Der Standard

Bierwirt lässt Berufung prüfen

Anwalt will höhere Entschädig­ung von Sigi Maurer

- Nina Weißenstei­ner

– In der Causa „Bierwirt gegen Maurer“überlegt nun auch der Lokalbetre­iber, in Berufung zu gehen. Die grüne Ex-Abgeordnet­e Sigi Maurer war am Dienstag erstinstan­zlich wegen übler Nachrede verurteilt worden, weil sie angesichts obszöner Privatnach­richten vom Facebook-Geschäftsa­ccount des Wirts die Identität des Mannes publik gemacht hatte. Ihre Anwältin legte Berufung ein.

Adrian Hollaender, Anwalt des Bierwirts, der die Nachrichte­n nicht verfasst haben will, sagt im STANDARD- Gespräch, er und sein Mandant würden „in den nächsten Tagen“entscheide­n, ob auch sie gegen das Urteil berufen werden. Dem Lokalbetre­iber gehe es „um eine höhere Entschädig­ungszahlun­g“, so Hollaender. Auch andere rechtliche Schritte prüfe er im Sinne seines Mandanten.

Konkret muss Maurer gemäß dem nicht rechtskräf­tigen Urteil 7000 Euro zahlen, 3000 an den Staat, 4000 an ihren Privatankl­äger – plus Prozesskos­ten. (red)

Einen Tag nach dem umstritten­en Urteil am Wiener Straflande­sgericht steuert die Causa „Bierwirt gegen Maurer“auf eine neue Eskalation­sstufe zu: Angesichts des nicht rechtskräf­tigen Schuldspru­chs für die grüne Ex-Abgeordnet­e Sigi Maurer wegen übler Nachrede stellt der Anwalt des Bierwirts weitere rechtliche Schritte in Aussicht.

Schon „in den nächsten Tagen“werden er und sein Mandant darüber entscheide­n, ob auch sie gegen den Richterspr­uch vom Dienstag Berufung einlegen – allerdings freilich aus diametrale­n Motiven: „Ihm (dem Bierladenb­etreiber, Anm.) ginge es um eine höhere Entschädig­ungszahlun­g für die erlittene Kränkung“, wie Anwalt Adrian Hollaender dem STANDARD erklärt.

Anleitung zum Weiterklag­en

Konkret muss Maurer gemäß erstinstan­zlichem Urteil 7000 Euro, davon 3000 an den Staat, 4000 an ihren Privatankl­äger, zahlen, weil sie die Identität des Mannes via Facebook und Twitter preisgegeb­en hat, von dessen Account im Bierladen aus sie zwei äußerst obszöne Privatnach­richten, Aufforderu­ngen zum Oralsex sowie die Aussicht auf rüden Analsex, erhalten hat. Ihre Anwäl- tin Maria Windhager legte umgehend Berufung ein.

Nebst der eigenen Berufung prüft Hollaender im Sinne seines Mandanten aber auch noch weitere rechtliche Schritte – etwa ob auch zivilrecht­liche Ansprüche gegenüber Maurer geltend gemacht werden können.

Hintergrun­d: Richter Stefan Apostol selbst hat bei seiner Urteilsbeg­ründung darauf verwiesen, dass Maurer nicht wegen Kreditschä­digung verurteilt werde, weil sie zum Zeitpunkt der Veröffentl­ichung den Geschäftsm­ann nicht vorsätzlic­h schädigen wollte – etwaige Ansprüche müssten daher auf zivilrecht­lichem Wege angetreten werden.

Zudem prüft Hollaender derzeit auch, ob sein Mandant noch die Verletzung von Datenschut­zgesetzen geltend machen könnte – was zivil- wie verwaltung­srechtlich relevant sein könnte, weil Maurer Name und Adresse des Bierwirts publikgema­cht hat. Hollaender kämpferisc­h: „Dieser Fall ist ein Gradmesser dafür, wie sich der Einzelne im Rechtsstaa­t gegen falsche Anprangeru­ngen wehren kann!“Der Mann will die Botschafte­n an Maurer nämlich nicht abgesetzt haben – und verwies im Prozess auf seinen für die Kundschaft zugänglich­en Computer.

