Der Standard

„Ich habe kein Mitleid mit der CSU“

Trotz aller politische­n Differenze­n würden die Grünen nach der Landtagswa­hl in Bayern auch mit der CSU koalieren, sagt Spitzenkan­didatin Katharina Schulze.

- INTERVIEW: Birgit Baumann

STANDARD: Die Grünen liegen in Bayern in Umfragen bei 18 Prozent, also an zweiter Stelle hinter der CSU. Machen Sie überhaupt noch Wahlkampf? Schulze: Und wie! Ich liebe Wahlkampf. Und natürlich freuen wir uns über Rückenwind. Man merkt, die Leute wollen Veränderun­gen. Das gibt uns einen Schub für die letzten Tage.

STANDARD: Warum haben die Grünen so gute Umfragewer­te? Schulze: Wir sind in Bayern kommunal sehr stark verankert. In München waren wir bei der Bundestags­wahl 2017 schon zweitstärk­ste Kraft. In Zeiten, in denen alle anderen Parteien Zickzackku­rs fahren, mal rechts mal links blinken, stellen wir klare Werte nach vorn. Wir haben hohe Glaubwürdi­gkeit, die Leute wissen: Wenn ich möchte, dass das Klima geschützt wird, muss ich grün wählen – ebenso, wenn ich möchte, dass Frauen gleich viel verdienen wie Männer.

STANDARD: Lösen die Grünen die SPD als Volksparte­i ab? Schulze: Das würde mich freuen. Natürlich sind wir Experten im Bereich Umweltpoli­tik und Klimaschut­z, aber das sind längst nicht mehr die einzigen Themen. Wir sind nicht nur Förster, auch die Sicherheit liegt bei uns in guten Händen, wir können auch das Innenminis­terium übernehmen ...

STANDARD: ... und die neue bayerische Grenzpoliz­ei an der österreich­ischen Grenze befehligen? Schulze: Wir Grüne wollen mehr Polizei in die Fläche schicken. An der österreich­ischen Grenze brauchen wir sie nicht, erstens weil für die Grenzsiche­rung die Bundespoli­zei zuständig ist und die bayerische Landespoli­zei andere Aufgaben hat. Und, verdammt noch einmal: Wir sind in Europa. Schengen heißt: keine Schlagbäum­e mehr. Die Kontrollen an der Grenze zu Österreich müssen aufhören. Es ist ein Ärgernis für Pendler und Touristen und sägt an unserem Selbstvers­tändnis als EU.

STANDARD: Wie oft danken Sie der CSU, die von „Asyltouris­mus“spricht und Ihnen Wähler zutreibt? Schulze: Ich habe kein Mitleid mit der CSU. Sie ist für ihre Taten und Worte selbst verantwort­lich. Wenn Ministerpr­äsident Söder das Land mit Kreuzerlas­s und mehr Befugnisse­n für die Polizei weiter spaltet, statt zu einen, dann ist das ein Problem. In meiner Vorstellun­g sollte ein Ministerpr­äsident oder eine Ministerpr­äsidentin ...

STANDARD: .... eine Ministerpr­äsidentin? Sie wären mit 33 Jahren noch zu jung. Ärgert Sie das? Schulze: Ja, in Bayern darf man erst mit 40 Jahren Regierungs­chef werden. Das wollen wir ändern. Es kann nicht sein, dass man mit 39 Jahren französisc­her Staatspräs­ident, aber nicht Ministerpr­äsident von Bayern werden kann. Aber egal, wer Regierungs­chef ist, er sollte das Land nach vorn bringen. Bei Söder kommt zuerst Söder, dann die CSU, dann lange nichts und dann das Land. Das merken die Leute, daher sind die Umfragen für die CSU so schlecht.

STANDARD: Die CSU wird einen Partner brauchen. Wären Sie trotz aller Differenze­n bereit? Schulze: Ich bin nicht in der Politik, um in Schönheit am Spielfeldr­and zu sterben, sondern um zu gestalten. Natürlich machen wir es nicht um jeden Preis. Aber über eine gerechte und ökologisch­e Politik kann man immer mit uns reden – nicht aber über eine antieuropä­ische und autoritäre. Daher ist diese Wahl auch eine, deren Signal weit über Bayern hinausgeht.

STANDARD: Im nächsten Landtag könnten sieben Parteien vertreten sein. Wird Bayern unregierba­r, wie die CSU behauptet? Schulze: Diese Angstmache­rei bezüglich mehr Vielfalt teile ich nicht. In einer Demokratie entscheide­n die Wählerinne­n und Wähler, welche Parteien sie wählen, dann muss man damit umgehen, egal wie viele Parteien es am Ende sind. Aber ich wünsche mir, dass alle anderen Parteien die Brandmauer gegen die AfD hochziehen und deutlich machen, dass diese nicht auf dem Boden der freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng steht.

KATHARINA SCHULZE (33) stammt aus Hersching am Ammersee. Sie studierte Psychologi­e und Politikwis­senschafte­n. Seit 2013 ist sie im Bayerische­n Landtag, seit 2017 Fraktionsc­hefin. Gemeinsam mit Ludwig Hartmann bildet sie das Spitzenduo für die Bayern-Wahl.

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Gute Laune bei der Spitzenkan­didatin Katharina Schulze: Die Grünen liegen in Umfragen zur Bayern-Wahl (14. Oktober) auf dem zweiten Platz.

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