„Frauen und Macht“
Mary Beard analysiert die jahrtausendealte Tradition, Frauen öffentliche Rede und Macht zu verwehren.
satz zur öffentlichen Stimme der Frau und einen Aufsatz zu Frauen in Machtpositionen.
Beard beschäftigt sich darin mit der Frage, welche Mechanismen in der westlichen Kultur verwurzelt sind, die Frauen zum Schweigen bringen und sie aus Machtzentren ausschließen. Sie sei sehr wütend gewesen, als sie den Text geschrieben hat, ließ Beard wissen. Und so ist ein historisch fundierter und bisweilen angriffslustiger Text entstanden, dem die Bezeichnung „Manifest“gut ansteht.
Den Mund verbieten
Beard ist nicht zimperlich in ihrer Kritik: „Die abendländische Kultur ist seit Jahrtausenden geübt darin, Frauen den Mund zu verbieten.“Um das zu belegen, unternimmt sie einen Streifzug durch eine ganze Reihe an großen und kleinen Beispielen aus der Antike, in denen Frauen ihrer Stimme beraubt wurden.
Beards Analyse zufolge hat das damit zu tun, dass in der antiken Kultur Männlichkeit auch über die öffentliche Rede definiert war. Wenn Frauen die Rede ergreifen, waren sie daher nicht mehr Frau, sondern androgyn. Dieses Denkmuster setze sich bis heute in der öffentlichen Debattenkultur fort.
Warum es wichtig ist, die Brücke zu schlagen zwischen Shitstorms auf Twitter und Co, die Frauen aktuell erleiden, und antiken Mythen der Erniedrigung von Frauen, begründet Beard: „Natürlich lässt sich das derzeitige Klima mit ‚Frauenfeindlichkeit‘ beschreiben. Wenn wir jedoch ver- stehen wollen, warum Frauen, selbst wenn ihnen nicht der Mund verboten wird, noch immer einen sehr hohen Preis zahlen, um Gehör zu finden – und wenn wir daran etwas ändern möchten –, dann müssen wir einsehen, dass das Ganze komplizierter ist und eine lange Geschichte dahintersteht.“
Persönliche Erfahrungen
In der jetzigen Situation sei es „unerheblich, welche Richtung eine Frau einschlägt, die sich in traditionell männliches Territorium vorwagt – die Beleidigung erfolgt auf jeden Fall“. Dabei schöpft Beard auch aus persönlichen Erfahrungen. Als eine der bekanntesten zeitgenössischen Altertumsforscherinnen ist sie selbst immer wieder Adressatin von Feindseligkeiten gewesen.
Beard ist freilich nicht die Erste, die sich mit der Frage der Stimme und Macht von Frauen beschäftigt. Ihre pointierte Analyse, die bis zu den Anfängen der abendländischen Kultur zurückreicht, bietet in der #MeToo-Debatte einen fundierten Beitrag zur Frage, warum viele Frauen erst Jahre nachdem ihnen Unrecht widerfahren ist darüber sprechen. Es steckt eine lange Kulturgeschichte dahinter, die Frauen erschwert, das Wort zu ergreifen. Nur wenn wir die dahinterliegenden Mechanismen verstehen, können wir ihnen entgegenwirken, lautet Beards Credo.
Somit entpuppt sich ihr Manifest für Frauen auch als eines für die Altertumsforschung: „Ein genauerer Blick auf Griechenland und Rom verhilft uns zu einem genaueren Blick auf uns selbst und zu einem besseren Verständnis davon, wie wir gelernt haben, so zu denken, wie wir es tun.“
Mary Beard, „Frauen & Macht. Ein Manifest“. € 12,40 / 112 Seiten. Übersetzt von Ursula Blank-Sangmeister. S.-Fischer-Verlag, Frankfurt am Main 2018
ALBUM Mag. Mia Eidlhuber (Ressortleitung) E-Mail: album@derStandard.at