„Das kann kein Computer beurteilen“
AMS-Chef Johannes Kopf will mit Algorithmen ineffiziente Förderungen eindämmen. Faktoren wie Motivation werden weiter von Beratern bewertet.
Standard: Warum soll das AMS einen Algorithmus bekommen? Kopf: Wir wollen das AMS effizienter machen. Wir forschen schon lang zu verschiedenen Dingen. Es geht darum, zu schauen, welche Fördermaßnahmen wie wirken. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder auch teure Förderinstrumente für Menschen verwendet, die relativ wenig Output hatten.
Standard: Mit diesem System wird es möglich, Arbeitslose in drei Kategorien einzuteilen: jene mit hohen Chancen, jene mit niedrigen und jene mit mittleren Chancen ... Kopf: Wir haben ein Arbeitsmarktmodell entwickelt, das die Chancen unserer Kunden anhand von mehreren Dutzend Indikatoren berechnet. Sehr stark mit einfließen wird die bisherige Erwerbskarriere. Also wo, wie viel und was habe ich in den letzten Jahren gearbeitet, wie lange war ich arbeitslos, was habe ich verdient. Wie ist es in meiner Region, wie alt bin ich, wie schaut meine gesundheitliche Situation aus, will ich Teilzeit oder Vollzeit. Die Arbeitsmarktchancen von Menschen einzuschätzen ist komplex, noch dazu bei wenig Zeit und begrenzten Ressourcen.
Standard: Werden damit die jetzigen Berater des Arbeitsmarktservice ersetzt? Kopf: Nein. Selbstverständlich haben die Letztentscheidung über die individuelle Einordnung unserer Kundinnen und Kunden auch in Zukunft unsere Beraterinnen und Berater. Ein ganz wesentlicher Faktor, den wir in der EDV gar nicht abbilden können, ist zum Beispiel die Motivation. Die Lebenseinstellung eines Menschen, wie engagiert er ist, oder auch kurzfristige Änderungen am Markt haben einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Das kann kein Computer beurteilen.
Standard: Führt das neue System nicht dazu, dass Personen im niedrigen Segment auch weniger Fördermittel bekommen? Gibt man diese Menschen nicht auf? Kopf: Das tun wir nicht und wollen wir auch nicht. Ziel ist es auch, mit dem gleichen Geld mehr Personen fördern zu können. Wir haben beschränkte Ressourcen und wollen sie besser nutzen. Die Idee ist,be st ehen deFörd er instrumente beiden unterschiedlichen Gruppen unterschiedlich einzusetzen. Facharbeiter intensiv ausbildungen sind zum Beispiel in der Gruppe der sehr arbeitsmarktfernen Personen im Verhältnis zu den Kosten wenig effektiv.
Standard: Das heißt, es wird für diese Gruppe geringere Angebote geben? Kopf: Wir setzten derzeit öfter geförderte Beschäftigungsprojekte bei ganz Schwachen ein und sind dann oft unglücklich, dass wir zu sehr hohen Kosten im Vergleich relativ wenige Arbeitsaufnahmen bei dieser Personengruppe haben. Mit dem neuen System werden wir noch besser steuern können, wo und wie wir fördern müssen, um effektiver zu sein. Aber auch die Betroffenen selbst sind – wie erste Auswertungen zeigen – mit unseren neuen Betreuungsangeboten sehr happy.
JOHANNES KOPF (45) ist seit 2006 Vorstand des AMS. Davor war er im Kabinett von Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein tätig.