Amazon will nicht nur den Buchhandel aufmischen
Amazon hat sein erstes Logistikzentrum in Österreich eröffnet. Internationale Entwicklungen zeigen, dass das der erste Schritt ist, um das Geschäft außerhalb des reinen Onlinehandels auszubauen.
Nach Uber folgt nun ein weiterer US-Riese, der Österreichs alteingesessene Betriebe vor neue Probleme stellt: Der Onlineversandhändler Amazon hat am Freitag ein eigenes Verteilzentrum im niederösterreichischen Großebersdorf eröffnet. Dadurch können Lieferungen noch schneller erfolgen. Amazon macht sich im Bereich des Zustellwesens damit auch zusehends unabhängig von anderen Versandfirmen.
Gleichzeitig handelt es sich dabei um einen weiteren Schritt, der den Einzelhandel aufzumischen droht. Das Schicksal des Buchhandels in Österreich ereilt nun auch andere Branchen. Immer mehr Menschen bestellen online Computerteile, Reinigungsmittel, Trockenfleisch und andere Produkte bei Amazon. Mit der schnelleren Lieferung ist ein weiterer Anstieg zu erwarten.
Kurzfristige Kaufwünsche
Mit dem Angebot Amazon Prime Now, das laut STANDARDInformationen auch hierzulande bald begonnen wird, sollen Bestellungen innerhalb von wenigen Stunden ihre Käufer erreichen, womit auch kurzfristigere Kaufwünsche spontan erfüllt werden können. Mit Amazon Pantry bietet das Unternehmen eigene Lebensmittel an, die nun effizienter und frischer an Kunden gebracht werden können.
Gerade im Bereich der Unterhaltungselektronik erfreut sich Amazon aufgrund niedriger Preise und guten Kundenservices großer Beliebtheit, während Ketten wie Saturn und Mediamarkt sinkende Verkaufszahlen verzeich- nen. Das Ansinnen, sowohl online als auch vor Ort zum Platzhirsch zu avancieren, zeigt sich vor allem beim Blick in die Vereinigten Staaten. Dort ist das Amazon längst mit dem Erwerb der Supermarktkette Whole Foods im analogen Bereich zu einem Big Player avanciert. Im Bereich des Buchhandels ist die Firma schon länger die unumstrittene Nummer eins, mittlerweile gibt es aber auch eigene Einzelhandels buchhandlungen. In Amazon-Go-Stores können Kunden gar ohne Bezahlung an handelsüblichen Kassen einkaufen. Spezifische Bedenken bezüglich des Einstiegs gebe es bei der Wirt- schaftskammer Österreich aktuell noch nicht, da es sich vorerst nur um ein Logistikzentrum handle. Iris Thalbauer, Geschäftsführerin der Bundessparte Handel, sagte dem STANDARD, dass das Unternehmen österreichischen Händlern teilweise sogar Vorteile bieten würde: „Viele kleine Einzelhandelsunternehmen nutzen Amazon, um ihre Produkte zu verkaufen.“Es sei dadurch nicht notwendig, einen eigenen Onlineshop zu betreiben: „Die Infrastruktur ist durch den Marketplace gegeben und unkompliziert.“Problematisch sei hingegen Amazon an sich, da ungleiche Wettbewerbsbedingungen herrschten. Thalbauer verweist dabei auf die Steuerpraktiken des Unternehmens. Aktuell werde geprüft, ob es sich beim neuen Verteilzentrum in Niederösterreich um ein reines Auslieferungslager oder um eine Betriebsstätte handelt. „Wenn wesentliche Komponenten gegeben sind, wird das steuerlich zur Betriebsstätte“, sagt Thalbauer, womit Amazon verpflichtet wäre, Körperschaftsteuer zu zahlen.
Überschaubar
Auch im Bereich des Lebensmittelhandels sieht Thalbauer vorerst keine Gefahr. So hätten österreichische Lebensmittelhändler mit eigenen Onlineshops bereits reagiert. „Der stationäre Handel hat in diesem Bereich das Glück, vor Ort zu sein“, sagt sie. Nur zwei Prozent des Lebensmittelverkaufs würden im Onlinebereich stattfinden. Große Gefahren sieht sie eher beim Modehandel sowie bei Händlern aus China.