Der Standard

„Das kann kein Computer beurteilen“

AMS-Chef Johannes Kopf will mit Algorithme­n ineffizien­te Förderunge­n eindämmen. Faktoren wie Motivation werden weiter von Beratern bewertet.

- INTERVIEW: András Szigetvari Foto: APA

Standard: Warum soll das AMS einen Algorithmu­s bekommen? Kopf: Wir wollen das AMS effiziente­r machen. Wir forschen schon lang zu verschiede­nen Dingen. Es geht darum, zu schauen, welche Fördermaßn­ahmen wie wirken. Wir haben in der Vergangenh­eit immer wieder auch teure Förderinst­rumente für Menschen verwendet, die relativ wenig Output hatten.

Standard: Mit diesem System wird es möglich, Arbeitslos­e in drei Kategorien einzuteile­n: jene mit hohen Chancen, jene mit niedrigen und jene mit mittleren Chancen ... Kopf: Wir haben ein Arbeitsmar­ktmodell entwickelt, das die Chancen unserer Kunden anhand von mehreren Dutzend Indikatore­n berechnet. Sehr stark mit einfließen wird die bisherige Erwerbskar­riere. Also wo, wie viel und was habe ich in den letzten Jahren gearbeitet, wie lange war ich arbeitslos, was habe ich verdient. Wie ist es in meiner Region, wie alt bin ich, wie schaut meine gesundheit­liche Situation aus, will ich Teilzeit oder Vollzeit. Die Arbeitsmar­ktchancen von Menschen einzuschät­zen ist komplex, noch dazu bei wenig Zeit und begrenzten Ressourcen.

Standard: Werden damit die jetzigen Berater des Arbeitsmar­ktservice ersetzt? Kopf: Nein. Selbstvers­tändlich haben die Letztentsc­heidung über die individuel­le Einordnung unserer Kundinnen und Kunden auch in Zukunft unsere Beraterinn­en und Berater. Ein ganz wesentlich­er Faktor, den wir in der EDV gar nicht abbilden können, ist zum Beispiel die Motivation. Die Lebenseins­tellung eines Menschen, wie engagiert er ist, oder auch kurzfristi­ge Änderungen am Markt haben einen wesentlich­en Einfluss auf den Erfolg von arbeitsmar­ktpolitisc­hen Maßnahmen. Das kann kein Computer beurteilen.

Standard: Führt das neue System nicht dazu, dass Personen im niedrigen Segment auch weniger Fördermitt­el bekommen? Gibt man diese Menschen nicht auf? Kopf: Das tun wir nicht und wollen wir auch nicht. Ziel ist es auch, mit dem gleichen Geld mehr Personen fördern zu können. Wir haben beschränkt­e Ressourcen und wollen sie besser nutzen. Die Idee ist,be st ehen deFörd er instrument­e beiden unterschie­dlichen Gruppen unterschie­dlich einzusetze­n. Facharbeit­er intensiv ausbildung­en sind zum Beispiel in der Gruppe der sehr arbeitsmar­ktfernen Personen im Verhältnis zu den Kosten wenig effektiv.

Standard: Das heißt, es wird für diese Gruppe geringere Angebote geben? Kopf: Wir setzten derzeit öfter geförderte Beschäftig­ungsprojek­te bei ganz Schwachen ein und sind dann oft unglücklic­h, dass wir zu sehr hohen Kosten im Vergleich relativ wenige Arbeitsauf­nahmen bei dieser Personengr­uppe haben. Mit dem neuen System werden wir noch besser steuern können, wo und wie wir fördern müssen, um effektiver zu sein. Aber auch die Betroffene­n selbst sind – wie erste Auswertung­en zeigen – mit unseren neuen Betreuungs­angeboten sehr happy.

JOHANNES KOPF (45) ist seit 2006 Vorstand des AMS. Davor war er im Kabinett von Wirtschaft­s- und Arbeitsmin­ister Martin Bartenstei­n tätig.

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