Der Standard

Neues von Conchita mit Symphonike­rn

Großes Orchester, Divengesan­g und Hildegard Knefs „Für mich soll’s rote Rosen regnen“: Conchita hat mit den Wiener Symphonike­rn das Studioalbu­m „From Vienna with Love“aufgenomme­n.

- INTERVIEW: Christian Schachinge­r

Nach ihrem Festwochen­konzert im Vorjahr veröffentl­icht Thomas Neuwirth alias Conchita nun gemeinsam mit den Wiener Symphonike­rn das Studioalbu­m From Vienna with Love. Großes Orchester trifft auf großes Pathos und Divengesan­g. Neben dem obligaten Hit Rise like a Phoenix hört man darauf etwa auch The Sound of Music oder Hildegard Knefs wunderbare­s Lied Für mich soll’s rote Rosen regnen.

Standard: Conchita, hatten Sie nachts schon einmal den Albtraum, dass Sie auf der Bühne stehen und während „Rise like a Phoenix“ein komplettes Textblacko­ut haben? Conchita: Nicht nur, dass ich das geträumt habe, es ist mir auch schon passiert. Wenn man ein Lied so oft singt, dass es automatisi­ert ist, gibt es Momente, die nicht dem Schema entspreche­n. Der Klavierspi­eler spielt unerwartet ein Füllsel, wo keines hingehört, und du bist draußen.

Standard: Man wird nach seiner Telefonnum­mer gefragt und ist blank. Conchita: Schrecklic­h. Barbra Streisand ist wegen so eines Texthänger­s jahrzehnte­lang nicht mehr auf die Bühne gegangen. Ich verstehe das total. Man kommt aus dieser Schleife nicht mehr raus. Mein Publikum ist Gott sei Dank gnädig, wenn ich sage: „Entschuldi­gung, können wir kurz von vorn anfangen?!“

Standard: Das Publikum ist gnädig, aber es gibt immer noch Lampenfieb­er? Conchita: Kurz vor einem Auftritt, aber wenn man dann singt und die Emotionen kommen, ist man davon befreit. Der Druck ist natürlich immer da.

Standard: Früher hat man backstage Drogen genommen, heute macht man Atemübunge­n. Wie bekämpfen Sie das Lampenfieb­er? Conchita: Haha. Ich habe angefangen, „geführte Meditation“zu machen. Das geht manchmal gut, manchmal gar nicht. Einsingen ist wichtig – und der Sache dienlich. Das holt mich runter, zumindest bis kurz vor einem Auftritt. I’m a mess!

Standard: Das Teleprompt­eralter ist also noch nicht erreicht? Conchita: Jein. Ich habe einmal mit Teleprompt­er gearbeitet, das war in London mit dem BBC Concert Orchestra. Da ist es wohl Usus, dass die Künstler mit Teleprompt­er singen. Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das nicht angenehm ist. Diese Technik bietet eine Freiheit in der Interpreta­tion, weil man sich nicht auf den Text konzentrie­ren muss. Die Gefahr besteht natürlich darin, dass man es einfach runterlies­t. Es bringt Komfort, aber man büßt Ehrlichkei­t und Emotion ein. Dass ich Probleme habe, mir Texte zu merken, ist schon ein Thema. Wenn es passiert: Nutze deine Stimme und mache etwas anderes.

Standard: Apropos Stimme, wie wählen Sie Ihre Lieder aus? Ich nehme an, es wird von Ihnen kein Rockalbum geben. Conchita: Vielleicht sollte ich mit dem Rauchen anfangen. Nein, bei der Songauswah­l speziell auch auf dem neuen Album wurde mir großes Vertrauen entgegenge­bracht. Die Lieder darauf sind jene, die ich singen wollte. Gerade bei dieser Produktion habe ich verstanden, warum Barbra Streisand ein Weltstar ist. Einige Lieder sind vom Gesang her anspruchsv­oller, als ich dachte. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass Summen so schwierig ist! Es ist in Arbeit ausgeartet.

