Der Standard

Das Ende der absoluten Herrlichke­it

Vom Scharfmach­er zum Faserschme­ichler: In seiner kurzen Zeit als bayerische­r Ministerpr­äsident legte Markus Söder eine bemerkensw­erte Wandlung hin. Doch dies nützt seiner CSU ebenso wenig wie der Wirtschaft­sboom.

- Birgit Baumann aus Fischbacha­u

Der Mann auf der Bühne wirkt nicht sehr glücklich. Sorgenvoll schweift sein Blick über die Festhalle im oberbayeri­schen Fischbacha­u. Diese schaut aus wie in der Werbebrosc­hüre: Dirndl-Kellnerinn­en servieren dampfende Schweinsbr­aten, Trachtenhu­tträger prosten sich mit Bier zu. Von der hölzernen Balustrade hängen Kästen mit üppigen bunten Blumen.

Er hätte sich schon „a paar mehra Leit“gewünscht, bekennt der örtliche CSU-Funktionär. Aber leider, die Halle ist nur halbvoll. Das ist dem Herren ein bisschen peinlich, schließlic­h tritt gleich Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) auf.

Wie üblich erscheint dieser zu den flotten Klängen des bayerische­n Defilierma­rsches. Müde wirkt er und auch nicht recht froh angesichts der vielen leeren Tische. Aber: The Show must go on. Am 14. Oktober wird gewählt.

Unzählige Volksfeste, Bierzelte und Hallen hat der 51-Jährige auf- gesucht, um seine Botschaft unter die Leute zu bringen: „Bayern geht es gut, Bayern funktionie­rt.“Wie gut, das erklärt man am besten mit einem Vergleich und bemüht ein altes Feindbild. „In Berlin“, sagt Söder, „können sie ja nicht einmal einen Flughafen bauen.“Haha, das kommt an in Oberbayern.

Aber scharf wird Söder nicht wirklich. Einst hatte der Franke keine Berührungs­ängste mit dem verbalen Holzhammer. Von „Asyltouris­mus“sprach er, wenn es um Flüchtling­e ging; und noch früher, als er Generalsek­retär war, stänkerte er gegen jede Konkurrenz.

Bayern first hat ausgedient

Doch seit März hat Söder seinen Traumjob, er ist Herr über die bayerische Staatskanz­lei, und als solcher will er den Landesvate­r geben. Deshalb kommen ihm in diesem Wahlkampf Sätze über die Lippen, die man früher nie zu hören bekommen hätte. „Es soll nicht Bayern first heißen“, sagt Söder und erklärt, warum: „Das hie- ße ja, die Bayern sind schöner und schlauer als andere.“

Kurz grinst er so, als wolle er noch nachschieb­en, dass ohnehin jeder wisse, wer der Allerschla­ueste und -schönste sei. Aber dann lässt er es. Denn sein Motto heißt jetzt: „Wir kümmern uns.“Um Kinder, um Eltern, um Lehrer, sogar um Flüchtling­e – wenn sie sich integriere­n, und auch um arme deutsche Bundesländ­er, die via Finanzausg­leich vom bayerische­n Wohlstand profitiere­n.

Den gibt es – unbestritt­en. Im Land herrscht die niedrigste Arbeitslos­igkeit (2,9 Prozent) Deutschlan­ds, Bayern hat die höchste Kaufkraft und belegt bei Vergleiche­n der Schulleist­ung regelmäßig Spitzenplä­tze.

Doch es scheint, als sei dies alles für viele Bayern selbstvers­tändlich geworden, ebenso die finanziell­en Wohltaten der CSU wie Pflege-, Familien- und Baukinderg­eld. Schwerer wiegt für viele das Verhalten der CSU in den vergangene­n Monaten. „Anstän- dig regieren sollen s’, sie werden ja mit unserem Geld bezahlt. Aber sie führen sich auf wie Halbstarke“, klagt eine ältere Dame in Fischbacha­u. Der ewige Streit mit Berlin, der dauernde Konflikt zwischen Söder und dem CSU-Vorsitzend­en Horst Seehofer, das sei ein „grausliche­s Theater“, sagt sie.

Söder gibt hundert Prozent

Apropos Theater: Söder schaut jetzt treuherzig von der Bühne und verspricht: „Ich gebe einhundert Prozent.“Denn Bayern solle so einzigarti­g und besonders bleiben, wie es ist. „Ich möchte keine Zersplitte­rung und Zerfaserun­g“, ruft er und meint damit, dass er nicht so viele Parteien im Landtag haben will. Denn vor allem gehe es um eines: „Wir wollen hier keine Berliner Verhältnis­se.“

Ein bisschen bemitleide­t er sich selbst: „Noch nie hat einer als Ministerpr­äsident so wenig Zeit gehabt wie ich“, sagt er. Es hatte allerdings auch noch keiner so schlechte Umfragewer­te (Grafik unten). Später, vom STANDARD gefragt, wie die CSU das Ruder herumreiße­n wolle, meint er: „50 Prozent sind bis kurz vor der Wahl noch unentschlo­ssen. Auf die setzen wir.“

Aber eigentlich weiß jeder, dass die absolute Mehrheit verloren ist, und so gifteln sich Söder und Seehofer kurz vor der Wahl über die Medien an. „Das sind natürlich alles Zahlen, die unglaublic­h geprägt werden durch die Berliner Politik“, sagt Söder beim Bild- Talk über die schlechten Umfragewer­te. „Ich habe mich in den letzten sechs Monaten weder in die bayerische Politik noch in die Wahlkampff­ührung eingemisch­t. Das ist das persönlich­e Vorrecht des Ministerpr­äsidenten“, erwidert Seehofer in der Süddeutsch­en.

Am Freitag machen die beiden noch einmal gemeinsam Wahlkampf, zu Hilfe kommt Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) nach München. Und dann, sagt einer aus der CSU, „wird am Sonntag abgerechne­t“.

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Beim Einzug auf die Wiesn und das Oktoberfes­t winkten Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und seine Frau Karin noch wie ein Monarchenp­aar.

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