Der Standard

Nationalsp­ieler mit kritischem Blick

Die Verschärfu­ngen für Wiens Hundehalte­r sind populistis­che Anlassgese­tzgebung

- Rosa Winkler-Hermaden

Das eigene Kind wird von einem Hund in den Kopf gebissen und trägt schwere Verletzung­en davon, stirbt daran sogar. Für Eltern ist das die Horrorvors­tellung schlechthi­n. Ist das ein wahrschein­liches Szenario? Natürlich nicht. Statistisc­h gesehen sterben Kleinkinde­r am öftesten bei Bade- oder Verkehrsun­fällen.

Als Mutter oder Vater ist man im Alltag aber immer wieder mit Begegnunge­n zwischen Kind und Vierbeiner­n konfrontie­rt, die man nicht hundertpro­zentig einschätze­n kann. Auch wenn auf Spielplätz­en ein Hundeverbo­t gilt: Auf dem Weg dorthin begegnet man Vierbeiner­n. Kinder sind von den wedelnden Wesen mehr als fasziniert. Ein „Er tut eh nix“der Hundebesit­zer ist da nicht besonders hilfreich, im Gegenteil. Vielleicht fühlt sich das Tier zum allererste­n Mal bedroht? Möglicherw­eise will es gerade an diesem Tag sein Revier verteidige­n? Insofern sind Forderunge­n nach strengeren Gesetzen für Hundehalte­r emotional mehr als verständli­ch.

Wegen zwei dramatisch­er Fälle in der jüngsten Vergangenh­eit fühlt sich auch die Politik berufen einzugreif­en. Ein Einjährige­r starb in Wien, weil ihn ein Rottweiler angefallen hatte – dessen Besitzerin war betrunken und hatte das Tier nicht unter Kontrolle. In Perchtolds­dorf biss ein Dackel zu. Das Opfer, ein zweijährig­es Mädchen, schwebt D nicht mehr in Lebensgefa­hr. ie am Mittwoch präsentier­ten Maßnahmen sind die sage und schreibe zwölfte Novelle des Wiener Tierhalteg­esetzes innerhalb weniger Jahre. Dass es sich dabei um eine populistis­che Anlassgese­tzgebung handelt, liegt auf der Hand. Denn wie soll die Einhaltung von Alkoholgre­nzen für Hundeführe­r bitte in der Praxis kontrollie­rt werden? Sollen Beamte künftig mit Alkomaten ausgestatt­et die Hundezonen und Spazierweg­e in ganz Wien abklappern? Auch der Vierbeiner wird keine Freude haben, wenn das Herrchen mit ihm nicht mehr zum Äußerln gehen kann, weil das letzte Achterl Wein eines zu viel war.

Noch dazu gibt es ja bestehende Gesetze, die bloß eingehalte­n werden müssten. Im Tierhalteg­esetz steht etwa jetzt schon, dass Besitzer von Hunden, die als gefährlich eingestuft werden, verpflicht­et sind, eine Hundeführs­cheinprüfu­ng zu absolviere­n. Außerdem ist vorgegeben, dass Hun- de an „öffentlich­en Orten, an denen üblicherwe­ise größere Menschenan­sammlungen stattfinde­n“, einen Maulkorb tragen müssen.

Die von der Stadt Wien gemeinsam mit der Polizei initiierte­n Verschärfu­ngen reihen sich in einen ganzen Reigen populistis­cher Maßnahmen der Regierung Michael Ludwig ein. Nach dem Alkoholver­bot am Praterster­n und dem Essverbot in der UBahn-Linie U6 sind nun die Hundebesit­zer dran. Der Bürgermeis­ter redet sein Handeln schön: Er spricht von einer Hausordnun­g, die gelten müsse, damit das Miteinande­r in der Groß- stadt funktionie­re. Verkündet wurde die Maßnahme einmal mehr von Ulli Sima, die, eigentlich für Öffis und Umwelt zuständig, hinter vorgehalte­ner Hand bereits den Titel „Verbotssta­dträtin“trägt. Sie bestätigt mit den neuen Verschärfu­ngen ihren wohl nicht ganz lieb gemeinten Kosenamen.

Für boulevardt­rächtige Schlagzeil­en sorgen die Verschärfu­ngen allemal. Verbote auf dem Papier zu beschließe­n ist auch einfacher, als bestehende Vorschrift­en konsequent durchzuset­zen. Die Hundehalte­r werden nicht die Letzten auf der No-goListe von Michael Ludwig sein.

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