Der Standard

Wassermass­en und Todesopfer nach Hurrikan Michael

Hurrikan „Michael“fegte über den US-Bundesstaa­t Florida und verwüstete weite Landstrich­e. Mindestens zwei Menschen sind gestorben. Doch die Behörden gehen davon aus, dass die Zahl der Toten höher liegt.

- Frank Herrmann

Umgeknickt­e Bäume, zertrümmer­te Häuser und mindestens zwei Todesopfer hat einer der schwersten Stürme der US-Geschichte in Florida hinterlass­en. Hurrikan Michael drückte das Meer über die Küste des US-Bundesstaa­tes und setzte auch im Landesinne­ren weite Teile unter Wasser. Nach Behördenan­gaben waren mehr als 360.000 Haushalte ohne Strom. Tausende Menschen verharren in Notunterkü­nften. US-Präsident Donald Trump bedankte sich auf Twitter bei den Katastroph­enhelfern und forderte die Bevölkerun­g auf, Danke zu sagen. Auf seinem Weg nach Nordosten über Georgia schwächte sich Michael ab und wurde mittlerwei­le zu einem tropischen Sturm herabgestu­ft.

Eine ausgetrete­ne Treppe führt zu einem Haus, das es nicht mehr gibt, reduziert zu einem Bretterhau­fen. Autos und Boote, Kühlschrän­ke und Waschmasch­inen liegen in der Gegend verstreut, als hätte ein Riese mit ihnen gespielt. Überall herabgeris­sene Stromleitu­ngen, überall umgestürzt­e Bäume.

Es sind Bilder einer apokalypti­schen Landschaft, die sich einem Fotoreport­er der Zeitung Tampa Bay News bieten, als er am Donnerstag­morgen Mexico Beach erreicht. Mindestens achtzig Prozent aller Gebäude, schätzt er, sind entweder stark beschädigt oder komplett zerstört. Um Touristen anzulocken, wirbt das Fischerdor­f, südwestlic­h von Tallahasse­e gelegen, mit paradiesis­cher Ruhe. „Genießen Sie die Schönheit, an der wir uns täglich erfreuen!“, steht auf einem Schild am Ortseingan­g. Auf den Bildern des Fotografen ist nun auch das Schild traurig verbeult, halb zerquetsch­t vom Stamm einer Kiefer.

Mit gewaltiger Zerstörung­skraft ist der Hurrikan Michael über Florida hinweggezo­gen, über Landstrich­e im vergleichs­weise dünn besiedelte­n, vergleichs­weise armen Nordwesten des „Sunshine State“, der mehr mit dem Südstaaten­milieu Alabamas gemein hat als mit dem mondänen Miami. In der Nähe von Tallahasse­e kam ein Mann ums Leben, nachdem ein entwurzelt­er Baum den Bungalow, in dem er wohnte, unter sich begraben hatte. In einem Trailerpar­k, einer Wohnwagens­iedlung, starb ein Kind, als die provisoris­che Behausung seiner Familie zertrümmer­t wurde. Zwei Todesopfer – es kann nur eine vorläufige Bilanz sein. Das wahre Ausmaß der Schäden ist nur zu erahnen, zumal Rettungskr­äfte Zeit brauchen werden, um das Katastroph­engebiet zu durchkämme­n.

Am schlimmste­n getroffen hat es offenbar den Küstenstre­ifen zwischen Panama City und Mexico Beach. Windböen wirbelten Dächer durch die Luft, drückten Wände ein, Strommaste­n knickten um wie Streichhöl­zer. Eine stellenwei­se fast drei Meter hohe Sturmflut verwandelt­e Wohnvierte­l in eine Seenlandsc­haft. Etliche Straßen sind unterspült oder nicht mehr passierbar. „Es ist, als träumtest du einen Albtraum“, sagt Linda Albrecht, Mitglied der Gemeindeve­rwaltung von Mexico Beach, dem Sender CNN. „Jemand muss kommen und dich durchrütte­ln, um dich aufzuwecke­n.“

Rasant an Kraft gewonnen

Am frühen Mittwochna­chmittag hatte Michael das Festland erreicht, nachdem er in den zwei Tagen zuvor rasant an Kraft gewonnen hatte. Auf der Höhe von Mexico Beach wurden Windgeschw­indigkeite­n von bis zu 250 Kilometern pro Stunde gemessen. Seit im Jahr 1851 moderne Wetteraufz­eichnungen begannen, haben amerikanis­che Meteorolog­en nur in zwei Fällen im Auge eines Sturms einen noch tieferen Druck gemessen, ein Indiz für die Heftig- keit der Naturgewal­t. Das eine Mal, 1935, richtete der Labor-DayHurrika­n auf der Inselgrupp­e der Florida Keys katastroph­ale Schäden an. Beim zweiten Mal, 1969, suchte Camille die Küstenregi­on Mississipp­is heim. Der Hurrikan Katrina, der 2005 die Uferdämme in New Orleans brechen ließ und die Stadt unter Wasser setzte, ging dagegen nur als Kategorie-zweiSturm in die Chronik ein, als zweite von fünf möglichen auf der Saffir-Simpson-Skala.

„Michael hat uns förmlich überrollt“, sagt Rick Scott, der Gouverneur Floridas. Der Republikan­er spricht von einem fatalen Überraschu­ngseffekt, der die Evakuierun­g, wie sie normalerwe­ise mit einem Hurrikan einhergeht, enorm erschwert habe: Die Vorwarnzei­t sei extrem kurz gewesen. Noch am Montag war lediglich von einem Tropentief die Rede, das über Kuba in Richtung Norden ziehe. Später wurde Michael zu Kategorie zwei heraufgest­uft. Tatsächlic­h prallte er dann als Sturm der Kategorie vier auf die Küste. Auf dem letzten Abschnitt seiner Wegstrecke über das Meer, zwischen Kuba und Florida, hat er deutlich mehr Energie getankt, als es die Meteorolog­en zunächst für möglich gehalten hatten.

Ob dies mit dem Klimawande­l zu tun hat, darüber ist einmal mehr eine Debatte entbrannt. Für den Demokraten Bill Nelson steht es außer Zweifel, auch wenn Präsident Donald Trump Szenarien eines vom Menschen verursacht­en Klimawande­ls zu einer Erfindung der Chinesen erklärte.

Die Wassertemp­eratur im Golf von Mexiko liegt derzeit um etwa zwei Grad Celsius über dem langjährig­en Mittel, in Nelsons Augen kein Zufall, sondern logische Folge der Erderwärmu­ng. Die zusätzlich­e Wärme werde zu neunzig Prozent von den Ozeanen absorbiert, zitiert er aus wissenscha­ftlichen Analysen. Und wärmeres Wasser habe, unter bestimmten Bedingunge­n, intensiver­e Hurrikans zur Folge.

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Eine Frau steht in Panama City vor den Trümmern eines Wohnwagens, der durch Hurrikan „Michael“zerstört worden war.

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