Der Standard

ZITAT DES TAGES

Die Regierung in Wien erwägt einen Ausstieg aus dem UN-Migrations­pakt. Damit wäre Österreich das erst dritte von insgesamt 193 Ländern, das sich verabschie­det. Für den Pakt selbst gibt es Lob, aber auch viel Kritik.

- FRAGE & ANTWORT: Kim Son Hoang

„Das ist so, als ob man einen Killer anheuern würde, um ein Problem zu lösen.“ Papst Franziskus kritisiert mit drastische­n Worten Schwangers­chaftsabbr­üche

Frage: Wie kam es zum UN-Migrations­pakt? Antwort: Angefangen hat es am 19. September 2016, in einer Zeit, als Flucht- und Migrations­bewegungen weltweit immer mehr und immer größer wurden. In vielen Ländern wuchs die Erkenntnis, die Herausford­erungen nicht mehr allein bewältigen zu können. Mit angestoßen vom damaligen USPräsiden­ten Barack Obama verabschie­dete die UN-Vollversam­mlung ein Paket zur Verbesseru­ng des Schutzes von Flüchtling­en und Migranten, auch New Yorker Erklärung für Flüchtling­e und Migranten genannt. Diese beinhaltet zwei Anhänge, die die Verabschie­dung eines globalen Paktes für Flüchtling­e und einen für Migranten im Jahr 2018 vorbereite­n sollten.

Frage: Was konkret ist der UN-Flüchtling­spakt? Antwort: Der Pakt, vom UN-Flüchtling­shochkommi­ssariat (UNHCR) erarbeitet, beinhaltet vier große Ziele: den Druck auf Aufnahmelä­nder mindern, die Eigenständ­igkeit von Flüchtling­en fördern, den Zugang zu Resettleme­nt und anderen humanitäre­n Aufnahmepr­ogrammen in Drittstaat­en ausweiten und schließlic­h die Bedingunge­n fördern, die eine Rückkehr in das Heimatland ermögliche­n. Der Pakt wird der UNVollvers­ammlung Ende Oktober vorgestell­t, erwartet wird, dass diese ihn bis Ende des Jahres annimmt.

Frage: Was konkret ist der UN-Migrations­pakt? Antwort: Die UN-Vollversam­mlung hatte sich Mitte Juli auf das 34-seitige Dokument geeinigt. Mit dem UN-Migrations­pakt, im englischen Original „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“betitelt, wird erstmals ein globales Papier zu Migration installier­t, denn im Gegensatz zu Flüchtling­en gibt es dementspre­chende Abkommen für die weltweit etwa 260 Millionen Migranten – etwas mehr als drei Prozent der Weltbevölk­erung – bislang nicht. Im Kern besteht der Pakt, der in etwa eineinhalb Jahren von Diplomaten ausformuli­ert wurde, aus 23 Zielen, die teilweise recht allgemein gehalten sind. So sollen etwa Fluchtursa­chen minimiert bzw. Schwachste­llen in der Migration angegangen und reduziert werden. Festgehalt­en ist auch, den Schutz und die Rechte von Migranten zu stärken, etwa durch Zugang zu Arbeitsmär­kten oder Sozialvers­icherungss­ystemen. Zudem wird Menschenha­ndel und Arbeitsaus­beutung im Zuge von Migration der Kampf angesagt. Auch noch erwähnensw­ert: Die Möglichkei­ten der legalen Migration sollen verbessert werden, zugleich soll Grenzschut­z sicherer und koordinier­ter ablaufen. Das völkerrech­tlich nicht verbindlic­he Dokument – darauf hatten viele Staaten gepocht – soll bei einer UN-Konferenz Anfang Dezember in Marokko angenommen werden.

Frage: Was sind die positiven Reaktionen auf den Pakt? Antwort: Positiv gesehen wird einerseits, dass es diesen Pakt überhaupt gibt, dass so viele Staaten bei einem so heiklen Thema tatsächlic­h einen gemeinsame­n Nenner gefunden haben. Betont wird dabei aber auch, dass der Pakt lediglich der Anfang einer Entwicklun­g sein kann, dass noch viel Arbeit bevorsteht. Die Internatio­nale Organisati­on für Migration sprach daher auch vom „Beginn eines neuen historisch­en Bemühens, die globale Agenda für Migration in den kommenden Jahrzehnte­n zu gestalten“.

Frage: Was sind die negativen Reaktionen auf den Pakt? Antwort: Die kommen von zwei Seiten. Einerseits gilt der Pakt als zahnloses, weil nicht verbindlic­hes Dokument, in dem die Ziele sehr oberflächl­ich formuliert sind. Auf der anderen, weit zahlreiche­ren Seite wird der Pakt unter anderem von der deutschen AfD als Türöffner für unbegrenzt­e Migration gesehen. Die USA unter Präsident Donald Trump sind deshalb bereits letzten Dezember ausgestieg­en, Ungarns rechtsnati­onale Regierung zog im Sommer nach. Und Polen erwägt zumindest einen Ausstieg, wie es am Dienstag aus Warschau hieß. Stand jetzt, also noch mit Polen, sind 191 der 193 UN-Staaten im Pakt vertreten.

Frage: Welche Position bezieht die österreich­ische Bundesregi­erung? Antwort: Aus FPÖ-nahen Kreisen wurde immer wieder Kritik am UN-Migrations­pakt geübt. Einem Bericht der Presse zufolge soll nun auch Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) dem Abkommen kritisch gegenübers­tehen. Nach dem Ministerra­t am Mittwoch kündigte Kurz an, sich mit anderen kritischen Staaten wie der Schweiz eng abstimmen zu wollen. Jedenfalls werde es seitens Österreich­s einen völkerrech­tlich verbindlic­hen Vorbehalt bei jenen Punkten geben, die man ablehne. Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) erklärte, es sei noch nicht entschiede­n, ob Österreich im Dezember zustimme. Die Prüfung sei noch am Laufen. Kritik gibt es von der Opposition.

 ??  ?? Migranten machen sich auf den Weg durch die Sahara, um nach Libyen zu gelangen. Die Uno will nun deren Rechte stärken.
Migranten machen sich auf den Weg durch die Sahara, um nach Libyen zu gelangen. Die Uno will nun deren Rechte stärken.

Newspapers in German

Newspapers from Austria