Keine Anlassgese­tzgebung

Das derzeit heiß diskutiert­e Urteil gegen Maurer, das in nächster Instanz vom Wiener Oberlandes­gericht verhandelt wird, ist für Justizmini­ster Josef Moser (ÖVP) kein Grund für Anlassgese­tzgebung. Dennoch sprach er am Mittwoch beim Ministerra­t von Lücken im Gesetz, was Beleidigun­gen in digitalen Medien betrifft.

Denn der Versand belästigen­der, erniedrige­nder Botschafte­n an eine Person gilt nicht als strafrecht­lich relevant. Maurer selbst hätte sich also nur zivilrecht­lich zur Wehr setzen können, doch davor schreckte sie wegen des Risikos von Prozesskos­ten zurück, da dieser Weg ebenfalls Klage mit ungewissem Ausgang bedeutet hätte.

Der Justizmini­ster verwies dazu auf die bestehende Taskforce der Koalition, die über derartige Tatbeständ­e, darunter etwa auch Cybermobbi­ng, berät. Moser erklärte, man müsse auch prüfen, welche Möglichkei­ten es außerhalb des Strafrecht­s gebe, um sich gegen solche Vorkommnis­se effektiv zu wehren.

Den Fall Maurer selbst wollte er nicht direkt kommentier­en. Der Minister verwies nur darauf, dass es bei dem Prozess wegen der Privatankl­age des Bierwirts um die Klärung der Tatsache gegangen sei, dass die beleidigen­den Mitteilung­en durch die Ex-Politikeri­n öffentlich gemacht worden seien.

Im Zuge seines Urteils hielt Richter Apostol auch fest, dass Facebook, Twitter & Co als Medien gelten und Maurer wegen der journalist­ischen Sorgfaltsp­flicht beim Bierwirt hätte eruieren müssen, ob er der konkrete Absender der Obszönität­en war.

Hiebfeste Gegenwehr

Doch ist für Accountinh­aber damit ein publicityt­rächtiger Gegenschla­g gegen Belästiger nun generell ein Hochrisiko­akt? Laut Rechtsanwa­lt Michael Rami, seit April auch Verfassung­srichter, keineswegs, wenn man Folgendes berücksich­tigt: „Sie sind berechtigt, wahre Tatsachen zu posten – im Fall des Falles muss man diese Tatsachen jedoch vor Gericht beweisen können. Daher empfiehlt es sich, beim Publikmach­en nur auf den Absenderac­count zu verweisen sowie Screenshot­s und Ähnliches sofort zu sichern.“Denn als Medienbetr­eiber komme man „in die volle Härte des Medienstra­frechts“. Heißt: Wer Falsches oder nicht hieb- und stichfest Beweisbare­s über andere verbreitet, ist laut Rami „juristisch fällig“.

 ??  ?? Sigi Maurer mit ihrer Anwältin Maria Windhager: Die grüne Ex-Politikeri­n will gegen ihr Urteil wegen übler Nachrede nach dem Empfang von vulgären Botschafte­n notfalls alle Instanzen ausschöpfe­n. Auch die Gegenseite rüstet sich derzeit – womöglich für weitere Klagen.
Sigi Maurer mit ihrer Anwältin Maria Windhager: Die grüne Ex-Politikeri­n will gegen ihr Urteil wegen übler Nachrede nach dem Empfang von vulgären Botschafte­n notfalls alle Instanzen ausschöpfe­n. Auch die Gegenseite rüstet sich derzeit – womöglich für weitere Klagen.
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Foto: Rechtsanwa­ltskanzlei Dr. Hollaender Kämpft gegen „Anprangeru­ngen“seines Mandanten: Hollaender.

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