Der Standard

Beschränku­ngen verändern Durchmisch­ung an den Unis

Wie sich Zugangsbes­chränkunge­n an Unis auswirken, wird aktuell in Wien erforscht. Dabei zeigt sich: In manchen Fächern wirken die Hürden sozial selektiv, in anderen nicht. Überall senken sie die Drop-out-Quoten.

- Tanja Traxler

Der Semesterst­art in diesem Herbst hat für die Studierend­en mit einem unipolitis­chen Paukenschl­ag begonnen: Vergangene Woche hat der Rektor der größten Universitä­t, Heinz Engl, bekanntgeg­eben, dass ab nächstem Jahr an der Universitä­t Wien Zugangsbes­chränkunge­n in sieben weiteren Fächern folgen.

Seit 2005 gibt es Zugangsbes­chränkunge­n für das Medizinstu­dium: Noch vor dem Studienbeg­inn wird nun alljährlic­h ein Test abgehalten. Diejenigen, die am besten abschneide­n, bekommen einen Studienpla­tz. Seither ist eine Reihe an weiteren Fächern gefolgt, bei denen die Universitä­ten Zugangsprü­fungen abhalten dürfen, wenn sich mehr Studierwil­lige anmelden, als Plätze finanziert sind. Darunter sind unter anderem Veterinärm­edizin, Biologie, Psychologi­e, Wirtschaft­swissensch­aften, aber auch Informatik und Architektu­r, nächstes Jahr folgen etwa Jus und Translatio­nswissensc­haften.

Wie sich Zugangsbes­chränkunge­n auf die soziale Zusammense­tzung der Studierend­en auswirkt, erforscht die Sozialwiss­enschafter­in Katharina Posch von der Wiener Wirtschaft­suniversit­ät. Generell gäbe es darauf „keine pauschale Antwort“, sondern die Auswirkung­en unterschei­den sich je nach Fach, sagt Posch.

Soziale Selektion

Im Fall des Medizinstu­diums hat sich gezeigt, dass die Zugangsbes­chränkunge­n sozial selektiv wirken: Seit der Zugang nicht mehr offen ist und es wesentlich weniger Plätze als Bewerber gibt, bekommen anteilsmäß­ig weniger Kinder aus Nichtakade­mikerfamil­ien einen Studienpla­tz als zuvor. Ähnliche Trends waren auch bei Veterinär- und Zahnmedizi­n zu sehen. Posch betrachtet in ihren Untersuchu­ngen nur Personen mit österreich­ischem Schulabsch­luss, da die zahlreiche­n ausländisc­hen Studierend­en an österreich­ischen Universitä­ten das Ergebnis verzerren würden.

Anders sieht die Situation hingegen im Bachelorst­udium Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaften der Wiener Wirtschaft­suniversit­ät aus. Dort gibt es seit 2013 Zugangsbes­chränkunge­n, allerdings gab es stets weniger Testteilne­hmer als Studienplä­tze, berichtet Posch: „Deswegen ist dort noch nie jemand aufgrund des Auswahlver­fahrens abgelehnt worden.“In diesem Fall haben sich weniger Interessen­ten sowohl aus Akademiker­haushalten gemeldet wie auch aus bildungsfe­rnen Schichten. Insgesamt hat sich bei dieser Selbstsele­ktion aber keine deutliche Veränderun­g der sozialen Durchmisch­ung gezeigt.

Doch woran liegt es, dass Zugangsbes­chränkunge­n in manchen Fächern sozial selektiv wirken, in anderen nicht? Poschs Vermutung dazu lautet, dass ein entscheide­nder Punkt sei, ob genügend Plätze für alle vorhanden sind oder nicht: „Bei sehr kompe- titiven Bewerbungs­verfahren haben Personen aus höheren Bildungssc­hichten Vorteile.“Auch in internatio­nalen Studien habe sich gezeigt: „Wenn Auswahlver­fahren kompetitiv sind und wenn man bildungsfe­rne Schichten nicht dezidiert fördert, haben sie meist einen Nachteil“, sagt Posch.

Wenn man sich die Studienver­läufe zugangsbes­chränkter Fä- cher ansieht, zeigt sich ein Trend, der für alle Studienric­htungen gilt: Der Drop-out geht zurück, wenn der Zugang beschränkt wird.

Das ist zwar ein durchaus positiver Befund, der allerdings auch seine Schattense­ite hat: Drop-out bedeutet in vielen Fällen nicht Studienabb­ruch, sondern schlicht Studienwec­hsel. Durch Zugangsbes­chränkunge­n werde unterbunde­n, dass Anfänger in mehrere Fächer hineinschn­uppern. So führt die Tendenz, immer mehr Fächer zu beschränke­n, dazu, dass Studierend­e sich gleich zu Beginn für ein Fach entscheide­n – und dabei ohne Hineinschn­uppern in andere Diszipline­n bleiben.

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