Der Standard

Kopf des Tages

- Thomas Mayer

Frans Timmermans will mit Hilfe der europäisch­en Sozialdemo­kraten an die Spitze der EU-Kommission.

Bevor jemand Mitglied der EU-Kommission werden kann, muss er oder sie sich einer stundenlan­gen Anhörung im EUParlamen­t stellen. Bei Frans Timmermans aus den Niederland­en fand dieses Hearing im Herbst 2014 statt. Der 57-Jährige trat an für den Posten des Vizepräsid­enten und Stellvertr­eters von Jean-Claude Juncker, fachlich zuständig für die Einhaltung der Grundrecht­e und für die institutio­nellen Beziehunge­n.

Zuvor hatte der Sozialdemo­krat in seinem Heimatland als Außenminis­ter gedient. Sein liberaler Koalitions­partner und Premiermin­ister Marc Rutte hatte ihn anstandslo­s für Brüssel nominiert. Im Frage-Antwort-Spiel mit den EU-Abgeordnet­en sorgte der Mann dann für großes Erstaunen.

Timmermans erwies sich nicht nur inhaltlich als außerorden­tlich firm. Er hat nach einem Studium der französisc­hen Literatur in mehreren Ländern auch Europarech­t studiert, wurde Diplomat. Was die Zuhörer aber am meisten beeindruck­te, war seine Sprachenke­nntnis: Er redete in sieben Sprachen nicht nur fließend, er beherrscht sie praktisch akzentfrei: Niederländ­isch, Englisch, Französisc­h und Deutsch sowieso, dazu auch noch Italienisc­h, Russisch Spanisch. Und Limburgisc­h, sei- ne Regionalsp­rache. So etwas hatte man selbst im multinatio­nalen EU-Parlament selten erlebt.

Seither hat Timmermans ein wenig den Ruf des Mister Perfect. Er gilt im Parlament aber auch als etwas zu fordernd, arrogant, wie oft bei Perfektion­isten. Geholfen hat ihm diese Eigenschaf­t in den Konflikten der Kommission mit den Regierunge­n in Polen und Ungarn wegen deren ständiger bewusster Rechtsverl­etzungen bis hin zum Verdacht des Bruchs der Rechtsstaa­tlichkeit.

Timmermans ist dafür zuständig, er hat Verfahren eingeleite­t und wurde von Warschau und Budapest rüde angegangen. Aber seinen Argumentat­ionen ist schwer zu begegnen. Wenn es um Recht, Gerechtigk­eit und das gemeinsame Europa geht, ist er der geborene Überzeugun­gstäter.

Timmermans wurde in Maastricht im Dreiländer­eck Belgien/Deutschlan­d/Niederland­e geboren, als Sohn eines Diplomaten; er wuchs in vielen Ländern auf. Heute lebt Timmermans in Heerlen nahe Aachen, ist mit einer Richterin verheirate­t, mit der er vier Kinder hat. Als passionier­ter Europapoli­tiker steht er vor seiner größten Herausford­erung. Er will für Europas Sozialdemo­kraten als Spitzenkan­didat bei der EU-Wahl 2019 antreten. Er gilt als Favorit.

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Foto: Imago Frans Timmermans will SPE-Spitzenkan­didat für die EU-Wahl werden.

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