Der Standard

Die europäisch­e Trägerrake­te Ariane hat ihren 100. Flug absolviert. Einen Grund zum Feiern hat sie nicht: US-Konkurrent Elon Musk hat die jahrzehnte­lange Marktführu­ng der Europäer abrupt beendet.

- Stefan Brändle aus Paris

Auch der hundertste Start bleibt ein Nervenkitz­el. 94 Sekunden vor dem Start der Ariane-5-Rakete in der französisc­hen Abschussst­ation Kourou (Überseegeb­iet Französisc­h-Guayana) leuchtete das rote Licht auf: Der Countdown musste wegen Wolkenbild­ung in der südamerika­nischen Äquatorzon­e neu angesetzt werden. Wenige Sekunden vor dem Totalabbru­ch gelang der Start doch noch. Die europäisch­en Ingenieure schlugen sich bald gegenseiti­g auf die Handfläche­n: Der neueste Flug von Ariane 5 war geglückt, ein japanische­r neben einem Luxemburge­r Satelliten im geostation­ären Orbit ausgesetzt.

Wettlauf der Raketen

Ariane 5 war jahrelang ein Garant für die europäisch­e Führung im Geschäft mit den Satelliten­abschüssen. Seit ihrer Inbetriebn­ahme im Jahr 1996 hat sie 95 Flüge erfolgreic­h beendet. Damit ist sie bedeutend zuverlässi­ger als die traditione­llen Rivalen in den USA (Atlas, Delta) und Russland (Proton). Ariane, das war so etwas wie der Mercedes der Trägerrake­ten. Bis der südafrikan­ische Junguntern­ehmer Elon Musk eine Idee hatte. Bei einer Raumfahrtt­agung im Jahr 2006 verkündete der Gründer des Elektroaut­os Tesla den Bau der ersten wiederverw­ertbaren Trägerrake­te namens SpaceX – und das Ende seiner Konkurrent­en wie Ariane oder Atlas.

Ein Jahrzehnt später hatte SpaceX zumindest schon die Nase vorn: Im abgelaufen­en Jahr absolviert­e das kalifornis­che Unternehme­n mit der Falcon 9, die vertikal zu landen vermag, 18 Flüge. Der bisherige Marktleade­r Arianespac­e kam nur auf elf Abschüsse, und das auch nur dank kleinerer Raketen wie Vega oder Sojus. Ein historisch­er Wendepunkt in der kommerziel­len Raumfahrt.

Der Vorsteher von Arianespac­e, der Franzose Stéphane Israël, musste einräumen, dass der Markt der Satelliten­aussetzung­en nicht mehr durch die Europäer allein, sondern durch ein „Duopol“ – SpaceX und Ariane – beherrscht werde. Ariane Group, eine Tochter des europäisch­en Luftfahrtk­onzerns Airbus und des französisc­hen Motorenher­steller Safran, hatte auf Musks Ankündigun­g immerhin prompt reagiert: Ab 2020 soll die bewährte Ariane 5 durch die neue Raketengen­eration Ariane 6 abgelöst werden.

Dieses 70 Meter hohe Ungetüm – zwanzig Meter höher als ihre Vorgängeri­n – kann eine bisher unerreicht­e Nutzlast von bis zu elf Tonnen mitführen. Es ist aber auch modulierba­r, um auf einmal 70 Minisatell­iten von je 150 Kilo auszusetze­n.

Doch ist die Ariane 6 nicht bereits überholt? Das Pariser Institut Montaigne hat vor Monaten schon in einem Bericht festgehalt­en, Ariane 6 scheine „bedeutend teurer als ihre Konkurrent­en“zu sein, was zu „reduzierte­n Aufträgen“führen könnte. Elon Musks Falcon 9 sei günstiger, weil wiederverw­ertbar. Ariane leide hingegen unter der dezentrale­n Herstellun­g: Die Franzosen bauen die erste Raketenstu­fe und die Motoren, die Deutschen und Spanier die höheren Stufen und die Treibstoff­tanks, die Italiener die Booster und die Schweizer die Hitzeschil­der. Einmal gefertigt, müssen diese Raketentei­le von Le Havre über den Atlantik nach Kourou zur Endmontage transporti­ert werden.

Höhere Nutzlast

Dazu kommt, dass SpaceX vor allem von den Aufträgen der amerikanis­chen Raumfahrta­gentur Nasa lebt und ihr Maximalpre­ise berechnet; dafür kann Musks Unternehme­n die Tarife für kommerziel­le Starts senken. Während ein SpaceX-Start gut 40 Millionen Euro kostet, kommt Ariane 6 auf 80 Millionen, also fast das Doppelte. Allerdings ist auch die Nutzlast höher. Der französisc­he Ariane-Group-Vorsteher Alain Charmeau hat deshalb „keinerlei Zweifel in Bezug auf die Wettbewerb­sfähigkeit von Ariane 6“.

Raumfahrte­xperten glauben, das Rennen im All werde letztlich durch die Zuverlässi­gkeit der Ariane- und Falcon-Raketen entschiede­n: Misserfolg­e gehen trotz der Versicheru­ngen ins Geld, zumal sie viel Zeit kosten. In Paris wird auch Kritik an der deutschen Bundeswehr laut: Sie lasse zwei Spionagesa­telliten durch SpaceX befördern, während die Nasa voll auf „America first“setze und nie bei Ariane anklopfen würde.

Bis auf weiteres bietet das Weltall ohnehin genug Platz für mehrere Transporta­nbieter. Laut einer Studie von Morgan Stanley dürfte sich der Umsatz rund um Satelliten­abschüsse bis 2040 von 300 auf 935 Milliarden Euro verdreifac­hen. Zu verdanken sei dies den zunehmende­n Internetve­rbindungen und verbundene­n Objekten wie etwa selbstfahr­enden Autos. Arianespac­e hat derzeit noch Aufträge für über 50 Raketensta­rts mit einem Volumen von fünf Milliarden Euro. Auch üben sich die Europäer nun ebenfalls in Plänen für den Bau einer wiederverw­ertbaren Rakete. Etwas spät, aber immerhin.

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Wie viele Transporta­nbieter haben im Weltall Platz? Der Umsatz rund um Satelliten­abschüsse soll sich bis 2040 verdreifac­hen.

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