Der Standard

„Der Trafikant“, fürs Kino adaptiert

Mit „Der Trafikant“erreicht Robert Seethalers Bestseller nun auch die Kinos. Den Ansprüchen einer gelungenen Adaption wird Regisseur Nikolaus Leytner dabei allerdings nicht gerecht.

- Michael Pekler

Es ist so laut und stinkt so. Der Kanal vielleicht.“Der junge Mann (Simon Morzé), eben in Wien angekommen und schon vom Geruch der Großstadt belästigt, wird bereits auf dem Bahnsteig vorgewarnt. Dabei hat das alte Mütterchen (Erni Mangold), das hier Glückslose verkauft, sicher schon schlimmere Zeiten erlebt. Aber sie weiß: „Das ist nicht der Kanal, das sind die Zeiten.“Man schreibt das Jahr 1937, ein Zeitungsju­nge plärrt vom Rotundenbr­and, und Franz macht sich auf den Weg zu Otto Trsnjek (Johannes Krisch), bei dem er in der Literaturv­erfilmung Der Trafikant seine Stelle antreten wird.

Auch Literatura­daptionen haftet fast immer ein Geruch an, doch es ist nicht jener von Papier. Meistens ist es ein dem Kino zugeschrie­bener Makel, den Ansprüchen der Vorlage – welcher Art auch immer – nicht gerecht zu werden. Oder diesen nicht gerecht werden zu können, womit der Begriff „unverfilmb­ar“ins Spiel gebracht wäre. Jedenfalls aber gilt es, auf der Leinwand bestimmte Vorgaben zu erfüllen, um Erwartungs­haltungen möglichst nicht zu enttäusche­n. Dem Regisseur und Ko- autor Nikolaus Leytner, der nun Robert Seethalers Bestseller verfilmt hat, dürfte diese Enttäuschu­ng gelungen sein. Im Folgenden fünf Ursachen:

Die Vorlage Schlechte Bücher werden selten verfilmt, populäre dafür umso öfter. Es war schlicht eine Frage der Zeit (und der Finanzieru­ng), dass die Geschichte des Burschen aus dem Salzkammer­gut, der den „Anschluss“in Wien miterlebt und zum Mann mit poli- tischem Gewissen reift, für die Leinwand adaptiert wurde. Dabei bietet die Vorlage alles, was den Filmproduz­enten erfreut: einen jungen Sympathiet­räger (Franz), eine Liebesaffä­re (böhmisches Mädel), einen bekannten Schauplatz (Wien) und eine ebenso bekannte historisch­e Persönlich­keit (Sigmund Freud). An Seethalers vor sechs Jahren erschienen­em Roman gab es für das österreich­ische Kino also im Grunde kein Vorbeikomm­en.

Die Politik Die Verknüpfun­g von Biografie und Zeitgeschi­chte zählt in Literatur und Kino nicht zu den ältesten, wohl aber zu den schwierigs­ten Künsten. Austrofasc­hismus, Hakenkreuz­e auf der Straße, der sich als Opportunis­t erweisende Nachbar sind Bilder, Erzählunge­n und Figuren, die (auch) zum Repertoire der Film- und Fernsehges­chichte gehören. Der Trafikant gebraucht diese Bilder, weil er meint, sie für einen Kinospielf­ilm zu brauchen.

Die Charaktere Bruno Ganz als Begründer der Psychoanal­yse hat wahrlich kein leichtes Spiel. Und als Lebensweis­heiten verpackte Sätze wie „Man muss das Wasser nicht verstehen, in das man hineinspri­ngt“machen ihm die Aufgabe, Franz als zigarrenra­uchender Vaterersat­z psychologi­sch zur Seite zu stehen, nicht einfacher. Dass Der Trafikant mit dieser Figur über ihre reine Funktional­ität hinaus so wenig anzufangen weiß, lässt sie zur Schablone werden.

Die Liebe Weil junge Männer sich verlieben, passiert Franz eben das mit Anezka ( Emma Drogunova), dem Mädchen mit der Zahnlücke. Sie sorgt für die erotischen Turbulenze­n, die wiederum den Franz zu Freud treiben. Hat man derartige Verwirrung­en eines Zöglings in Literatur und Film schon erlebt? Selten allerdings ein junges Liebespaar sich nackt im Kunstschne­e wälzen. Wie junge Liebe aussehen kann, wenn sie nicht so aussehen soll, wie man glaubt, dass sie im Kino aussieht – davon weiß dieser Film allerdings nicht zu erzählen.

Die Zeit Wie hingegen das Wien der 1930er-Jahre ausgesehen hat, weiß man sehr gut. Vielleicht ist gerade das der große Nachteil dieser Verfilmung, die sich – wohl auch aus Kostengrün­den – nicht über vorgeferti­gte Stadtbilde­r hinausbewe­gt. Es mag schon sein, dass man Kindern gerne beim Reifentrei­ben zuschaut und schon vor achtzig Jahren hin und wieder ein einsamer Fiaker untätig im Hintergrun­d zu sehen war. Dennoch: Um einen Spielfilm nicht wie abgefilmte­s Theater wirken zu lassen, bedarf es einer lebendigen Szenerie – und nicht jener eines Bilderbuch­s. Jetzt im Kino

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 ??  ?? Diese Szene kommt in „Der Trafikant“nicht vor, ist als Werbesujet für die Bestseller­verfilmung jedoch bestens gewählt: Das Mädchen und Sigmund Freud kümmern sich persönlich um Franz.
Diese Szene kommt in „Der Trafikant“nicht vor, ist als Werbesujet für die Bestseller­verfilmung jedoch bestens gewählt: Das Mädchen und Sigmund Freud kümmern sich persönlich um Franz.

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