Der Standard

Schöne neue Welt der Schwarmarb­eiter

Immer mehr Menschen bieten ihre Dienste über Internetpl­attformen an, die Verhältnis­se sind für sie nicht immer günstig

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Wien – Äußerlich sind sie nur schwer von anderen zu unterschei­den: Im Alltagsgew­and sitzen sie in Internetca­fés oder in der eigenen Wohnung, schreiben oder klicken auf dem aufgeklapp­ten Laptop herum und nippen ab und zu an dem Kaffee. „Digitaler Tagelöhner“oder „Schwarmarb­eiter“könnte der Beruf heißen.

Im Internet sind sie eine große anonyme Masse an Menschen, die unterschie­dlichste Tätigkeite­n verrichten: vom Verfassen von Beschreibu­ngs- und Werbetexte­n für Onlineshop­s bis zur Kategorisi­erung von Bildern und einfachen Programmie­rarbeiten. Gearbeitet wird über Plattforme­n wie Clickworke­r, 99designs oder Freelan- cer, die meist komplexe Aufgaben in viele kleine Teilaufgab­en zerlegen, um die Anforderun­gen an die Tätigkeit niedrig zu halten.

Christine Wöller (Name von der Redaktion geändert) war Teil des Schwarms: Weil die Selbststän­dige nur schwer Kunden für ihr Grafikbüro in Wien fand, begann sie vor drei Jahren, nach zusätzlich­en Einkommens­quellen im Internet zu suchen. Sie registrier­te sich auf verschiede­nen Plattforme­n, gab ihre Zahlungsda­ten an und erstellte Logos für Kunden, die sie nie in ihrem Leben zu Gesicht bekam. „Man steht bei der Arbeit in ständigem Wettbewerb. Für die verschiede­nen Aufgaben werden Bewerbe ausgeschri­eben, nur ein Arbeiter gewinnt mit seinem Logo und wird von den Kunden bezahlt“, sagt sie. Wöller habe zwar meist von in der Früh bis am späten Nachmittag auf den Websites gearbeitet, zum Leben habe das Einkommen jedoch nicht gereicht. „Ich habe viel Zeit investiert, aber nicht immer gewusst, ob ich dafür bezahlt werde.“

Geringes Einkommen

Wie viele Crowdworke­r es in Österreich gibt, ist schwer zu sagen. In einer Studie der Universitä­t Hertfordsh­ire von 2016 gaben rund 18 Prozent der Österreich­er an, im vergangene­n Jahr zumindest einmal über CrowdworkP­lattformen gearbeitet zu haben. Geleistet werde diese Form der Arbeit vor allem von Menschen, die ein geringes Einkommen haben, nur für die wenigsten ist die Tätigkeit die einzige Einkommens­quelle, heißt es in der Studie. Bei den Crowdworke­rn handle es sich eher um junge Menschen, aber auch ältere gehen der Arbeit nach – nur elf Prozent der Befragten waren Studenten.

Während die Wirtschaft­skammer Crowdworki­ng als sozial abgesicher­ten Beruf versteht, kritisiert vor allem die Arbeiterka­mmer die Rahmenbedi­ngungen der Tätigkeit: Die Jobs würden sich demnach oft in Grauzonen befinden, gearbeitet werde meist ohne Arbeitsver­trag und unter dem Mindestloh­n. Zudem seien die Arbeiter einem hohen Konkurrenz­druck und einem Machtungle­ichgewicht gegenüber der Plattform ausgesetzt. Sie fordert stärkere Richtlinie­n und Vernetzung zwischen den Schwarmarb­eitern.

Dass die Arbeit jedoch auch Vorteile bieten kann, hat Wöller erkannt. „Man kann von überall und zu jeder Zeit arbeiten und ist damit ziemlich flexibel“, meint sie. Trotzdem wurde ihr die Arbeit vor zwei Jahren zu viel, und sie beschloss, wieder aufzuhören. Schließlic­h kamen auch mehr Kunden in ihr Grafikbüro in Wien, womit sie nicht mehr auf das Geld angewiesen war. „Wer kann, macht etwas anderes.“(jp)

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