Der Standard

Khashoggi soll in einen Hinterhalt gelockt worden sein

US-Geheimdien­st hörte laut „Washington Post“Saudis ab

- Markus Bernath

Eine der regierungs­nahen türkischen Zeitungen veröffentl­ichte am Mittwoch die Namen der 15 saudischen Männer, die am Tag von Jamal Khashoggis Verschwind­en mit zwei Privatjets auf dem Atatürk-Flughafen gelandet waren. Ein Forensik-Experte soll unter ihnen gewesen sein. Khashoggi sollte nach Saudi-Arabien zurückgebr­acht werden. Dies habe der US-Geheimdien­st aus abgehörten Gesprächen saudischer Offizielle­r erfahren, berichtete die Washington Post unter Berufung auf einen nicht genannten Insider. Als Khashoggi am 2. Oktober mittags zu seinem Termin im Konsulat erschien, war der Hinterhalt bereits gelegt, so stellt es die Zeitung dar, für die Khashoggi Kolumnen schrieb.

Seit die türkische Justiz im Fall Khashoggi Ermittlung­en aufnahm und der saudische König selbst die Durchsuchu­ng des Konsulats in Istanbul angeboten hat, wird auf die Ankunft der türkischen Kriminalpo­lizei gewartet. Eine Woche scheint eine ausreichen­d lange Zeit, um die Spuren eines möglichen Verbrechen­s zu verwischen. Allerdings wissen die türkischen Experten wohl selbst genau, wo und wonach sie im Gebäude suchen müssen.

„Abstoßende“Spekulatio­nen

Reporter der Nachrichte­nagentur Reuters führte der saudische Generalkon­sul Mohammad alOtaibi bereits vergangene­n Samstag durch das sechsstöck­ige Gebäude im Istanbuler Bürovierte­l Levent. Die Spekulatio­nen über eine Entführung oder Ermordung Khashoggis fand Otaibi „abstoßend“. Nach Darstellun­g der Saudis hat der 59-Jährige das Konsulat verlassen und muss dann irgendwie verlorenge­gangen sein.

Die Empörung über Khashoggis Schicksal, die nun Staatschef Tayyip Erdogan und die mit ihm verbundene­n türkischen Medien zur Schau stellen, ist dabei nicht ohne Ironie. Im Umgang mit Journalist­en im eigenen Land ist der autoritär regierende Staatschef nicht zimperlich. Mit derzeit mehr als 170 inhaftiert­en Journalist­en ist die Türkei unter Erdogan eines der repressivs­ten Länder geworden.

Am Tag, als Khashoggi verschwand, hat ein Istanbuler Gericht lebensläng­liche Haftstrafe­n mit erschwerte­n Bedingunge­n gegen vier renommiert­e Journalist­en bestätigt, darunter den 68-jährigen Ahmet Altan, einen Schriftste­ller und ehemaligen Chefredakt­eur einer Tageszeitu­ng.

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