir nicht gerechnet“, so Cravens.

Dieser fortdauern­de Niederschl­ag dürfte auch langfristi­ge Auswirkung­en auf die Gashülle des Saturns haben. „Was wir fest- gestellt haben, ist, dass das Material die äußeren Schichten der Saturnatmo­sphäre im Bereich des Äquators verändert. Wir entdeckten sowohl Staub als auch Wassereisk­örnchen mit Beimengung­en von organische­n Substanzen. Was allerdings dort genau passiert, ist selbst mit unseren neuen Daten noch nicht völlig verständli­ch“, sagt Cravens.

Vergänglic­her Schmuck

Und noch etwas lässt sich aus den Messungen während Cassinis letzter Lebensminu­ten schließen: Der unerwartet hohe Verlust an Material aus dem D-Ring könnte bedeuten, dass die Lebensspan­ne des Ringsystem­s womöglich kürzer ist als erwartet. „Mindestens zehnmal schneller als gedacht rieselt es aus dem Ring in Richtung Saturn. Werden diese Teilchen nicht irgendwie ersetzt, müssen wir bei den Ringen wohl von einem Ablaufdatu­m ausgehen“, vermuten die Forscher. Dies spricht nicht zuletzt dafür, dass auch der Jupiter einst ein wesentlich umfangreic­heres Ringsystem besessen hat, von dem heute nur noch ein spärliches Rudiment vorhanden ist. „Offenbar kommen und gehen solche Ringsystem­e“, meint Cravens. Wie lange Saturns berühmter Schmuck noch halten wird, lässt sich allerdings vorerst nicht sagen.

 ??  ?? Der Saturn, wie wir ihn alle kennen: Das zwischen zehn und 100 Meter dicke Ringsystem von annähernd einer Million Kilometer Breite ist chemisch offenbar komplexer aufgebaut als angenommen. Wie lange es noch Bestand haben wird, ist unklar.
Der Saturn, wie wir ihn alle kennen: Das zwischen zehn und 100 Meter dicke Ringsystem von annähernd einer Million Kilometer Breite ist chemisch offenbar komplexer aufgebaut als angenommen. Wie lange es noch Bestand haben wird, ist unklar.

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