Standard: Wie gestaltete sich die Produktion­sarbeit? Ich nehme an, Orchestera­ufnahmen sind zeitlich aufwendig. Conchita: Es war keine Liveproduk­tion mit allen Beteiligte­n in einem Raum. Ich brauche da etwas länger, ich bin kein One-TakeWonder. Die Symphonike­r gaben mir im Studio sozusagen ein Privatkonz­ert, und ich durfte mich danach ins gemachte Bett legen und meine Sachen ausprobier­en, ohne den ganzen Apparat aufzuhalte­n.

Standard: Whitney Houston nahm bis zu 48 Gesangsspu­ren auf, und dann folgte auf dem Mischpult Bastelarbe­it im Sekundenbe­reich. Conchita: Bei mir gibt es bestimmte Phrasen, die übe ich zu Tode, weil man energetisc­h merkt, dass eine Zeile mit der anderen oft nichts zu tun hat. Wir reden nicht über Intonation, aber das Gefühl ist oft nicht gleich da. Versuchen wir doch, dies und das anders einzufärbe­n. Wenn das einmal in einem Durchgang klappt, ist man natürlich stolz. Hildegard Knefs Für mich soll’s rote Rosen regnen war eine echte Herausford­erung. Ich bin einfach nicht so tief hinunterge­kommen. Auch vom Emotionale­n her ging es darum, weg von der Technik zu kommen und einfach aus dem Herzen zu singen. Wenn ich dann meine eigenen Sachen freiwillig hören will, weiß ich, dass ich damit zufrieden bin. Das bin ich, das bin ich auch, das troff mir aus dem Herzen! Natürlich gibt es Stellen auf dem Album, wo ich mir denke: Hearst! Jetzt ist der Anspruch da, das live besser zu machen.

Standard: Wenn man mit einem Orchester wie den Wiener Symphonike­rn arbeitet, ist man dann beim Reinkommen dazu angehalten, alle Musiker persönlich zu grüßen, oder wie muss man sich das vorstellen? Conchita: Die erste Geige auf seiner Seite zu haben ist nicht von Nachteil. Wenn einen der Konzertmei­ster sympathisc­h findet, sagen alle anderen: Okay, wir mögen ihn auch, alles klar! Mir ist bewusst, dass die sich denken: Ah, das Popküken! Tun wir halt mal ein bisschen probieren, gell?! Diese Instrument­e zu lernen dauert ja auch Jahre. Man braucht unendlich viel Talent und Disziplin, das stimmt mich ehrfürchti­g. Ich denke aber, alle haben verstanden, dass ich versuche mitzuhalte­n. Das schafft gegenseiti­gen Respekt. In der Popmusik wird bezüglich Fehlern mehr verziehen.

Standard: Haben Sie eine Sucht nach der Bühne? Nach einer Tournee kommt oft der große Einbruch. Man ist depressiv und fängt an, Geschirrtü­cher nach der Farbe zu sortieren. Conchita: Definitiv. Wir Künstler sind von Selbstzwei­feln zerfressen und wollen von allen geliebt werden. Das ist auch der Zauber. Wir stehen auf der Bühne und wollen dich kriegen. Liebt mich! Danach geht man ins Hotelzimme­r und ist vollkommen allein. Derzeit ist das allerdings gut tragbar. Ich bin nicht Lady Gaga. Mein Rezept sind Freunde und Familie. Sie zwingen mich, ich selbst zu sein.

CONCHITA alias Thomas Neuwirth (29) ist eine österreich­ische Kunstfigur. Sie wurde 2014 mit „Rise like a Phoenix“Siegerin des Eurovision Song Contests.

 ??  ??
 ??  ?? Wandelbar und schwer zu berechnen: Conchita präsentier­t ihr neues Album gemeinsam mit den Wiener Symphonike­rn am 20. Oktober im Konzerthau­s.
Wandelbar und schwer zu berechnen: Conchita präsentier­t ihr neues Album gemeinsam mit den Wiener Symphonike­rn am 20. Oktober im Konzerthau­s.

Newspapers in German

Newspapers from Austria