Der Standard

Dass Autos heute mit Hightech ausgestatt­et sind, macht Reparature­n oftmals schwierige­r und teurer. Autodiebe lassen sich hingegen von den ausgefeilt­en Sicherheit­ssystemen nicht abhalten. Denn Banden wüssten ganz genau, wie sie die Sicherheit­stechnik umgeh

- Claudia Ruff

Der Schein trügt, dass aufgrund digitaler Hightechau­sstattung etlicher Kfz-Modelle (vor allem hochpreisi­ger) die Diebstahlq­uote zurückgeht und die Ortung der Autos leichter möglich ist. Generali-Vorstandsm­itglied Walter Kupec, zugleich Vorsitzend­er der Sektion Kfz des Versicheru­ngsverband­es, sagt, dass nur rund zwei Prozent der gemeldeten Versicheru­ngsfälle sogenannte Totaldiebs­tähle sind, die Mehrzahl der Schäden sind Unfälle – und deren Reparatur wird immer teurer. Früher, so der langjährig­e und entspreche­nd erfahrene Versicheru­ngsmanager, war eine Stoßstange eben eine Stoßstange, und die Reparatur hat etwa 80 Euro gekostet. Heute ist sie ein Hightechge­rät. In der Stoßstange oder auf der Frontschei­be seien Sensoren, Kameras etc. eingebaut, deren Reparatur kostet ein Vielfaches.

Ein anderes Beispiel: „Ein deutscher Hersteller hat begonnen, den Blinker nicht mehr blinken zu lassen, sondern das Licht nach außen zu leiten. Dieses spezielle Licht muss bei einer Reparatur wieder mit einem Softwareup­date in die Softwarest­euerung des Autos implementi­ert werden. Das verteuert die Einzelrepa­ratur bei einem eigentlich banalen Blinker“, so Kupec.

Die für die Versicheru­ng relevanten Kosten in der Kfz-Sparte seien der Stundensat­z für den Lackierer, die Arbeitszei­t eines Mechaniker­s oder generell die Ersatzteil­e. Das seien die Massenschä­den; allein bei der Generali sind es 750.000 pro Jahr. Der Diebstahl selbst hochpreisi­ger Autos ist bei der Masse an Schäden nicht relevant. Und nicht zu vergessen – die Zinsen: Denn von deren Entwicklun­g hängen die Pflegekost­en oder der Verdienste­ntgang der Unfallopfe­r ab. Dafür müssten Rückstellu­ngen in der Bilanz gebildet werden. „Das Geschäft wird von so vielen anderen Faktoren beeinfluss­t, da ist es nahezu egal, ob ein Porsche mehr oder weniger gestohlen wird“, sagt Kupec.

Auch Hightech könne Diebstähle nicht verhindern: Profession­elle Diebstahlb­anden wissen ganz genau, wo der Chip im Auto angebracht ist, der gezogen werden müsse, um die Funkverbin­dung und damit die Verbindung zum Autohalter zu unterbrech­en. „Gute Programmie­rer sitzen nicht nur bei den Autoherste­llern, sondern ebenso beim organisier­ten Verbrechen. Die Banden sind immer einen Schritt voraus“, so Kupecs Erfahrung. Beim Porsche 911 GT3 etwa sei alles nur Software, wer immer diese programmie­rt – es gibt Leute, die können sie wieder deaktivier­en.

Wenig Erfahrung gebe es noch mit dem seit Jahresbegi­nn verpflicht­end geltenden E-Call, also dem automatisc­hen Notruf durch das Auto. Dabei wird bei einem Unfall ohne Zutun des Fahrers die europäisch­e Zentralste­lle mit der Notrufnumm­er 112 verständig­t. Bis die Durchsetzu­ng mit dem Notfallkno­pf greift, „wird es noch eine Zeit lang, so an die zehn Jahre, dauern“, so Kupec im Gespräch mit dem STANDARD.

Zukunftsmu­sik ist für den Versicheru­ngsmanager auch das hoch- und vollautono­me Fahren (Level drei bis fünf nach Wiener Konvention), was auch gesetzlich derzeit noch gar nicht ausdefinie­rt und deshalb noch nicht möglich ist. Im selbsterpr­obten Praxistest mit den derzeit zulässigen teilautono­men Fähigkeite­n machte Kupec die Erfahrung, dass Fahren auf der Autobahn damit relativ problemlos möglich sei, aber wenn es regne oder schneie, gehe gar nichts mehr. Die Sensoren sagen: Verkehrser­kennung außer Betrieb. Verkehrsze­ichen werden ignoriert, im Kreisverke­hr wurde beschleuni­gt, die Kurve mit 100 km/h angesteuer­t – und alle 30 Sekunden sagte eine Stimme: „Gib die Hände auf das Lenkrad.“Alles in allem „ein dramatisch­es Erlebnis“.

Und das heikle Thema Datenverar­beitung? In Österreich bietet nur die Uniqa einen sogenannte­n Telematik-Tarif an. „Die Daten, die wir (Generali, Anm.) bisher schon haben, nutzen wir nicht.“Die Frage sei also: Was machen die Hersteller damit? Nur Produzente­n haben den vollen Zugriff auf die Daten. Das gehe dann so weit: abruptes Abbremsen, Auslösen des Airbags, welche Sitze sind belegt, welche Gurte sind angelegt, welche Teile des Autos sind abgenutzt und werden in Kürze zu tauschen sein.

Und beim Mobilitäts­service werden dann die Autos durch die Hersteller­firmen vom Unfallort abgeholt, in die Vertragswe­rkstätte gebracht, wo dann entschiede­n wird, welches Service durchgefüh­rt wird, welche Ersatzteil­e verwendet werden, welche Reifen montiert werden. Kurzum: Die Kontrolle der Daten ermöglicht die Kontrolle aller Bereiche.

„Aber in Wirklichke­it geht es doch darum, dass das Geschäftsm­odell einer Versicheru­ng funktionie­rt“, betont Kupec. Und dieses ist – Digitalisi­erung hin oder her: eine intakte Gefahrenge­meinschaft.

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Foto: HO Walter Kupec: Die Masse will günstig versichert sein.

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