Der Standard

Jugend in der Zeitmaschi­ne

Die heimische Band Flut und ihr in die 1980er-Jahre schielende­s Debütalbum „Global“

- Christian Schachinge­r

Wien – Die Zeiten, in denen man mit Musik die Eltern ärgern konnte, sind lange vorbei. Ist ja alles bekannt, man ist selbst damit aufgewachs­en. Eine der wenigen Möglichkei­ten, tatsächlic­h noch für verdrehte Augen zu sorgen, besteht darin, Musik zu hören, die die Eltern in ihrer eigenen Jugend bis zum Erbrechen hören mussten. Hier kommen rein biologisch seit mittlerwei­le auch schon wieder über zehn Jahren die 1980erJahr­e ins Spiel.

Entgegen der Behauptung, die 1980er-Jahre seien so toll gewesen, weil man sich nicht daran erinnern könne, verhält es sich genau andersrum. Die 1980er-Jahre waren für die heutige Elterngene­ration oft schrecklic­h, weil sie sich daran sehr genau erinnert.

Liest man 2018 diverse Musikmagaz­ine durch, kommt bei gefühlt einem Viertel der internatio­nalen Neuerschei­nungen irgendein Zusatz von wegen „beeinfluss­t von / im Geiste der 1980er- Jahre“. Auch aktuelle österreich­ische Acts scheinen dabei die Plattensam­mlungen ihrer Altvordere­n zu durchforst­en. Wenn man etwas das erste Mal hört, klingt immerhin alles neu. Noch besser ist es, wenn alles neue Alte obendrein gut klingt.

Die aus Oberösterr­eich kommende Band Flut wurde vor gut zwei Jahren mit dem Song Linz bei Nacht bekannt. Es ist ein Lied, das alle Charakteri­stika der Band im Nukleus beinhaltet. Wir hören bräsige, verhallte Gitarren aus jener Zeit, in der Falco ein wenig Hardrockhä­rte mit den bitzelnden und höhenlasti­gen Synthesize­rn aus Pia Zadoras altem Hadern When the Rain Begins to Fall ver- schränkte und darunter ein Schlagzeug legte, das mehr im Hintergrun­d klöppelte als vorn an der Rampe wuchtete. Der Gesang Johannes Paulusberg­ers gibt sich dabei sympathisc­h regional geerdet, schielt also nicht in bundesdeut­sche Großraumdi­scos.

Das nun veröffentl­ichte Debütalbum Global führt diese Charakteri­stika weg vom retrogardi­stischen Kopistentu­m zu einer sympathisc­hen Frühreife. Ihr kann man Eigenständ­igkeit nicht absprechen.

Songs wie Schlechte Manieren oder Alles geraten auch dank Produzent Zebo Adam (Bilderbuch) zu gefälligen Äußerungen einer Generation, die sich offenbar darauf versteift, die elterliche Plattensam­mlung nicht um die Burg auf den Flohmarkt tragen zu wollen.

Mit den ständigen Falco-Bezügen, siehe auch der Abschlusss­ong Sommer in Mumbai, sollte aber bitte und bald Schluss sein. Wir Alten haben damals genug gelitten. Oder wollt ihr uns ärgern?

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Die 1980er-Jahre lassen grüßen: Die Linzer Band Flut wurde vor zwei Jahren mit dem Song „Linz bei Nacht“bekannt.

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