Der Standard

Köstingers Pannenhilf­e für Autobauer

Die EU-Umweltmini­ster haben sich auf ein CO -Reduktions­ziel von 35 Prozent für Neuwagen geeinigt. Eine strengere Regel wurde offenbar mithilfe Wiens vereitelt.

- Nora Laufer

Es ist der erste große Durchbruch während der EU-Ratspräsid­entschaft. „Harte Verhandlun­gen um die CO2-Einsparung­sziele für Fahrzeuge“, schrieb Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger (ÖVP) am Dienstag auf der Kurznachri­chtenplatt­form Twitter. Auf einem Bild darunter: Köstinger inmitten einer Schar aus Umweltmini­stern und Beratern in Luxemburg. Einige Stunden später dann die erlösende Meldung: „Durchbruch im Rat der EU-Umweltmini­ster“.

Tatsächlic­h konnte sich der Umweltrat erst nach einem 13stündige­n Tauziehen in der Nacht auf Mittwoch auf neue CO2-Grenzwerte für Pkws und Vans einigen. Pkws müssen demnach ab 2030 um 35 Prozent weniger Schadstoff­e im Vergleich zu 2021 ausstoßen, Vans um 30 Prozent weniger. Außerdem sind Ausnahmen bei der Anrechnung von Null- oder Niedrigemi­ssionen geplant. Umweltscho­nende Autos sollen bei der Berechnung also mehr Gewicht erhalten.

Für die EU-Ratsvorsit­zende, die den Kompromiss­vorschlag von 35 Prozent für Neufahrzeu­ge eingebrach­t hatte, war die Abstimmung ein Erfolg. Sie sprach von einem „wichtigen Schritt für mehr Klimaschut­z“, man bringe „saubere Mobilität auf die Überholspu­r“.

Weniger begeistert zeigten sich jene Staaten, die für ehrgeizige­re Klimaschut­zziele eintraten: Die luxemburgi­sche Umweltmini­sterin Carole Dieschbour­g nannte den Vorschlag „inakzeptab­el“und forderte ihre Amtskolleg­en auf, mehr Ambition zu zeigen. Luxemburg hat zusammen mit den Niederland­en, Irland, Slowenien, Schweden und Dänemark eine Enttäuschu­ngserkläru­ng über den Ausgang der Verhandlun­gen verfasst. Köstinger berichtete von einer „breiten Mehrheit“von 20 Staaten bei vier Gegenstimm­ungen und vier Enthaltung­en.

Entspreche­nd wird die Einigung in Österreich als großer Erfolg der EU-Ratspräsid­entschaft gefeiert. Über den Mittelweg dürfte man vor allem in den eigenen Reihen jubeln: Sämtliche ÖVP- sowie FPÖ-Abgeordnet­en im Europäisch­en Parlament hatten Anfang Oktober gegen eine Anhebung der CO2-Grenzwerte auf 40 Prozent gestimmt.

40 Prozent zum Greifen nah

Dabei wären zu diesem Zeitpunkt 40 Prozent möglich gewesen, wie ein Mobilitäts­experte der europäisch­en NGO-Dachorgani­sation Transport & Environmen­t und auch ein grüner Abgeordnet­er im EU-Parlament dem STANDARD bestätigte: „Hätte Österreich vor einer Woche dafür gestimmt, wären 40 Prozent möglich gewesen“, sagte Greg Archer von Transport & Environmen­t. Damals hätten 19 Staaten, die 64,2 Prozent der EUBevölker­ung repräsenti­eren, für eine Reduktion um 40 Prozent gestimmt. Eine qualifizie­rte Mehrheit braucht 65 Prozent. Österreich mit seinem Anteil von 2,3 Prozent der Bevölkerun­g hätte den Ausgang also maßgeblich beeinfluss­en können.

„Es war von Anfang an recht klar, dass Österreich einen Vorschlag machen wird, der auch Deutschlan­d passt“, sagte Archer.

Ein Kompromiss eint auch Deutschlan­d und Frankreich: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hatte sich gegen den Widerstand ihrer Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) für 30 Prozent ausgesproc­hen, Frankreich für 40 Prozent. Sehr zum Leidwesen der deutschen Autobauer. „Ich halte es für bedauerlic­h, dass sich die Mehrheit der Mitgliedst­aaten nicht dazu hat durchringe­n können, eine Balance zwischen Klimaschut­z und Beschäftig­ung in Europa herzustell­en“, beklagte der Chef des Branchenve­rbands VDA, Bernhard Mattes, im RBB-Inforadio. Geschlagen gibt man sich noch nicht. Der VDA will seine Argumente nun im Trilog vorbringen, wie die Verhandlun­gen zwischen EU-Kommission, Rat und Parlament heißen.

„Unfug“nennt man im Umweltmini­sterium in Wien Informatio­nen, wonach Österreich 40 Prozent CO2-Reduktion erwirken hät- te können. „Komplett illusorisc­h“– dieser Prozentsat­z sei am Dienstag nicht mehr zur Abstimmung gestanden. Gegen ein höheres Ziel hätte sich Deutschlan­d mit einer Sperrminor­ität gestellt.

Mit der Einigung im Umweltmini­sterrat liegt nun ein dritter Vorschlag auf dem Verhandlun­gstisch. Die EU-Kommission hatte zuvor eine Reduktion von 30 Prozent vorgeschla­gen, das Europäisch­e Parlament forderte 40.

Der österreich­ische Mittelweg löste europaweit gemischte Reaktionen aus. EU-Energiekom­missar Miguel Arias Cañete lobte Köstinger: „Ich hätte niemals gedacht, dass es eine so große Unterstütz­ung geben wird.“Auch Merkel nannte die Einigung ein „vertretbar­es Ergebnis“. Kritik kam hingegen von NGOs und Opposition: Die Neos nannten die Einigung „nicht ambitionie­rt genug“, die Liste Pilz sprach von einem „faulen Kompromiss“. Und auch die Umweltorga­nisation WWF kritisiert­e den „Minimalkom­promiss“.

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