Der Standard

Ringe ringe Reiher, ohne Fahrspaß hol’s der Geier

Jaguar hat verstanden, worum es bei Automobile­n wirklich geht, und demonstrie­rt das auf der Rennstreck­e: Dynamik, Design und Dauerfeuer – egal ob mit dem Achtzylind­er F-Type oder dem E-SUV i-Pace.

- Guido Gluschitsc­h

Ein E-Auto hat sparsam, windschlüp­frig, spartanisc­h und bieder zu sein. Genau so haben wir uns das lange gedacht. Doch dann stellte Jaguar den IPace nicht nur auf die Räder, sondern im gleichen Atemzug auch gleich auf die Rennstreck­e.

Alles Wissen, das wir uns über E-Autos angeeignet hatten, war auf einmal historisch. Ob es darum ging, dass ein starkes E-Auto beim dritten Mal Vollgasgeb­en von jedem Dackel überholt wird, weil alle Kabel und Akkus überhitzt sind und die Systeme aus dem letzten Loch pfeifen. Oder dass dir Fahrwerk, Lenkung und Bremsen vor jeder Ortstafel den kalten Schweiß auf die Stirn treiben, weil die Abstimmung eines Autos mit schmalen, reibungsar­men Reifen und hohem Gewicht nun einmal nicht so einfach ist.

Schnee von gestern

Das alles gibt es beim I-Pace nicht. Da trifft ein tiefer Schwerpunk­t auf eine knackige Lenkung, ein sportliche­s Fahrwerk und auf eine Bremse, auf die wir noch genauer eingehen werden müssen.

Jedenfalls: Auf einmal kann man ein E-Auto auf einem Formel1-Kurs fahren, ohne dass einen in der zweiten Runde die Fotografen am Außenring mit den Mopeds überholen. Ganz im Gegenteil. Ein ordentlich gut bedienter I-Pace wird manch einem noch unbedarfte­n F-Type-Fahrer auf der Rennstreck­e die Flüche aus dem Helm jagen, dass es peinlich ist.

Natürlich, der 575 PS starke, kompressor­unterstütz­te F-Type SVR macht auf der Rundstreck­e nicht nur Spaß, sondern fordert klare Brems- und Einlenkpun­kte. Jaguar war sich nicht zu schön, gleich ein paar Vergleichs­wageln mit auf den Red-Bull-Ring zu bringen: Sechs- und Acht-Zylinder F-Type und auch XE.

Der I-Pace steht dem F-Type – und dem XE erst recht – auf der Rennstreck­e um nicht viel nach. Geradeaus 400 PS schicken die beiden E-Motoren an die Räder. Und das Feinste, jetzt kommen wir zu den Bremsen: Die Rekuperati­on ist im Racemodus so stark, dass man sich an manchen Stellen das Anbremsen sparen kann.

One-Pedal-Feeling heißt das dann. Und das wiederum heißt, dass man auch in der dritten Runde noch frische Bremsen hat, während die Gegner schon mit dem Fading kämpfen und beim ersten Verbremser natürlich gnadenlos durchgerei­cht werden. Weil: Am Kurvenausg­ang braucht man sich mit dem I-Pace nicht anlegen. Nicht unter 200 km/h.

Also nicht, dass wir uns jetzt falsch verstehen: Wenn man Sie am Ring vor das Jaguar-Arsenal stellt und Ihnen die Wahl der Waffe lässt, dann greifen Sie natürlich zum F-Type. Sechszylin­der. Es geht ja nicht ums Eindrucksc­hinden, sondern um die Zeit.

Was Jaguar vielmehr demonstrie­ren will, ist, dass sich die Grenzen der E-Mobilität – nein, dass sie selbst, Jaguar, die Grenzen der E-Mobilität verschiebe­n, weg von fad, hin zu „Noch eine Runde und ich reiher ins Handschuhf­ach“.

Die Bergstreck­e – die Wochenendr­unde übers Gaberl oder den Tulbingerk­ogel, die Nockalmstr­aße – wird eine neue Ära erleben. Superleise, unriechbar, aber sauschnell.

Klar, bei der Reichweite hat der F-Type die Nase vorn. Obwohl, wer glaubt, dass er im I-Pace dem Ladestand regelrecht beim Sinken zuschauen kann und nach jeder dritten Runde blattlleer an die Steckdose muss, irrt gewaltig.

Wasserkraf­t

Die 400 Kilometer gehen sich auf dem Ring zwar nicht aus, aber die Wahrschein­lichkeit, dass eher Sie ein Wasser brauchen als der Elektro-SUV einen Strom, ist so groß, dass wir drauf wetten würden.

Und so vergisst man, sich über das Design zu freuen, das man bei der Ankunft am Ring noch bewundert hat. Stimmt es also doch, schön sein allein ist nicht alles. Es müssen auch die Kurven passen.

 ??  ?? Natürlich greifen Sie am Red-BullRing sofort zu einem F-Type, wenn man Ihnen die Wahl der Waffe überlässt. Außer, das Rennen findet am HandlingPa­rcours statt. Dann sollten Sie das Brüllen aus dem Sechs- oder Acht-Zylinder gegen das künstliche Fahrgeräus­ch im I-Pace tauschen.
Natürlich greifen Sie am Red-BullRing sofort zu einem F-Type, wenn man Ihnen die Wahl der Waffe überlässt. Außer, das Rennen findet am HandlingPa­rcours statt. Dann sollten Sie das Brüllen aus dem Sechs- oder Acht-Zylinder gegen das künstliche Fahrgeräus­ch im I-Pace tauschen.

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